Raumplaner suchen Ersatz für den Stadttunnel

So fliesst der Verkehr besser durch Zug – trotz neuer Flaniermeile

Der Traum von einer autofreien Zuger Vorstadt lebt auch nach der Ablehnung des Stadttunnels fort.

(Bild: mam)

Wie kann der Verkehr in der Zuger Innenstadt beruhigt werden? Studenten der Hochschule Rapperswil haben dazu in Bachelorarbeiten verschiedene Konzepte verglichen. Neben der Variante mit der verkehrsfreien Vorstadt gefällt ihnen auch ein ziemlich schräger Vorschlag.

Stau auf der Chamerstrasse, Stau in der Vorstadt, Stau in der Neugasse: So sieht die Verkehrssituation in Zugs Innenstadt morgens, mittags und abends aus. Alle möchten ihn weghaben, aber das Mittel dagegen – der Stadttunnel als zusätzliche Umfahrungsmöglichkeit des Zentrums – wurde 2015 an der Urne abgelehnt.

So könnte die Vorstadt aussehen, wäre sie dank Stadttunnel autofrei.

So könnte die Vorstadt aussehen, wäre sie autofrei.

(Bild: zvg / Visualisierung)

Was ist zu tun? Der Tunnel ist zwar versenkt, aber mit gescheiten Entlastungsmassnahmen könnte Zugs Zentrum dennoch verkehrsberuhigt werden, glauben viele Planer – zum Beispiel Philipp Kissling von der Zuger Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz. Im Frühling lancierte er für den VCS eine simple Idee, wie man mit ein paar Verkehrsschildern und Umleitungen eine verkehrsfreie Vorstadt und eine erweiterte Flaniermeile am Seeufer erreicht (zentralplus berichtete).

Drei Möglichkeiten

Raumplanungsstudenten der Hochschule Rapperswil haben sich den VCS-Plan in mehreren Bachelorarbeiten vorgeknöpft und ihn mit alten und neuen Ideen verglichen, wie man den Verkehr in Zugs Zentrum ebenfalls neu regeln könnte. Aus den zentralplus vorliegenden Arbeiten lässt sich ein gemeinsamer Nenner ableiten.

Verkehrsplanungs-Variante, die auf dem VCS-Vorschlag aufbaut: In der Vorstadt und auf der Baarerstrasse verkehren nur noch Busse. Die Poststrasse und ein Teil der Industriestrasse wird zur Hauptverkehrsader für die Autos.

Verkehrsplanungs-Variante, die auf dem VCS-Vorschlag aufbaut: In der Vorstadt und auf der Baarerstrasse verkehren nur noch Busse. Die Poststrasse und ein Teil der Industriestrasse wird zur Hauptverkehrsader für die Autos.

Fazit: Als Alternative zur verkehrsfreien Vorstadt könnte man erstens auch eine verkehrsberuhigte Vorstadt haben, auf der noch Busse unterwegs sind. Oder man könnte zweitens mit einem Konzept namens Vier-Achsen-Umfahrung weiter den Stau auf der Vorstadt behalten wollen und dafür eine verkehrsberuhigte Bahnhofsstrasse haben, die als Geschäftsstrasse aufgewertet wird. Oder man könnte schliesslich und drittens mit einem Plan namens Westumfahrung den Verkehr in der Nähe des Seeufers durchschleusen und dafür die Autos aus Bahnhof- und Poststrasse wegputzen.

Vier-Achsen-Umfahrung: Über die Bahnhofsstrasse wird der öV gelenkt, die Autos müssen drum herum fahren.

Vier-Achsen-Umfahrung: Über die Bahnhofsstrasse wird der öV gelenkt, die Autos müssen drum herum fahren.

Autos bleiben in der Altstadt

Nicht mehr möglich scheint die grosse Vision, die beim Stadttunnel Pate gestanden hat: nämlich eine verkehrsfreie Altstadt, sprich eine Neugasse und Grabenstrasse, auf der keine Autos mehr fahren. In allen Plänen fliesst der Verkehr weiter durch dieses Nadelöhr. Eine Entlastung scheint nur noch in der Münzgasse möglich, die in mehreren Studien in Zukunft den Fussgängern und Velofahrern vorbehalten bleiben soll.

Doch zurück zum VCS-Vorschlag mit der verkehrsfreien Vorstadt: Diese schneidet bei vielen angehenden Raumplanern aus Rapperswil recht gut ab. Als beste Alternative dazu kristallisiert sich ein Konzept namens Ostumfahrung heraus: Die entlastet, wie der VCS-Vorschlag auch, die Vorstadt und den Uferbereich an der Rössliwiese.

Ringverkehr über Bahnhof- und Poststrasse

Der Verkehr soll bei der Ostumfahrung auf die Bahnhofstrasse und die Poststrasse gelegt werden. In einer Variante wäre Gegenverkehr auf beiden Strassen vorgesehen, in einer anderen Variante ein Ringverkehr, bei dem nordwärts und stadtauswärts die Poststrasse befahren wird, südwärts oder stadteinwärts aber die Bahnhofstrasse.

Ein Problem bleibt die Eisenbahnbrücke auf der Poststrasse, die nur 3,80 Metern hohen Fahrzeugen den Durchlass gewährt. Ausserdem, so sagt Philipp Kissling vom VCS, sei es schwer denkbar, dass man die Poststrasse zur Hauptverkehrsader mache und im Gegenverkehr führe. «Dazu ist die zu wenig breit und der Gegenverkehr würde den Verkehrsfluss zu stark hinunterbremsen.» Dies durch Abbiegen in Seitenstrassen und Parkhäuser.

Was die Zukunft bringt, ist ungewiss

Philipp Kissling hält seinen Vorschlag immer noch für den besten. Denn damit könnten die Parkhäuser in Seenähe leichter erreicht werden, sagt er, es wäre einfacher für Automobilisten. Ausserdem baut er auf der gegenwärtigen Situation auf, bei der der grösste Verkehrsstrom sich aus Westen, aus der Chamerstrasse ins Zentrum ergiesst.

Die Umfahrung Ost will den Hauptzubringer für den motorisierten Verkehr hingegen auf General-Guisan- und Gubelstrasse legen. Das würde freilich bedingen, dass die General-Guisan-Strasse bis Steinhausen weitergeführt und dort ein Autobahn-Halbanschluss entsteht. Ein solches Bauvorhaben ist bekanntlich erst Zukunftsmusik.

Eine Hardcore-Version der Ostumfahrung des Zuger Zentrums mit Anbindung an die Chamerstrasse: Die Autos sollen hinter dem Metalli-Zentrum durch und auf die Poststrasse.

Eine Hardcore-Version der Ostumfahrung des Zuger Zentrums mit Anbindung an die Chamerstrasse: Die Autos sollen hinter dem Metalli-Zentrum durch und auf die Poststrasse.

(Bild: Hochschule Rapperswil)

Oberirdische Parkplätze sollen weg

Und was will die Stadt Zug selber? Für sie haben sich die offiziellen Ziele der Verkehrspolitik durch die verlorene Stadttunnel-Abstimmung nicht geändert. Es wird weiter eine verkehrsberuhigte Innenstadt möglichst ohne oberirdische Parkplätze an Post- und Bundesplatz angestrebt – alle Autos sollen in Parkhäuser verschwinden.

Die Stadt Zug hat deshalb die Studenten der Hochschule Rapperswil bei ihrer Bachelorarbeit unterstützt, sagt Stadtplaner Harald Klein. Ihre Untersuchungen sollen ebenso wie der Vorschlag des VCS bei der nächsten Revision der Ortsplanung in ein neues Konzept einfliessen, das Klein «Zentrum plus ohne Stadttunnel» nennt. 

Es wird freilich kein behördliches oder planerisches Unterfangen bleiben. Alle Anspruchsgruppen – «Parteien und Verbände sowie weitere Stakeholders» – sollen laut Klein einbezogen werden. Dass die Streichung von Aussenparkplätzen und die Einführung von Langsamfahrzonen für den Autoverkehr politisch umstritten sein wird, ist jetzt schon klar.

Problem vor dem Loreto-Schulhaus bleibt

Ausserdem gilt es eine weitere Knacknuss zu lösen. Bei den allermeisten Planspielen bewirkt eine Verkehrsentlastung des Zentrums, dass mehr Verkehr auf den Zugerberg-Hang gelenkt wird – konkret auf den Lüssiweg, die alte Baarerstrasse, die Loretostrasse und die Ägeristrasse. Also auch auf die sogenannte «graue Gutschrank-Abfahrt», die heute von den Pendlern aus den Zuger Berggemeinden und dem Ägerital genutzt wird, um über Quartierstrassen in die Stadt einzusickern.

In dieser Grafik hat ein Student die Auswirkungen des VCS-Konzepts auf die künftigen Verkehrsströme berechnet. Grün: Weniger Verkehr, Rot: mehr Verkehr.

In dieser Grafik hat ein Student die Auswirkungen des VCS-Konzepts auf die künftigen Verkehrsströme berechnet. Grün: Weniger Verkehr, Rot: mehr Verkehr.

(Bild: Hochschule Rapperswil)

Den Verkehrsstrom der Gutschrank-Abfahrt möchte man eigentlich durch den Bau der Nordtangente zwischen Zug und Baar trockenlegen. Denn an der Gutschrank-Abfahrt liegen Wohnquartiere und mit dem Schulhaus Loreto und der Kantonsschule auch zwei Aufenthaltsorte für viele Kinder und Jugendliche. Eine Verkehrsentlastung im Zentrum zu erreichen, ohne gleichzeitig die Strassen am Hang zuzustauen, bleibt eine Herausforderung für die Planer.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinrich Vogelsang
    Heinrich Vogelsang, 22.10.2017, 22:12 Uhr

    Können weniger Fahrzeuge in Vorstadt und Baarerstrasse für die Verheissung einer autofreien Altststadt entschädigen? Glaubs nicht. Der Krämergeist und der beschränkte Horizont vieler in Zug verhindert wirklich zukunftsfähige Lösungen.

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