Medienanalyse in der Affäre Ivo Romer

«Schwerwiegende Fehlleistungen» der «Neuen Zuger Zeitung»

Das Mutterblatt im Maihof gibt sich bedeckt, die Chefredaktion der «Neuen Zuger Zeitung» weist zwei von drei Vorwürfen zurück. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die grösste Zuger Tageszeitung wird in der Affäre um Ivo Romer heftig kritisiert; Medienexperte Roger Blum spricht von schwerwiegenden Fehlleistungen. Während sich das Stadtparlament dieser Analyse ausnahmslos anschliesst, weist die Chefredaktion die Kritik weitgehend zurück. Und was sagt der ebenfalls kritisierte Ombudsmann vom Mutterblatt in Luzern?

«Die Presse spielte im Fall Ivo Romer eine wichtige Rolle. Die ‹Neue Zuger Zeitung› muss sich laut PUK-Bericht drei schwerwiegende Fehlleistungen zu Schulden kommen lassen. Ich hoffe, dass sich die Zeitung das zu Herzen nimmt.» Das sagte Stefan Hodel, Gemeinderat der Stadt Zug am Dienstagabend.

Zum letzten Mal stand die politische Aufarbeitung der Affäre um den ehemaligen Stadtrat Ivo Romer auf der Traktandenliste des Grossen Gemeinderats (GGR). Und damit auch die Rolle der Medien im grössten Zuger Polit-Drama in der auslaufenden Legislatur (zentral+ berichtete). Die «Neue Zuger Zeitung» und die «Weltwoche» hatten darin einen schlechten Auftritt. Dies wurde nicht nur aus den Voten der Parlamentarier deutlich, sondern das betont auch der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Darin wird besonders die Berichterstattung der «Neuen Zuger Zeitung» kritisiert.

In den medialen Hype eingeschwenkt

2012 übernahm die Tageszeitung die Geschichte um die angebliche Veruntreuung durch den damaligen Stadtrat Ivo Romer von der Weltwoche – «angeblich», weil das Strafverfahren gegen Romer noch läuft. Die «Weltwoche» brachte die Geschichte zuerst, und sie war es auch, die dem Zuger Stadtrat Vetternwirtschaft vorwarf. Die Exekutive habe Ivo Romer einen Persilschein ausgestellt. Dieser Vorwurf war einer der wesentlichen Gründe, warum der GGR die «PUK Romer» ins Leben gerufen hatte. Derselbe Vorwurf löste auch einen veritablen Mediensturm aus.

«Es sind immer neue angebliche Skandale und scheinbare Verfehlungen des Stadtrates aufgedeckt worden.»

Karin Hägi, Präsidentin SP Stadt Zug

Laut PUK «schwenkte die ‹Neue Zuger Zeitung› in den medialen Hype ein» und der Stadtrat habe nie eine echte Chance erhalten, diesen «irgendwie zu beruhigen, geschweige denn, diesen bändigen oder gar mit eigenen News durchbrechen zu können.» Karin Hägi, SP-Präsidentin der Stadt Zug, sagte dazu im GGR: «Ende 2012 hatte unter Federführung der Weltwoche eine eigentliche Aufwiegelung stattgefunden. Es sind immer neue angebliche Skandale und scheinbare Verfehlungen des Stadtrates aufgedeckt worden.»

«Sie müssen die Fakten auf den Tisch legen»

Im Bericht der PUK kritisiert auch der Medienexperte Prof. Dr. Roger Blum die «Neue Zuger Zeitung» scharf. Er wurde beauftragt, das Kommunikationsverhalten des Stadtrates (zentral+ berichtete) und das Verhalten der Medien zu untersuchen. Blum wirft der Zuger Tageszeitung in seinem Gutachten in drei Punkten «schwerwiegende Fehlleistungen» vor:

Erstens habe die Zeitung den Sohn der ehemals vermögenden Witwe zu Wort kommen lassen, der das Vormundschaftsamt der Stadt Zug scharf kritisierte. Dieses habe aber keine Gelegenheit erhalten, im gleichen Artikel auf die Vorwürfe zu reagieren. Zweitens habe die Zeitung die ausführliche Stellungnahme des Stadtpräsidenten Dolfi Müller im GGR – die sogenannte Regierungserklärung –  überhaupt nicht referiert.

Dazu ergänzt Blum: «Wenn Medien frei und kritisch kommentieren wollen, müssen sie die Fakten und Dokumente auf den Tisch legen, damit sich das Publikum eine Meinung bilden kann. Und eine solche Regierungserklärung ist ein Dokument.» Als dritter Punkt, so Blum, habe sich die Redaktion der «Neuen Zuger Zeitung» im Zusammenhang mit einem Podiumsgespräch im Burgbachsaal ohne Rückfrage bei der Stadtkanzlei auf die Seite der «Weltwoche» geschlagen.

Der Ombudsmann machte sich die Sache zu leicht

Damit nicht genug. Der Zuger Stadtrat gelangte vor Einberufung der PUK auch an den Ombudsmann der «Neuen Luzerner Zeitung», Andreas Z’Graggen. In einem Brief übten der Stadtpräsident Dolfi Müller und der damalige Stadtschreiber Arthur Cantieni grundsätzliche Kritik an der Berichterstattung der «Neuen Zuger Zeitung». Es seien wesentliche Grundsätze journalistischer Fairness verletzt worden. Der Ombudsmann habe damals lediglich in drei nebensächlichen Punkten Fehler eingeräumt, die Arbeit der Redaktion sonst als korrekt taxiert, ist dem PUK-Bericht zu entnehmen. Roger Blum sagt dazu: «Eine unvoreingenommene Analyse ergibt, dass sich Ombudsmann Andreas Z’Graggen die Sache zu leicht machte.»

Es stehen harte Anschuldigungen im Raum. zentral+ wollte wissen, wie die «Neue Zuger Zeitung» und der Ombudsmann der «Neuen Luzerner Zeitung» heute dazu stehen. Der Ombudsmann wollte zum PUK-Bericht keine Stellung nehmen, ohne seinen Entscheid zu begründen.

«Andreas Z’Graggen hält unsere Arbeit im Wesentlichen für korrekt.»

Christian Peter Meier, Chefredaktor «Neue Zuger Zeitung»

Der Chefredaktor der «Neuen Zuger Zeitung», Christian Peter Meier, sagt auf Anfrage: «Vorab ist zu sagen, dass es zwei verschiedene von der Stadt Zug initiierte Expertenmeinungen gibt, die beide gleich zu gewichten sind. Andreas Z’Graggen, der Ombudsmann der ‹Neuen Luzerner Zeitung›, kam zu einem deutlich anderen Urteil als Herr Blum: Z’Graggen hält unsere Arbeit im Wesentlichen für korrekt.»

Zwei von drei Kritikpunkten zurückgewiesen

Von den drei Kritikpunkten, die Roger Blum erwähnt habe, teile er zwei nicht, so Meier: «Ich kann einzig dem Punkt zustimmen, dass wir bei der Berichterstattung zur Podiumsdiskussion unreflektiert die Sichtweise der Weltwoche übernommen hätten.» Meier sagt weiter: «Ich bin dezidiert der Meinung, dass wir alle Seiten opulent zu Wort kommen liessen, insbesondere auch diejenige des Zuger Stadtrates. Es gab zwei Interviews mit dem Stadtpräsidenten Dolfi Müller und einen längeren Text, in dem Stadtrat Andreas Bossard seine Position darlegen konnte.»

Die Parlamentarier hingegen vertraten am Dienstagabend ausnahmslos die Meinung der PUK. Isabelle Reinhart (CVP) beendete ihr Votum im GGR mit einer Frage: «Müsste nicht auch die Presse selbstkritisch ihre Lehren aus dem Fall Romer ziehen?»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Markus Mathis
    Markus Mathis, 12.09.2014, 14:02 Uhr

    Überbringer einer schlechten Botschaft werden gern bestraft, daran hat sich seit der Antike nichts geändert, wie der Fall der «Neuen Zuger Zeitung» zeigt.

    Zwar ist es im Allgemeinen richtig, dass Journalisten dazu neigen, einander abzuschreiben. Ebenso wenig ist von der Hand zu weisen, dass die überaus seltenen Fällen, in denen die Neue ZZ kritisch über lokale Politik berichtet, in aller Regel damit zusammenhängen, dass man linken Politikern eins auswischen kann.

    Trotzdem wird hier im Konkreten wieder mal sichtbar wie unfähig die lokale Politik ist, mit medialer Kritik und Transparenz umzugehen. Weil sie es sich eben nicht gewohnt ist, dass Medien auch mal über Unvorteilhaftes berichten – und weil es in der kleinräumigen Zuger Gesellschaft wenig Raum zum Wegducken gibt – immer noch, trotz der vielen Neuzuzüger und der zahlreichen Parallelgesellschaften ausländischer Kurz- oder Langzeit-Mitbürger.

    Blums Medien-Schelte ist ansatzweise berechtigt, aber in meinen Augen masslos übertrieben. Ausser einer unbedachten Parteinahme bei einer öffentlichen Diskussion sehe ich allenfalls Übereifer, aber sicher keine «schwerwiegende Fehlleistungen». Mich dünkt Blums Position ist nicht neutral, er amtet hier gewissermassen als Stadtschreiber.

    Eine interessanter Aspekt der Sache ist: Die «Neue Zuger Zeitung» wird hier Opfer ihrer eigenen Obrigkeitshörigkeit. Wenn man sich jahraus, jahrein nur auf Hofberichterstattung beschränkt, muss man sich nicht wundern, dass die normalerweise Gebauchpinselten unwirsch reagieren, falls Sie mal Kritik und harte Worte hören.

    Schön wäre es deshalb, in der Neuen ZZ öfter mal Klartext zu lesen …

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  • Profilfoto von Hubi
    Hubi, 12.09.2014, 00:50 Uhr

    Die 4. Staatsmacht, macht halt oft, was sie will. Leider!
    Hoffe, dass daraus Lehren gezogen werden.

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