Kritiker sprechen von «traurigem» Umgang in der Sache

Schochenmühle-Haus: Zuger Stadtrat hält an Abriss fest

Erbaut 1799, als die Schweiz in Flammen stand. Das Bauernhaus Schochenmühle, das 2018 teilweise abbrannte. (Bild: mam)

Der Stadtrat bleibt bei seiner Haltung: Das historische, jedoch von einem Brand malträtierte Haus bei der Schochenmühle soll abgerissen werden. Trotz ausführlicher Erklärungen macht sich die Exekutive mit dem Entscheid unter den Gemeinderäten nur wenige Freunde.

Seit einigen Jahren modert in der Schochenmühle in Zug ein altes Bauernhaus dahin. Auch, aber nicht primär, weil dem Haus, das der Stadt Zug gehört, kaum Sorge getragen wurde. Sondern weil es 2018 lichterloh brannte und heute, trotz getroffener Schutzvorkehrungen, Wind und Wetter ausgesetzt ist.

Die Antwort auf die Frage, ob man das stark beschädigte, jedoch als schützenswert eingestufte Gebäude wieder instand stellen soll oder nicht, wurde durch eine raumplanerische Angelegenheit verzögert. Konkret gings um die Frage, ob man den Autobahn-Halbanschluss Steinhausen Süd im Richtplan belässt (zentralplus berichtete). Dieser würde besagtes Land bei der Schochenmühle durchqueren, womit ein Wiederaufbau oder Neubau sinnwidrig würde.

Und so geschah es denn auch, dass der Zuger Kantonsrat den Anschluss, der nur im Zweifelsfall und frühestens 2035 gebaut würde, im Richtplan drinnen liess. Das Haus müsse demnach abgerissen werden, konkludierte der Zuger Stadtrat im Januar.

Ein Vorstoss im Namen des demokratischen Prozesses

Dass der Stadtratsbeschluss ohne politischen Prozess und ohne GGR-Debatte gefällt wurde, fanden die beiden CSP-Gemeinderäte Ignaz Voser und Martin Iten fragwürdig. Sie wehrten sich mit einer Motion (zentralplus berichtete). Der Abbruchentscheid solle so lange sistiert werden, bis eine Debatte stattgefunden habe. Der Vorstoss wurde überwiesen, nun äussert sich der Stadtrat in Bericht und Antrag dazu.

«Obwohl der Stadtrat den Abbruch bedauert, ist er der Meinung, dass die Liegenschaft nicht mehr aufgebaut werden soll.»

Stadtrat im Bericht und Antrag

Die Exekutive spricht darin von einem «nicht leichtfertig gefällten» Entscheid, hinter dem umfangreiche Abklärungen stünden. Chronologisch beschreibt sie die bisher von der Stadt getätigten Schritte. So wurden 2018, nachdem das Stadtparlament negativ auf eine entsprechende Interpellationsantwort reagiert hatte, etwa Drittgutachten in Auftrag gegeben. Dies, um zu eruieren, ob ein Wiederaufbau baulich überhaupt möglich sei (er wäre es, würde aber mit geschätzten 860'000 Franken unverhältnismässig viel kosten).

Der vermaledeite Halbanschluss

Aufgrund der Verzögerungen wegen des Halbanschlusses sei auch die Abgabe des Hauses im Baurecht verunmöglicht worden. 2019 änderte der Stadtrat seine Strategie. Demnach sollte die Brandruine nicht abgerissen, sondern rekonstruiert werden. Auch diesen Plänen machte der beschlossene Richtplan einen Strich durch die Rechnung.

Die blau gestrichelten Linien indizieren den möglichen Bau eines Halbanschlusses bei Steinhausen Süd. (Bild: Kanton Zug)

«Die umfangreichen Abklärungen zeigen, dass alle sinnvollen Optionen geprüft und sorgfältig evaluiert wurden.» Obwohl der Stadtrat den Abbruch bedauere, sei er nach wie vor der Meinung, dass die Liegenschaft nicht mehr aufgebaut werden soll. Weder am bestehenden noch an einem anderen Standort. Die Motion sei darum als nicht erheblich zu erklären und von der Geschäftskontrolle als erledigt abzuschreiben.

Die CSP ist überhaupt nicht überzeugt

Von der ausführlichen Antwort des Stadtrats sind die Motionäre nicht überzeugt. CSP-Gemeinderat und Mitmotionär Martin Iten findet sehr klare Worte: «Wir bedauern die Haltung des Stadtrats sehr! Mit dem Abriss des alten Bauernhauses Schochenmühle ginge ein weiteres Stück Identität und ein Zeitzeugnis regionaler Baukultur verloren.» Es handle sich nämlich nicht um einen Einzelfall.

Iten weiter: «Es ist unverständlich, dass der Kanton seine Einwilligung wegen einer Planung verweigert, die in der Realität mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nie umgesetzt wird.»

Späte Abdeckung des Hauses – ein «Kardinalfehler»

So ist der Gemeinderat denn auch enttäuscht darüber, dass der Stadtrat gegenüber dem Kanton nicht stärker für die Interessen der Stadtzuger Baukultur eingetreten sei. Die CSP hätte sich zudem gewünscht, dass der Stadtrat die kantonalen Stellungnahmen der Öffentlichkeit bereits früher zugänglich gemacht hätte.

Damit nicht genug der Kritik: «Der Stadtrat hat es leider nach dem Brand versäumt, zügig das Haus abzudecken und die Brandruine vor weiteren Schäden zu bewahren.» Iten spricht von einem «Kardinalfehler», der leider nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Insgesamt ist die Geschichte des Umgangs mit dem Schochenmühle-Haus «eine Traurigkeit für alle, denen Heimat etwas bedeutet».

«Zumindest hätten wir gewünscht, dass der Stadtrat Farbe bekennt und die Beibehaltung im Richtplan offiziell befürwortet.»

Rupan Sivaganesan, SP-Gemeinderat

Dem Entscheid ebenfalls kritisch gesinnt sind die städtischen Sozialdemokraten. Gemeinderat Rupan Sivaganesan dazu: «Wir sind grundsätzlich dagegen, dass das Haus abgerissen wird. Der Stadtrat hat damit die einfachste Lösung gewählt.» Auch die SP hätte sich gewünscht, dass sich der Stadtrat stärker beim Kanton dafür einsetzt, dass der Halbanschluss aus dem Richtplan gestrichen werde. «Oder zumindest, dass er Farbe bekennt und die Beibehaltung im Richtplan offiziell befürwortet», sagt Sivaganesan.

SP macht auf Wohnungsnot aufmerksam

Last, but not least weist der SP-Gemeinderat darauf hin, dass sowieso schon zu wenige kostengünstige Wohnungen existieren würden in der Stadt. «Das wären immerhin drei Wohnungen mehr.»

Zum letzten Punkt äusserte sich der Stadtrat wie folgt: «Aufgrund der eingeschränkten baulichen Möglichkeiten würden Wohnungen mit eingeschränkter Nutzungsqualität entstehen.» Wegen des Missverhältnisses der hohen Baukosten und der geringen nutzbaren Fläche würden die Wohnungen nicht «preisgünstig» vermietet werden können.

CVP und SVP lassen auf Anfrage verlauten, dass die Parteien noch keine Gelegenheit gehabt hätten, das Thema in der Fraktion zu besprechen, weshalb man sich noch nicht äussern könne.

70 Millionen für den Zurlaubenhof, kein Geld fürs Schochenhaus?

SVP-Gemeinderat Philip C. Brunner nutzt jedoch die Gelegenheit, seine persönliche Haltung darzulegen. Seine Partei hatte sich kurz nach dem Brand mit einer Interpellation kritisch zur Angelegenheit geäussert. Brunner sei klar dafür, man solle das Haus nicht definitiv abbrechen, sondern «weitestmöglich im Original erhalten und an einem anderen Standort wieder aufbauen».

«Den geplanten Halbanschluss wird das Astra nie bewilligen.»

Philip C. Brunner, Zuger SVP-Gemeinderat

Brunner weiter: «Den geplanten Halbanschluss im Richtplan kann man faktisch vergessen. Diesen wird das Astra in Bern nie bewilligen neben den Autobahneinfahrten Baar und Cham.» Brunner empfindet die Haltung des Stadtrats, dass der Erhalt des Hauses unverhältnismässig viel kosten würde, als widersprüchlich. «Gerade in Anbetracht dessen, dass die Stadt 70 Millionen Franken für den Kauf und Erhalt des historischen Zurlaubenhofes ausgeben wird.»

FDP stärkt dem Stadtrat den Rücken

Rückendeckung erhält die städtische Exekutive von der FDP. Fraktionschef Etienne Schumpf findet zwar, dass es schade sei, wenn ein so historisches Gebäude aus dem Jahre 1799 abgebrochen werden müsse und damit ein Teil der Geschichte aus dem Stadtzuger Bild verschwinde. Schumpf versteht daher das Anliegen der Motionäre.

«Der Brand im Jahr 2018 hat aber die Ausgangslage zusätzlich erschwert. Ein Neubau am bisherigen Standort wäre, wenn nicht gar unmöglich, so nur mit einem unverhältnismässig grossem Aufwand realisierbar.» Der Freisinnige abschliessend: «Der Stadtrat schätzt die Ausgangslage richtig ein und hat die richtigen Erkenntnisse abgeleitet.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Felix
    Felix, 24.05.2022, 13:47 Uhr

    Ein schützenswertes Bauernhaus lässt man so lange vergammeln und verrotten bis es nicht mehr verhältnismässig ist, dieses zu sanieren.
    Wenn eine private Person oder eine Gesellschaft Eigentümerin dieser schützenswerten, alten Bauernhaus -Liegenschaft wäre, würde in der ganzen Schweiz in den Medien über die Vernachlässigung und Verschandelung debattiert. In der reichen Stadt Zug sind es ein paar wenige tapfere Politiker. Kann es die öffentliche Hand wirklich nicht besser? Eine Schande!

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