Zuger Regierungsrätin zu den Ladenöffnungszeiten

Silvia Thalmann: «Im Detailhandel wird mit ungleich langen Spiessen gekämpft»

Die Volkswirtschaftsdirektorin will die Laden-Öffnungszeiten vollständig liberalisieren. (Bild: wia)

Die Zuger Regierung will die Öffnungszeiten gänzlich liberalisieren. Warum eigentlich? Im Interview sagt die Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut, welche Vorteile sie sieht und warum sie nicht an eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Detailhandel glaubt.

Die Ladenöffnungszeiten werden am Donnerstag im Zuger Parlament in zweiter Lesung diskutiert. Wie die erste Debatte – sie dauerte zwei Stunden – zeigte, handelt es sich dabei um eine emotionale Sache.

Dem Gegenvorschlag der Regierung, die Öffnungszeiten gänzlich zu liberalisieren, konnte eine sehr knappe Mehrheit nichts abgewinnen. Mehr anfangen kann das Parlament mit dem Vorschlag dreier Jungparteien, die mit ihrer Initiative «+1»die Öffnungszeiten lediglich abends um eine Stunde zu verlängern wollen (zentralplus berichtete). zentralplus traf die Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut vor der zweiten Lesung zum Gespräch um zeitgemässes Einkaufen und die Lage der Zuger Wirtschaft.

zentralplus: Ihnen geht die Initiative +1 nicht weit genug. Die Regierung will die Ladenöffnungszeiten gleich ganz liberalisieren. Warum?

Silvia Thalmann-Gut: Die aktuelle Beschränkung der Öffnungszeiten ist ein kantonales Korsett, welches die Politik vorgibt. Die Frage ist, ob man dieses, wie mit der Initiative +1 verlangt, nun etwas lockert. Oder ob man es gleich ganz weglassen kann. Verzichten wir gänzlich auf die kantonale Regelung, erhalten die Läden einen grösseren Spielraum. Die Gemeinden müssen dann nicht mehr die Bewilligung des Kantons einholen, um einen Abendverkauf durchzuführen. Mit der grösseren Freiheit geht auch eine grössere Verantwortung einher.

zentralplus: Inwiefern eine grössere Verantwortung?

Thalmann: Eine der Ängste, die bei der letzten Debatte rege diskutiert wurde, ist, dass kleine Detailhändler durch die Veränderung vermehrt ins Diktat der Grossen geraten. Und dies für Arbeitnehmer zur grösseren Belastung wird. Bloss: Die Arbeitnehmer sind durchs Arbeitsgesetz geschützt. Ruhezeiten, Pausen sowie maximale Arbeitszeiten werden dort festgelegt. Im Vorfeld zur Debatte haben wir bei verschiedenen Kantonen nachgefragt, wie die Lage in den Kantonen ist, welche keine eigene Regelung mehr haben. Das sind die Kantone Schwyz, Aargau, Zürich oder Nidwalden. Offenbar hat sich die Situation dort trotz der Liberalisierung nicht massiv verändert.

«Wenn die Läden rundum eine Stunde länger offen haben, zwingt das die kleinen Unternehmen, es den anderen gleichzutun.»

Silvia Thalmann, Zuger Volkswirtschaftsdirektorin

zentralplus: Sie äusserten bei der ersten Lesung Bedenken, dass der Druck für die Kleinen durch die «+1»-Initiative grösser würde als bei einer gänzlichen Liberalisierung. Wie das?

Thalmann: Die kleinen Detailhändler müssen sich bereits jetzt unglaublich ins Zeug legen, um neben den Grossen zu bestehen. Wenn alle Läden im Umfeld nun eine Stunde länger offen haben, zwingt das die kleinen Unternehmen eher, es den anderen gleichzutun. Bei einer gänzlichen Öffnung könnten sie stattdessen ihre Öffnungszeiten individuell danach richten, wann die meisten Kunden kommen.

zentralplus: In der ersten Debatte wurde von Links der Vorwurf laut, dass mit der Änderung der Öffnungszeiten das Verkaufspersonal abends länger arbeiten müsste, was wiederum das Vereins- und Familienleben schwäche. Was sagen Sie dazu?

Thalmann: Die Vereine stecken schon länger in Schwierigkeiten in Bezug auf die Rekrutierung für ehrenamtliche Verpflichtungen. Mit dem Ladenöffnungszeitengesetz lässt sich das nicht ändern. Auch das Familienleben erlebt gesellschaftliche Veränderungen, die nicht von Öffnungszeiten abhängig sind. Vielmehr ist es so, dass sich das Kundenbedürfnis verändert hat, nämlich in Richtung flexibler Einkaufszeiten. Gleichzeitig besteht eine Ungleichbehandlung. Für Geschäfte am Bahnhof oder Tankstellenshops etwa gelten andere Regeln als für Einkaufscenter. Auch darf beispielsweise ein Coiffeurladen länger offen haben, weil es sich dabei nicht um ein Verkaufsgeschäft handelt. Da wird aktuell mit ungleich langen Spiessen gekämpft.

Die Lage kann in der Debatte vom Donnerstag also noch kippen.»

zentralplus: Was erhoffen Sie sich von der zweiten Lesung, die am Donnerstag ansteht?

Thalmann: Wir möchten, dass beide Vorschläge, sowohl «+1» als auch der Gegenvorschlag des Regierungsrats, im kommenden Jahr vors Volk kommen. Dass auch die gänzliche Liberalisierung an die Urne kommt, hat der Kantonsrat in erster Lesung schliesslich hauchdünn mit 37 zu 35 Stimmen abgelehnt. Das kann in der Debatte vom Donnerstag also noch kippen.

zentralplus: Inwiefern hat Corona einen möglichen Einfluss auf das Anliegen der angepassten Öffnungszeiten?

Thalmann: Es ist eine Zeit, die Verunsicherung generieren kann. Ich kann mir vorstellen, dass das bewahrende Element hoch gewichtet wird. Sprich, dass die Bevölkerung möglicherweise den Status quo beibehalten möchte.

zentralplus: Legen wir unseren Fokus auf die Zuger Wirtschaft im Allgemeinen. Wie schlägt sich der Kanton Zug aktuell?

Thalmann: Unter den bestehenden Vorzeichen geht es der Volkswirtschaft als Gesamtes erstaunlich gut. Im Kanton Zug herrscht eine vergleichsweise grosse Stabilität. Gleichzeitig sind viele Unternehmen flexibel und überlegen sich ganz genau, wie sie ihr Geschäftsfeld anpassen können, um diese Krise möglichst gut zu überstehen.

«Vom 5-Millionen-Stützungsfonds wurde lediglich eine halbe Million Franken ausgegeben.»

zentralplus: So dramatisch klingt das gar nicht.

Thalmann: Tatsächlich ist es bisher nur sehr vereinzelt zu Massenentlassungen gekommen. Oft hatte diese Massnahme zudem andere Gründe, wie etwa bei der Crypto AG. Die Arbeitslosenzahlen sind mit 2,6 Prozent zwar höher als vor Corona, jedoch nicht massiv. Vom 5-Millionen-Stützungsfonds, den der Kanton im Frühling gesprochen hat, wurde lediglich eine halbe Million Franken ausgegeben. Ausserdem werden dem RAV erstaunlich viele offene Stellen gemeldet.

zentralplus: Das heisst?

Thalmann: Im Juli waren es 295, im August 218, im September 258. Natürlich sind die Jobs nicht auf alle Branchen gleich verteilt.

zentralplus: Wie sieht die Situation betreffend Kurzarbeit mittlerweile aus?

Thalmann: Im Frühling hatten wir einen Höchststand von rund 6’500 Firmenanmeldungen. Zum Vergleich: Letztes Jahr waren es im Kanton Zug insgesamt sechs. Anfang September dieses Jahres waren es noch 1’260 Unternehmen, welche Kurzarbeit beantragt haben. Jetzt sind es sogar noch weniger. Die Möglichkeit der Kurzarbeit hat sich als sehr wirksam erwiesen, damit konnten bei sehr vielen Betrieben die Personalkosten aufgefangen und eine Menge Entlassungen verhindert werden.

«Viele Unternehmer reagierten sehr kreativ auf die Coronakrise. Doch fragt sich, wie lange sie das noch können.»

zentralplus: Dennoch gibt es bekanntlich Branchen, die enorm leiden. Und mit der zweiten Welle, in der wir aktuell drinstecken, dürfte sich das Problem nochmals verschärfen.

Thalmann: Tatsächlich trifft Corona einzelne Bereiche wie zum Beispiel die Gastronomie, die Hotellerie sowie die Eventbranche besonders heftig. Zwar ist gerade die Gastronomie eine Branche, die von Natur aus sehr flexibel sein muss, um zu überleben, da sie zum Teil wetter- und saisonabhängig wirtschaftet. Viele Unternehmer reagierten sehr kreativ auf die Corona-Krise. Doch fragt sich, wie lange sie das noch können. Wenn nun im Dezember die Weihnachtsessen wegfallen, wird es für viele kritisch. Ausserdem stellt sich die Frage, wie sich die zweite Welle weiterentwickelt und ob es im Frühling gar eine dritte Welle geben wird. Es ist derzeit sehr schwierig, Prognosen aufzustellen.

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