Luzerner entscheiden über Unternehmenssteuern

Sind die tiefen Steuern wirklich «alternativlos»?

Am 25. September stimmt das Luzerner Volk über die Initiative «Für faire Unternehmenssteuern» ab.

(Bild: Montage les)

Seit vier Jahren hat Luzern die schweizweit tiefsten Unternehmenssteuern. Linke Parteien wollen diese um 50 Prozent erhöhen. Am 25. September muss das Volk über eine Fortführung der umstrittenen Tiefsteuerstrategie befinden. Wir haben uns die Argumente der beiden Seiten angeschaut.

Wie geht es weiter mit den Finanzen des arg gebeutelten Kantons Luzern? Diesen Dienstag will die Luzerner Regierung informieren, wie sie die grosse Finanzierungslücke von rund 520 Millionen Franken in den nächsten drei Jahren schliessen will (Erfahren Sie diesen Dienstagnachmittag auf zentralplus alles zur Medienkonferenz der Regierung). Eines ist schon jetzt klar: Eine Abkehr von der Tiefsteuerstrategie wird die Regierung nicht vorschlagen. Sie hat in der Vergangenheit nie Anstalten in diese Richtung gemacht.

Die Einschätzungen der Parteien zur Tiefsteuerstrategie gehen hingegen meilenweit auseinander. Im Wahlkampf 2015 sprach die SVP von einer «Erfolgsstory», während die SP die Strategie als «grandios gescheitert» bezeichnete. Und die CVP bezeichnete bei der Debatte ums Sparpaket KP17 die Strategie im gesamtschweizerischen Kontext letzlich als «alternativlos». Ein Credo, welchem die bürgerlichen Parteien bisher strikt folgen.

Ganz anders die in der Regierung nicht vertretenen Parteien des linken politischen Spektrums: Sie fordern, dass auch Unternehmen einen Beitrag zur Sanierung der Kantonsfinanzen leisten. Ihre Initiative unter dem Titel «Für faire Unternehmenssteuern» verlangt, die Steuern für die Unternehmen um 50 Prozent zu erhöhen. Heute müssen Unternehmen 1,5 Prozent ihres Gewinns abgeben. Bei der Regierung und im Kantonsrat (88 gegen 24 Stimmen) stiessen die Linken mit diesem Anliegen auf taube Ohren. Nun kann das Volk am 25. September darüber entscheiden.

Welchen Anteil sollen Unternehmen leisten?

Mit der vorgeschlagenen Steuererhöhung wollen die Initianten die bisherige Tiefsteuerstrategie beenden. Anfang 2012 halbierte der Kanton Luzern die Unternehmenssteuern auf den schweizweit tiefsten Wert. Dieser Entscheid wurde von der Regierung, der Mehrheit des Kantonsrats und der Luzerner Bevölkerung mit 62 Prozent der Stimmen befürwortet. Dies soll der grosse Trumpf des Kantons sein, wenn es um die Ansiedlung neuer Firmen geht. Ob die Strategie erfolgreich ist oder harzt, ist umstritten. Klar ist, dass nicht so viele Unternehmen ihren Sitz in den Kanton Luzern verlegt haben, wie ursprünglich gehofft (zentralplus berichtete).

Die linken Parteien und eine Reihe von Verbänden erklären die Strategie für «gescheitert». Das Komitee (siehe Box) ist überzeugt, dass der Kanton auch mit diesem Steuersatz noch attraktiv genug wäre, so dass die Firmen bleiben würden.

Das Hauptargument der Initiativen-Befürworter lautet, dass die Unternehmen in der Vergangenheit überdurchschnittlich von den Steuersenkungen profitiert hätten. So hätten Unternehmen vor zehn Jahren noch 15 Prozent der ordentlichen Steuererträge bezahlt, heute sei der Anteil unter einem Zehntel. Gleichzeitig sei der Anteil der Einwohner am Gesamtsteuerertrag um 18 Prozent gestiegen.

Der Anteil an Unternehmen am gesamten Steuereinkommen im Kanton Luzern ist rückläufig. (Bild: Screenshot Argumentarium Initiativkomitee)

Der Anteil an Unternehmen am gesamten Steuereinkommen im Kanton Luzern ist rückläufig. (Bild: Screenshot Argumentarium Initiativkomitee)

 

Ein Sparpaket jagt das nächste

Gemäss den Linken ist die verfehlte Politik auch schuld an der schlechten Finanzlage und den grossen Sparpaketen im Kanton Luzern. Sie führen in ihrem Argumentarium eine lange Liste von Bereichen auf, in welchen der Kanton in den letzten Jahren seine Leistungen gekürzt hat.

Hier eine Auswahl:

  • Kürzung der Lektionen an Schulen und Sonderschulen
  • Einführung von Zwangsferien an den kantonalen Schulen
  • Schliessung der Bibliotheken und Streichung von Stützkursen an den Berufsschulen
  • Kürzungen der Beiträge an Uni, Pädagogische Hochschule und Fachhochschulen
  • Wiederholte Senkungen der Beiträge an soziale Institutionen (z. B. Brändi)
  • Senkung der Prämienverbilligungen
  • Mehrmalige Verschiebung der Aufstockung der Luzerner Polizei
  • Streichung diverser Hochwasser-Schutzbauten

Stellvertretend für verschiedene Verbände sagte Michael Ledergerber, der Geschäftsführer der Behindertenorganisation Procap, an einer Medienkonferenz des Initiativkomitees: «Eine Erhöhung der Gewinnsteuern wäre zwar kein Quantensprung. Aber mit der Massnahme könnte sich der Kanton finanziell etwas Luft verschaffen.» Dies würde sicherstellen, so hofft Ledergerber, dass im sozialen Bereich nicht weiter gespart würde.

Die Linken kritisieren die ständigen Sparpakete des Kantons Luzern. Das KP17 wird nach Bekanntwerden von massiven NFA-Ausfällen viel grösser als 330 Millionen Franken.

Die Linken kritisieren die ständigen Sparpakete des Kantons Luzern. Das KP17 wird nach Bekanntwerden von massiven NFA-Ausfällen viel grösser als 330 Millionen Franken.

Alle diese Abbaumassnahmen hätten auch Auswirkungen auf die Unternehmen. Denn auch sie sind auf gute Infrastrukturen angewiesen. Es sei nun an der Zeit, dass sich auch Unternehmen wieder vermehrt beteiligen müssten. SP-Präsident David Roth sagt: «Es kann nicht sein, dass wir alle die Steuergeschenke für Reiche und Grossunternehmen bezahlen müssen.»

Gegner loben Vorteile im Steuerwettbewerb

Völlig anders tönt es auf bürgerlicher Seite. Die Hauptsorge lautet: Sollte die Initiative angenommen werden, würden Firmen aus dem Kanton Luzern abwandern und Arbeitsplätze verloren gehen. Seit der Halbierung der Gewinnsteuern sei der Kanton überdurchschnittlich gewachsen. Zudem stehe Luzern mit einer Arbeitslosenquote von 2,1 Prozent (Mai 2016) im Vergleich zur Schweiz (3,3 Prozent) sehr gut da. «Einer der grossen Wettbewerbsvorteile des Wirtschaftsstandorts Luzern sind die vergleichsweise tiefen Kosten, welche für die Firmen anfallen. Genau diesen Vorteil aufs Spiel zu setzen, ist ungeschickt», sagte Gaudenz Zemp, der Direktor des Gewerbeverbands des Kantons Luzern und FDP-Kantonsrat, anlässlich einer Medienkonferenz des Gegner-Komitees.

Zudem sei die Aussage, dass Unternehmen überdurchschnittlich profitieren würden, schlicht nicht richtig. Dies schreibt auch die Luzerner Regierung im Abstimmungsbüchlein. Natürliche Personen hätten von den Steuerentlastungen der vergangenen Jahre in einem höheren Ausmass profitiert.

Nicht nur Unternehmen haben in der Vergangenheit von Steuererleichterungen profitiert. (Bild: Abstimmungsbüchlein)

Nicht nur Unternehmen haben in der Vergangenheit von Steuererleichterungen profitiert. (Bild: Abstimmungsbüchlein)

Das bürgerliche Komitee warnt, dass 20 Unternehmen rund 35 Prozent der gesamten Steuereinnahmen bezahlen würden. Wandere eine solche Firma ab, so würden dem Kanton auf einen Schlag hohe Steuereinnahmen verloren gehen. Für den Kanton hätte die Initiative also sogar negative finanzielle Auswirkungen. Dass die Halbierung der Unternehmenssteuern zu grossen Steuerausfällen geführt hätte, sei ebenfalls nicht korrekt. Die Steuereinnahmen bei juristischen Personen seien heute auf dem gleichen Niveau wie vor der Halbierung der Unternehmenssteuern.

Langfristig sollten die tiefen Steuern dem Kanton sogar Mehreinnahmen bringen. Dafür verantwortlich sollen sowohl neue Firmen sein wie auch deren Angestellte, die auch im Kanton Luzern besteuert werden.  Die Regierung schreibt in den Abstimmungsunterlagen: «Ob die verfolgte Steuerstrategie letztlich aufgeht, kann derzeit nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Dafür ist es noch zu früh. Gesicherte Daten und Erkenntnisse fehlen.» Gerne bringt die Regierung zum noch ausbleibenden Erfolg der Strategie die weltweit angespannte wirtschaftliche Situation sowie die Frankenstärke ins Spiel.

Die Steuereinnahmen von juristischen Personen befinden sich auf dem gleichen Niveau wie vor der Halbierung der Unternehmenssteuern. (Bild: Abstimmungsbüchlein)

Die Steuereinnahmen von juristischen Personen befinden sich auf dem gleichen Niveau wie vor der Halbierung der Unternehmenssteuern. (Bild: Abstimmungsbüchlein)

Als weiteres Argument führen die Gegner aus, dass eine Abkehr von der Strategie die Verlässlichkeit des Standorts Luzern in Frage stellen würde. Diese sei aber gerade im Hinblick auf die Unternehmenssteuerreform III von grosser Bedeutung. Im Rahmen dieser würden etliche Kantone ihre Unternehmenssteuern senken. Der Zeitpunkt für Luzern, die Steuern zu erhöhen, wäre denkbar schlecht und würde Luzern im Steuerwettbewerb massiv zurückwerfen.

Die Gegner argumentieren, dass eine Steuererhöhung zum aktuellen Zeitpunkt ungeschickt wäre, da im Hinblick auf die Unternehmenssteuerreform III andere Kantone die Steuern senken werden. (Bild: Kurzargumentarium Initiativgegner)

Die Gegner argumentieren, dass eine Steuererhöhung zum aktuellen Zeitpunkt ungeschickt wäre, da im Hinblick auf die Unternehmenssteuerreform III andere Kantone die Steuern senken werden. (Bild: Kurzargumentarium Initiativgegner)

Wie viel würde die Initiative in die Kantonskasse spülen?

Bei den finanziellen Auswirkungen der Initiative sind sich die beiden Lager uneinig. Die Regierung rechnet in ihrer Botschaft mit Mehreinnahmen von elf Millionen Franken. 2015 betrugen die Steuereinnahmen von juristischen Personen rund 110 Millionen Franken – jene von natürlichen Personen liegen bei 837 Millionen Franken. Eine lineare Erhöhung um 50 Prozent würde es auch bei Annahme der Initiative nicht geben. Auch wenn das Gegner-Komitee genau mit diesem Slogan im Abstimmungskampf auftritt. SP und Grüne rechnen allerdings mit höheren Mehreinnahmen als die Regierung und beziffern diese zwischen 30 und 50 Millionen Franken.

Dilemma: nationaler Finanzausgleich

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kantons Luzern hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Dies ist zwar eigentlich positiv zu werten und zeigt, dass der Kanton wirtschaftlich attraktiv ist. Gleichzeitig gehen allerdings die Zahlungen aus dem nationalen Finanzausgleich dadurch ständig zurück. Finanzdirektor Marcel Schwerzmann hat sich mehrfach über die Mechanismen im Finanzausgleich beklagt. Der Kanton Luzern würde für seine gute Arbeit bestraft. Nichtsdestotrotz sei es positiv zu werten, dass sich Luzern immer mehr vom NFA-Topf lösen könne und so finanziell unabhängiger werde.

Die Linken beurteilen dieses Dilemma anders. Sie fragen sich, was die Tiefsteuerstrategie überhaupt bringt. Durch jeden zusätzlich eingenommenen Franken würde der Kanton Luzern 1.50 Franken weniger aus dem Finanzausgleich erhalten. Die Zeche dafür müssten die Bürger bezahlen, welche sich ständig mit Sparpaketen konfrontiert sähen. Die Bürgerlichen können dieser Sichtweise nichts abgewinnen. Man könne nicht von den NFA-Gebern leben.

So stimmen Parteien und Verbände
Befürworter der InitiativeGegner der Initiative
  • SP
  • Grüne
  • JUSO
  • Junge Grüne
  • Luzerner Gewerkschaftsbund (LGB)
  • Soziale Arbeit Schweiz (Avenir Social)
  • Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Schweiz (KAB)
  • Pro Natura
  • Second@s Plus
  • Schweizerischer Musikverband (SMV)
  • Syndicom
  • Unia
  • Verkehrsclub Schweiz (VCS)
  • Verband des Personals Öffentlicher Dienste (VPOD)
  • Verband Luzerner Mittelschullehrer (VLM)
  • CVP
  • SVP
  • FDP.Die Liberalen
  • GLP
  • Junge CVP
  • Junge SVP
  • Jungfreisinnige
  • Junge GLP
  • Gewerbeverband Kanton Luzern (KGL)
  • Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ)
  • Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Kanton Luzern (AWG)
  • Info-Forum freies Unternehmertum (IFU)
  • Wirtschaftsförderung Luzern
  • Zentralschweizerische Vereinigung diplomierter Steuerexperten (ZVDS)
  • Detaillistenverband Kanton Luzern (DVL)
  • Baumeisterverband Luzern (BVL)
  • Hauseigentümerverband Kanton Luzern (HEV)
  • Luzern Hotels
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1 Kommentar
  • Profilfoto von M_Roos
    M_Roos, 06.09.2016, 10:18 Uhr

    Ich glaube, man kann nicht bereits nach 4 Jahren eine Aussage darüber machen, ob eine Steuerstrategie gescheitert ist oder nicht. Die letzten Jahre waren wirtschaftlich generell schwierig. Als der Kanton Zug damals als erster Kanton sehr tiefe Unternehmensgewinnsteuern einführte, wurde er auch nicht innert 4 Jahren wohlhabend. Wenn sich ein Unternehmen entscheidet, den Sitz zu wechseln, braucht dies viel Zeit für Abklärungen, Vorbereitung, Suche nach geeigneten Standorten und den Umzug selber. Es geht ja aber auch nicht darum, anderen Kantonen oder Ländern erfolgreiche Unternehmen abzujagen, sondern viel mehr darum, bestehende Unternehmen zu entlasten. Von den aktuell tiefen Gewinnsteuern profitieren nämlich nicht nur die wenigen Grosskonzerne in Kanton, sondern v.a. die vielen kleinen und innovativen Unternehmen, welche mehr Geld für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Verfügung haben. Die Tatsache, dass der Anteil der Gewinnsteuern am gesamten Steuereinkommen offenbar «unter einem Zehntel» liegt, ist ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen die Gewinne nicht einfach einbehalten, sondern investieren.

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