Mitwirkung zur Zuger Ortsplanungsrevision

Schluss mit Gleichbehandlung: Zuger fordern Vortritt für Velos

Die Vorderung der Zuger Bevölkerung ist nicht: Velo-Demo im Jahr 2018. (Bild: zvg)

Der Kanton Zug gilt als die Hochburg der Autofahrer – nirgendwo im Land ist die Fahrzeugdichte höher als hier. In der Stadt scheint der Bogen nun aber überspannt zu sei. Die Stadtzuger wollen entschiedene Massnahmen zulasten des Autoverkehrs sehen.

Wie soll die Stadt Zug künftig aussehen? Im Rahmen der aktuellen Ortsplanungsrevision sollten sich die Stadtzuger selbst dazu äussern. Die nun erfolgte Mitwirkung zeigt: Beim Strassenverkehr hat die Bevölkerung klare Vorstellungen von der Zukunft der Stadt. Wichtigste Änderung: dem Auto muss die heutige Vormachtsstellung entzogen werden.

Die Analyse der öffentlichen Mitwirkung kommt zum Schluss, dass die Stadtbevölkerung nicht bloss einen konsequenten Ausbau des Zuger Velonetzes bis in die Innenstadt sehen will, sondern eine regelrechte ‹Fahrrad First›-Strategie», wie es in der vorliegenden Analyse heisst.

Bekannter Massnahmenkatalog

Der Langsamverkehr und insbesondere der Veloverkehr müssten demnach stärker gefördert werden. Unter der genannten Velostrategie müssten etwa folgende Punkte verfolgt werden:

  • Effiziente, sichere Velowege bis ins Zentrum auf jeder Achse und in die Quartiere
  • Ein überregionales Velowegkonzept, welches die Nachbargemeinden, aber auch wichtige Arbeitgeber mit einbezieht.
  • Die Beseitigung von Nadelöhren für Velofahrer, velofreundliche Lösungen für gefährliche Kreuzungen, die Entfernung von gefährlichen Bordsteinkanten, Fahrradspuren auf allen Strassen, velofreundliche Ampelsysteme, Aufhebung von Fahrverboten für Fahrräder auf Flurwegen, Privatstrassen etc.

Solche Forderungen widerspiegeln jene, die auch schon von der Alternative die Grünen (ALG) und Pro Velo Zug gestellt wurden (zentralplus berichtete).

Gleichbehandlung ist «illusorisch»

Grundsätzlich gehen diese Forderung bereits in die Stossrichtung der Stadt. Diese beteuert die Wichtigkeit einer effizienten, flächenschonenden Mobilität. «Dazu müssen wir, insbesondere im Stadtzentrum, den beschränkten Raum neu verteilen und situations- und bedürfnisgerecht organisieren», heisst es dazu im Bericht. Und weiter: «Das zukünftige Mobilitätswachstum ist so weit wie möglich über den Velo- und Fussverkehr und den öffentlichen Verkehr (Bahn und Bus) aufzufangen.»

Das klingt zunächst nach einem klaren Bekenntnis zugunsten des ÖV und des Langsamverkehrs. Im gleichen Atemzug heisst es aber auch Folgendes: «Die Stadt Zug setzt, wo räumlich möglich, auf die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer.»

«Die Gleichbehandlung aller Verkehrsmittel ist mir ein grundsätzliches Anliegen. Jeder soll selbst entscheiden können, wie er sich fortbewegen will.»

Eliane Birchmeier, Stadträtin

In diesem Statement sehen viele einen gravierenden Zielkonflikt. Wie soll der Raum neu aufgeteilt werden, ohne dass jemand – in diesem Fall offensichtlich der motorisierte Individualverkehr (MIV) – das Nachsehen hat? «Die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer ist eine Illusion», lauetet denn auch eine im Bericht zitierte Rückmeldung aus der Bevölkerung.

Autoverkehr soll eingedämmt werden

Die Analyse der öffentlichen Mitwirkung wurde von einem externen Büro ausgeführt. Im Fazit zum Thema Mobilität ist zu lesen, dass die Rückmeldungen aus der Bevölkerung «durch ein vehementes Votum für eine konsequente Förderung und Bevorzugung von Fussgängern und Veloverkehr» geprägt sind.

Und weiter: «Den Langsamverkehr qualitativ und quantitativ aufzuwerten – wie in der Stossrichtung geschrieben – ist vielen zu wenig. Sie verlangen von der Ortsplanung, dass diese mehr Platz für den Langsamverkehr zulasten des MIV schafft.»

Bauvorsteherin weicht aus

Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die Stadt den Ansatz «alle Verkehrsteilnehmer sind gleichberechtigt» nicht fallenlassen müsste. Gemäss Stadträtin Eliane Birchmeier, Vorsteherin des Baudepartements, eher nicht, wie sie auf Anfrage sagt: «Die Gleichbehandlung aller Verkehrsmittel ist mir ein grundsätzliches Anliegen. Jeder soll selbst entscheiden können, wie er sich fortbewegen will.»

Es ergebe Sinn, das Velo als platzsparendes Verkehrsmittel im städtischen Raum zu fördern. «Hier haben wir in der Stadt Zug Nachholbedarf», sagt Birchmeier. «Je attraktiver und sicherer diese Form der Fortbewegung ist, umso mehr wird das Velo im Alltag auch genutzt.»

Die Zuger Stadträtin Eliane Birchmeier.

Nur eben: Wie soll man dem Velo in der engen Stadt mehr Raum geben, ohne gleichzeitig jenen des MIV beschneiden zu müssen? Wie ist die «Gleichbehandlung» in diesem Fall zu verstehen? Versteht der Stadtrat die Aussage so, dass der MIV heute zu viel Platz beansprucht? Der Frage weicht die Bauvorsteherin aus: «Im städtischen Raum ist der Platz beschränkt und nicht beliebig erweiterbar. Es geht darum, die Mobilität so zu organisieren, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse gleichermassen berücksichtigt werden.»

Auch Stadtplaner Harald Klein beantwortet die Frage ob der MIV heute zu viel Platz in der Stadt einnimmt nicht direkt: «Wir arbeiten an einer Optimierung der Verkehrsführung im Zentrum. Wir streben eine Vereinfachung der Verkehrsbeziehungen an und schaffen damit Raum für die unterschiedlichen Ansprüche», schreibt Klein auf Anfrage.

Handlungsbedarf beim Velonetz

Potenzial, um den Forderungen aus der Bevölkerung entgegenzukommen, sieht Klein vorab bei einer Verbesserung des Velonetzes: «Das Netz darf nicht nur aus einzelnen Teilstücken bestehen; es hat durchgängig zu sein. Zudem hat das Netz eine möglichst gleichwertige, hohe Qualität aufzuweisen.»

In der Vergangenheit seien diesbezüglich «laufend Verbesserungen vorgenommen und das Velofahren in der Stadt Zug sicherer und effizienter gemacht» worden, ergänzt Stadträtin Birchmeier. «Ebenso wollen wir das Fusswegnetz stärken und das Angebot an sicheren und attraktiven Fusswegverbindungen auf dem gesamten Stadtgebiet weiter ausbauen.»

Konsequente Trennung gefordert

Letzteres widerspiegelt die Forderungen aus der Bevölkerung, wonach es zwingend nötig sei, dass die verschiedenen Verkehrsteilnehmer besser voneinander getrennt werden. «Und zwar nicht nur den motorisierten Individualverkehr (MIV), sondern insbesondere auch Fussgänger und Fahrradfahrer dürfen sich den Verkehrsraum nicht teilen», fasst die Analyse die Meinungen der Bevölkerung zusammen.

Als Negativbeispiel wird etwa die Chamerstrasse genannt, wo Fussgänger und Velofahrer sich faktisch auf derselben Fläche bewegen. Dort komme es immer wieder zu Konflikten, mit dem Aufkommen der schnellen E-Bikes hätten sich diese noch verschärft.

In einem nächsten Schritt sollen die Ergebnisse der Mitwirkung die Erarbeitung von Wegnetzen für die einzelnen Verkehrsteilnehmer (Fussgänger/innen, Velofahrer/innen und motorisierter Individualverkehr) einfliessen. Am 6. März 2021 soll im Theater Casino Zug ein nächster Anlass zur Mitwirkung stattfinden.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf
    Rudolf, 01.11.2020, 05:22 Uhr

    Angesichts der Klimakatastrophe müssen die Autos ohnehin stark reduziert werden. Ist das den Autofahrenden noch nicht klar?

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  • Profilfoto von Luc Bamert
    Luc Bamert, 31.10.2020, 20:24 Uhr

    Die «schnellen E-Bikes», also die mit den gelben Schildern, gehören eben gerade nicht auf die kombinierten Rad-/Fussgängerwege. Auch die «normalen» E-Bikes sollten dort nicht erlaubt sein. Ein Fahrrad mit einem Motor, egal ob elektrisch oder Verbrenner, ist nun mal kein Velo, sondern ein Motorfahrrad und soll auf der Strasse verkehren und nicht auf dem Radweg. Die Gesetze müssen endlich revidiert werden, um Klarheit zu schaffen. Ob es der Velolobby passt oder nicht. Sag ich als Velofahrer (natürlich ohne Motor) mit 3000-4000 km/Jahr. Es gibt kein Veloproblem im Kanton Zug. Ausser das oben erwähnte.

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