Wald als neues Siedlungsgebiet

Sind solche Bauten illegal?

Wenn heute gebaut wird, dann vor allem auf Landwirtschaftsland. Ein Motionär fordert nun, dass für Neubauten Wald gerodet werden darf. (Bild: Archivbild)

Eine Motion im Kanton Zug will Baugebiete im Wald per Richtplan ermöglichen – und erntet, noch vor deren Einreichung, bereits viel Kritik. Der Vorstoss sorgt vielerorts für Kopfschütteln. Abgesehen davon, dass viele die Motion absurd finden, glauben Fachleute: Was hier gefordert wird, geht gar nicht.

Nachdem in diesem Frühjahr eine Motion zu reden gab, welche die Denkmalpflege für freiwillig erklären wollte, kommt erneut ein ziemlich ungewöhnlicher politischer Vorstoss aus dem Kanton Zug. CVP-Kantonsrat Thomas Meierhans will den Regierungsrat beauftragen, den kantonalen Richtplan so zu ändern, dass künftige Siedlungserweiterungen vom heutigen Landwirtschaftsgebiet in Gebiete mit Wald verschoben werden (zentral+ berichtete).

Damit solle der Erhalt von fruchtbarem Boden für spätere Generationen gesichert werden. «Es ist besser, mit zukünftigen Sieldungserweiterungen schlechten Boden zu verbrauchen», begründet der Motionär sein Anliegen. Die Behandlung des Vorstosses ist für den kommenden Donnerstag traktandiert.

Rodungsverbot im Waldgesetz

Die Zuger Motion betritt insofern Neuland, als die anvisierte Rodungserlaubnis quasi grundsätzlich auf der Ebene des kantonalen Richtplanes eingeräumt werden soll. Gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist das aber gar nicht möglich: «Im kantonalen Richtplan dürfen nur Bestimmungen aufgenommen werden, die mit dem Bundes- und Kantonsrecht vereinbar sind», sagt Bruno Röösli vom BAFU. Artikel 5 des Eidgenössischen Waldgesetzes legt ein grundsätzliches Rodungsverbot fest.

Ausnahmen für Siedlungszwecke sind nur in ganz engen Grenzen möglich. Der frühere Bundesgerichtspräsident Giusep Nay erklärt auf Anfrage: «Allein zur Schonung von Landwirtschaftsgebiet kann Wald nicht gerodet werden. Deshalb kann das auch nicht in einem Richtplan vorgesehen werden.»

Die Fachleute im Bundesamt für Umwelt (BAFU) gehen davon aus, dass in den letzten Jahren wohl noch in keinem anderen Kanton je ein derartiger Vorstoss eingereicht wurde. Interessant: Viel weniger weit gehende Elemente im Zürcher Richtplan wurden vor wenigen Wochen vom Bundesrat gestrichen.

Strenge Praxis des Bundesgerichts

Zwar gab es auch schon in der Vergangenheit vereinzelt Ideen, eine bestimmte Waldfläche für Siedlungszwecke zu roden. Gemäss der konstanten Praxis des Bundesgerichtes seien Rodungen für Siedlungszwecke auch in konkreten Einzelfällen nur sehr zurückhaltend bewilligungsfähig, erklärt Bruno Röösli. Ein Entscheid des Bundesgerichtes aus dem Jahre 2010 zu einer kleinen Siedlungserweiterung im waldreichen Ascona bestätige die strenge Praxis des Bundesgerichtes.

«Das vorrangige Ziel muss sein, die Siedlungen gar nicht mehr nach aussen wachsen zu lassen, weder ins Kulturland noch in den Wald.»

Roland Schuler, Pro Natura

Ein anderes derartiges Vorhaben gab es in Wald (ZH). Dieses wurde aber bereits schon von der Gemeindeversammlung abgelehnt. Im Falle eines Projektes bei Kloten kam ein Gutachten der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung zum klaren Schluss, dass dieses aus rechtlichen Gründen nicht realisierbar sei. Das Projekt «Waldstadt Bremer» bei Bern bleibt politisch umstritten und hängt nun schon seit längerer Zeit in der Schwebe. Grundsätzlich scheitern derartige Pläne jeweils am Rodungsverbot für Wald und sind entsprechend nicht realisierbar.

Bevölkerung will Schutz

Die Umweltverbände können dem Zuger Vorstoss gar nichts abgewinnen. «Wald als Siedlungsfläche freigeben?», fragt Roland Schuler von der Pro Natura. Und gibt die Antwort postwendend selber: «Sicher nicht. Das vorrangige Ziel muss sein, die Siedlungen gar nicht mehr nach aussen wachsen zu lassen, weder ins Kulturland noch in den Wald.»
Der Wald sei aus Gründen der Biodiversität und der Holzproduktion von grosser Bedeutung, sagt Thomas Wirth vom WWF Schweiz. Wälder seien aber auch für die breite Bevölkerung als Naherholungsgebiete enorm wichtig. Dies zeige sich in Umfragen. Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sei nicht bereit, das Rodungsverbot zu lockern.

«Sollte der Kantonsrat Zug dieser Motion zustimmen, so würde dies nur zu unnötigen Verwaltungskosten führen», hält Thomas Wirth fest. Es sei nicht zu erwarten, dass der Bundesrat derartige Siedlungsgebiete genehmigen würde, da sie den bundesrechtlichen Vorgaben widersprächen. «Aus meiner Sicht ist die Motion juristisch absolut wirkungslos und generiert nur unnötige Kosten.»

Waldzunahme gibt es vor allem in Höhenlagen

«Der Schutz des Waldes ist die wohl grösste Errungenschaft des Landschaftsschutzes in der Schweiz» hält Raimund Rodewald vom Landschaftsschutz Schweiz fest. «Diesen Schutz werden wir nicht opfern.» Die Siedlungsentwicklung in engen Städten wie Zug müsse vor allem durch den Bau von deutlich kleineren Wohnungen vonstatten gehen. «Es geht nämlich nicht bloss um die Anzahl Wohnungen, sondern um den Flächenanspruch pro Einwohner. Diese Zahl ist in der Schweiz europaweit eine der höchsten.»

Motionär Thomas Meierhans begründet sein Anliegen unter anderem damit, dass der Wald in der Vergangenheit stark gewachsen sei. Das wird vom BAFU aber relativiert. Im Jura und im Mittelland habe sich die Waldfläche seit 1985 nicht signifikant verändert. Der Wald gewinne vor allem auf Höhenlagen zwischen 1000 Metern und der Vegetationsgrenze an Terrain. Dies sei in der Regel dort der Fall, wo die Bewirtschaftung von Alpweiden und wenig produktivem Land bereits vor Jahren aufgegeben worden sei. Im Mittelland hingegen stehe der Wald mit der Bevölkerungszunahme und der Ausbreitung der damit verbundenen Infrastrukturen weiterhin unter starkem Druck.

Überweisung parlamentsrechtlich zulässig

Thomas Meierhans sagt, dass er von diversen Kantonsratsmitgliedern verschiedener Parteien positive Rückmeldungen erhalten habe. Ob nun aber der Kantonsrat diesen Vorstoss auch tatsächlich an den Regierungsrat überweisen wird, ist offen. Immerhin: Eine Ablehnung quasi zum vornherein kommt bei Parlamentsvorstössen im Kanton Zug praktisch nie vor. Auch im Falle einer möglichen Bundesrechtswidrigkeit ist eine Überweisung parlamentsrechtlich zulässig.

Gemäss CVP-Fraktionschef Andreas Hausheer wird die CVP-Fraktion die Motion von Kantonsrat Thomas Meierhans an den Regierungsrat überweisen: «Damit erhält der Regierungsrat den Auftrag, das Anliegen des Motionärs vertieft zu prüfen und dem Kantonsrat Bericht und Antrag zu erstatten. Darüber wird dann der Kantonsrat entscheiden.»

Die Fraktion der Alternativen-Die Grünen hält in ihrem Fraktionsbericht hingegen fest, dass der Vorstoss von Meierhans nicht motionsfähig sei. Gemäss Waldgesetz des Bundes seien Waldrodungen zwecks Einzonungen zu Bauland nicht erlaubt.

 

 

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