zentralplus machte den Test

So gefährlich ist das Velofahren in Zug wirklich

Nur unmarkierter Asphalt unter dem Rad: im Ortskern von Neuheim gibt’s keine Velostreifen. (Bild: zar)

Das Zuger Velonetz ist mangelhaft, kritisieren Vertreter der Velolobby. Grund genug, einige ausgemachte Schwachstellen selber abzuklappern. Natürlich per Velo. Dabei zeigt sich: Nicht alle Velofahrer sind gleich gut bedient.

Für Velofahrer ist der Kanton Zug ein heisses Pflaster. Zu diesem Schluss könnte kommen, wer den aktuellen Bericht zum Zustand des Zuger Velonetzes liest (zentralplus berichtete). Darin listet Pro Velo Zug nicht weniger als 57 konkrete Schwachstellen auf (verteilt auf zehn Zuger Gemeinden) sowie 10 weitere allgemeiner Art.

Der nicht abschliessende Katalog berichtet von «fehlenden Markierungen» über «gefährliche Schikanen» bis hin zu «fehlenden Velowegen». So ziemlich alles, was – laut Autoren – die Velofahrer im Kanton Zug vor grössere Schwierigkeit oder Gefahr stellt, wird aufgelistet (zentralplus berichtete).

Doch wie schlimm ist es tatsächlich bestellt um das Zuger Velonetz? Eine Tour entlang der schlimmsten, sprich gefährlichsten Passagen soll für mehr Klarheit sorgen. Gut 55 Kilometer Velotour, die einen Grossteil des Kantons Zug durchmessen. Eigenbeinig abgefahren.

Vom Zugersee auf gut 416 Metern über Meer geht es hoch nach Menzingen, das auf über 800 Metern liegt. Gesamthaft fast 1000 Höhenmeter legen wir zurück. Ausgespart werden dabei weder die «Velohöllen» Zug und Baar (auf deren Gemeindegebiet liegen fast zwei Drittel der von Pro Velo Zug ausgemachten Schwachstellen) noch Berggemeinden wie Unterägeri, Menzingen und Neuheim.

Letztere sind laut Katalog-Autoren nur dürftig oder gar nicht ans Velonetz angebunden. Zudem warten viele von ihnen mit einem Ortskern bar jeglicher Velostreifen, geschweige denn -wege, auf.

Auf die Hölle folgt das Paradies

Ein grosser Teil der Gefahren-Tour führt über Hauptstrassen, weil – eben: gefährlich. Da aber der Mensch bekanntlich Peitsche und Zuckerbrot benötigt, ist das Ganze mit Zückerli abseits der Zuger Abgashauptrouten angereichert worden: Hier eine Passage auf einer offiziellen Veloroute (von Zug nach Unterägeri), da ein Streckenverlauf auf kaum befahrenen Strassen durch bukolische Landzüge (von Menzingen nach Neuheim).

Ein äusserst schweisstreibender Ferien-Sommertag später ist die Tour abgefahren – und der Autor um folgende Erkenntnisse reicher:

Es gibt sie, die gefährlichen, unübersichtlichen Stellen

Etwa die Musikschule Zug, die zumindest von der einen Seite – gelinde gesagt – sehr dürftig für Velos erschlossen ist. Ein sicheres Ansteuern verhindern gleich mehrere Faktoren. Weder ist der Randstein abgeschrägt noch führt ein Veloweg auf der entsprechenden Seite an der Hauptstrasse entlang. Wer es schafft, diese zu überqueren, darf zum Dank das Velo die Treppe hochtragen.

Wenig überraschend hat sich auch gezeigt, dass die Passagen auf den Hauptstrassen nicht sonderlich vergnüglich sind. Das gilt besonders für die Verbindungen vom Tal zu und unter den Berggemeinden.

Plötzlich geht es nicht mehr weiter

Man will sich on the road über die weiteren Velo-Optionen erkundigen? Kein Problem, dazu gibt es hier und da sogar grössere Tafeln (löblich). Die Ziele sind auf diesen allerdings derart klein angeschrieben, dass ein Lesen ohne Abbremsen kaum möglich ist. Aber wer will das schon, wenn links von einem, manchmal keine Armlänge entfernt, der Verkehr durchbraust?

Immer mal wieder für Verwunderung sorgen Velostreifen, die am Strassenrand plötzlich im Nichts verschwinden (und aus jenem ebenso unvermittelt wieder auftauchen).

In die Kategorie verwirrend bis ärgerlich gehören gewisse Velowegpassagen entlang des Zugersees (etwa zwischen Zug und Oberwil). Plötzlich ist fertig lustig auf der einen Seite. Dann wird (manchmal dürftig) eine Querung signalisiert, und der Veloweg fährt als Streifen auf der anderen Seite fort.

Zuger Autofahrerinnen sind vergleichsweise geduldig

Allerdings merkt man als Rumänien-Touren erprobter Velofahrer auch: Ganz so velofeindlich ist der Kanton Zug nicht. Selbst auf den stark befahrenen Hauptachsen wird man mehr oder minder geduldig überholt mit mehr oder minder grossem Abstand – und nicht in eine Schlaglochpiste neben dem dünnen Asphaltband gedrängt. (Gott sei Dank fehlen auch die aggressiven, herumstreunenden rumänischen Hirtenhunde).

Will heissen: Anderswo geht es den Pedaleuren deutlich schlechter, selbst im Schweizer Vergleich. Ja, man fährt in der Gubelloch-Unterführung eingeklemmt zwischen zwei Autofahrbahnen. Verglichen mit der Seebrücke-Situation in Luzern aber ist das noch komfortabel. Dass soll die Defizite im Veloverkehr allerdings nicht kleinreden.

Die ganze Strecke im Detail

Fazit: Velo-Pendler haben es schwer

Denn immer wieder zeigt sich auch im Kanton Zug, welchen Stellenwert das Velo tatsächlich geniesst. Als Freizeit-Vehikel ist es allseits akzeptiert, ja. Ein Blick auf die einschlägigen Portale zeigt: Es gibt zig Kilometer Velorouten für Genuss- und Spassfahrer, weit weg von genervten Autopendlern und Töfffahrern mit Handgelenkzwicken.

Wer das Velo aber als alltägliches Transportmittel nutzt, um möglichst schnell, direkt und erst noch umweltfreundlich von Punkt A nach B zu gelangen, der fährt sprichwörtlich am Rand. Oder auf Verbindungsstrecken zweiter oder dritter Güte, mit entsprechend unnötigen Schleifen, Umwegen und Höhenmetern.

Die Mängelliste zeigt bereits Wirkung

Auch wenn der Schwachstellen-Katalog stellenweise etwas kleinlich daherkommen mag (hier fehlt ein Schildchen, hier müsste man noch mehr markieren): Er ist eine wichtige Bestandsaufnahme und gibt den Velofahrerinnen und ihren Bedürfnissen eine Stimme – die tatsächlich auch erhört wird.

Denn die berüchtigte Brüggli-Bremsschwelle, die gleich mehrere Lenker vom Velo abgeworfen hat, ist bereits entschärft worden (zentralplus berichtete). Nach heftiger, auch in den Medien kolportierter Kritik. Inzwischen ist ein risikofreies und langsames Umfahren des Hindernisses, ohne Absteigen, möglich.

Ob die anderen 56 Schwachstellen und mehr ebenso schnell entschärft werden? Und ob den Velopendlern mehr Gewicht und somit Platz eingeräumt wird? Das wird sich weisen.

So entstand die schlimmstmögliche Zuger Velo-Tour

  1. Man nehme den Pro-Velo-Zug-Schwachstellen-Katalog und studiere diesen eingehend. Weil das Abfahren aller 57 Schwachstellen zu viel an Muskelkraft zehren würde, gilt es sich zu beschränken.
  2. Deshalb filtert man aus allen Einträgen jene heraus, die mindestens mit einem grossen «S» taxiert werden. Das steht für «grosse Einschränkung in der Sicherheit», Sprich: Für Velofahrer gefährlich!
  3. Man lasse den gesunden Menschenverstand walten und die eigene, mehrjährige Velotourenplanung-Erfahrung einfliessen – und sichte die verbliebenen Einträge nochmals. Ein Veloweg, der an der Kantonsgrenze endet (Baar-Kappel)? Klar ärgerlich, ja gar gefährlich. Aber ein zwingendes Tourenziel? Nein! Oder: Eine gemeingefährliche Unterführung in Rotkreuz, weil von Fussgängern und Velos gleichermassen genutzt? Hinlänglich bekanntes Problem, das nicht speziell erfahren werden muss.
  4. Konsultiere Schweizmobil sowie Zug Tourismus und schau die offiziellen und empfohlenen Velotouren/-routen genau an. Sie gilt es zu meiden, denn wirklich gefährliche Stellen werden selten angepriesen.
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