Zug: CSP von Stadtrat enttäuscht

Schlechte Nachrichten für die Gartenstadt-Verteidiger

Die ungeraden Hausnummern an der Aabachstrasse 19 bis 31 sind die Häuser der Gebäudeversicherung, welche Neubauten weichen sollen.

(Bild: mbe)

In der Gartenstadt soll umgebaut werden, und das erhitzt die Gemüter. Denn es geht um bezahlbaren Wohnraum und das fast letzte geschützte Quartier mitten in der Stadt Zug. Der Stadtrat sagt: Rechtlich haben wir keinen Spielraum. Die Interpellanten finden: Ausreden!

Die Zuger Gartenstadt soll teilweise abgerissen und neu überbaut werden. Die Nachricht bewegte die Menschen über das ehemalige Arbeiterquartier hinaus: Die Häuser in der Gartenstadt bieten seit Jahren günstigen Wohnraum – das wird sich mit dem Neubau schlagartig ändern. Der Widerstand der Quartierbewohner kulminierte in einer Interpellation der CSP mit dem Titel: «Erhalt der Gartenstadt» (zentralplus berichtete).

Nun geht es in der Frage einen Schritt weiter: Der Stadtrat hat seine Antwort zur Interpellation veröffentlicht. Im Zentrum des Vorstosses stand die Frage, ob denn der Abriss von 13 Häusern rechtlich überhaupt vertretbar sei, da die Gartenstadt im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) mit dem Erhaltungsziel A (also Abbruchverbot) klassiert sei. Darauf schreibt der Stadtrat: «Mit der Aufnahme von Ortsteilen in das ISOS werden Liegenschaften weder unter Heimat- noch unter Denkmalschutz gestellt.»

Abriss gegen das Gesetz?

Dennoch befindet sich die Gartenstadt in einer Ortsbildschutzzone des Kantons. Mit dem «Gestaltungshandbuch Ortsbildschutzzone Gartenstadt Zug» wurde deshalb eine Grundlage für den Bebauungsplan geschaffen. Und diese sieht den Erhalt und die Weiterentwicklung des jeweiligen Orts- und Quartierbildes vor. Also kein Abbruchverbot.

«Wir können höchstens bei der Baueingabe einfordern, dass alle baurechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.»
Nicole Nussberger, Baudepartement der Stadt Zug

«Es hat zwar denkmalgeschützte Häuser in der Gartenstadt, aber das sind nicht diejenigen, die abgerissen werden sollen», sagt Nicole Nussberger, Departementssekretärin und Leiterin des Rechtsdienstes des Baudepartements der Stadt Zug. Deshalb können die Häuser auch nicht vor dem Abriss bewahrt werden.

So sieht die Gartenstadt jetzt noch aus. Der Bebauungsplan soll das ändern.

So sieht die Gartenstadt jetzt noch aus. Der Bebauungsplan soll das ändern.

(Bild: Flying Camera Baar)

Monika Mathers, CSP, ist von der Antwort des Stadtrates zwar nicht überrascht, aber auch nicht zufrieden damit. «Ich lese viele Ausreden aus dem Papier.» Es seien viele Worte und wenig Sinn dahinter. «Die Antwort macht den Anschein, als ob man nach Gründen suchte, weshalb der Erhalt der Gartenstadt nicht möglich sei», sagt sie.

«In der Stadt gibt es nebst der inneren Altstadt nur noch die Gartenstadt, die im ISOS als Gebiet alle Kriterien zum Erhaltungsziel A voll erfüllt. Und jetzt soll ein Teil davon mit dieser Überbauung weg. Das macht mich als Kind aus einer Architekten-Dynastie traurig», sagt Mathers. Zug verliere in der Angelegenheit und werde immer mehr wie eine beliebige andere Schweizer Stadt.

«Der Bezug aufs Handbuch ist ein Versuch, sich beim Projekt Gartenstadt reinzuwaschen.»
Monika Mathers, CSP

Stadt hat keinen rechtlichen Spielraum

Der Stadtrat setze alles daran, dass das Projekt gelinge, sagt Nussberger. «Wir sind zum Beispiel mit den Eigentümern nach Zürich gefahren und haben erfolgreiche Genossenschafts-Projekte im preisgünstigen Segment angeschaut.» Was die Besitzer aber am Schluss machen, darauf habe der Stadtrat keinen Einfluss. «Wir können höchstens bei der Baueingabe einfordern, dass alle baurechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, und beurteilen, ob grundsätzlich etwas gegen den Bau spricht», so Nussberger. Deshalb sei die Stadt für gewisse Anliegen auch nicht der richtige Ansprechpartner. «Wir haben keinen rechtlichen Spielraum, aber hinsichtlich der Gestaltung ein gewisses Ermessen.»

«Im Gartenstadt-Projekt gibt es schon relativ viele Punkte, die noch einmal angeschaut werden müssen.»
Nicole Nussberger

Dass die Stadt alles unternehme, was sie könne, das sieht Monika Mathers etwas anders: Als störend empfindet sie, dass sich die Stadt in ihrer Antwort auch auf das «Gestaltungshandbuch Ortsbildschutzzone Gartenstadt Zug» bezieht. Denn die endgültige Fassung dieses Handbuchs sei erst nach Abschluss des Wettbewerbes veröffentlicht worden. «Und der Entwurf dazu unterscheide sich massiv von der Endfassung.» Der Entwurf spreche von Erhalt und Anbau. Die fertige Version vor allem von Neu-Bauen, sagt Mathers. Die Idee des Entwurfs sei klar durchlöchert worden. Der Bezug aufs Handbuch sei ein Versuch, sich beim Projekt Gartenstadt reinzuwaschen. «Doch de jure stimmt, was der Stadtrat schreibt.»

Hertistrasse wird sich verändern

Doch bis der Umbau in der Gartenstadt realisiert wird, ist es noch ein weiter Weg. Dass Projekte im Anschluss an Wettbewerbe nochmals überarbeitet werden müssen, sei normal, sagt Nussberger. «Aber im Gartenstadt-Projekt gibt es schon relativ viele Punkte, die noch einmal angeschaut werden müssen», meint die Expertin. Der Grund dafür liege in gesetzlichen Details, weil gewisse Aspekte noch nicht einwandfrei funktionieren. «Deshalb kommt auch die Interpellation zu früh.» Man könne teilweise keine abschliessenden Antworten auf Fragen geben, weil gar noch nicht klar sei, wie denn am Schluss alles aussehe, sagt sie.

«Fast sicher ist, dass es die Hertistrasse nicht mehr in der heutigen Form geben wird.»
Nicole Nussberger

Konkret heisst das für das Siegerprojekt: Die Attraktivität der Gemeinschaftsflächen muss verbessert werden. Auch Fenstergrössen und ihre Anordnungen müssen verändert werden, so dass sie wieder dem geschützten Ortsbild entsprechen. Die Zugangssituation und die Sichtbeziehung zwischen den Häusern müssen verbessert werden, was Auswirkungen auf Länge, Anzahl und Ausrichtung der Häuser haben könne, wie der Stadtrat in der Antwort auf die Interpellation schreibt.

«Mir fehlt der Wille. Dass die Stadt hinsteht und Forderungen stellt. Dass die Verwaltung führt, und nicht folgt.»
Monika Mathers

Darum könne auch die Frage bezüglich eines allfälligen Verkaufs der Hertistrasse nicht abschliessend beantwortet werden. «Je nach Erschliessungsart der Gartenstadt ist es denkbar, dass Strassenland verkauft oder Rechte eingeräumt werden», sagt Nussberger. Fast sicher sei, dass es die Hertistrasse nicht mehr in der heutigen Form geben werde. «Es könnte zum Beispiel eine autofreie Zone werden», sagt Nussberger. Und da Strassenland weniger wert sei als Bauland, bestehe auch die Möglichkeit, dass der Stadtrat die Strasse in Eigenregie veräussern könne. Denn wie der Stadtrat schreibt, kann er gemäss der Gemeindeordnung Liegenschaften mit Wert bis zu einer Million Franken selbstständig verkaufen.

Die Gartenstadt von oben.

Die Gartenstadt von oben.

(Bild: Daniel Rösner)

CSP überlegt sich nächste Schritte

Das alleine ist nicht das Problem für die CSP. Mathers sagt: «Mir fehlt der Wille, dass die Stadt hinsteht und Forderungen stellt. Dass die Politik und Verwaltung führt, und nicht folgt.» Rechtlich gesehen habe die Stadt zwar keine Kompetenzen, gesteht sie ein. «Aber die Gebäudeversicherung gehört dem Kanton, also uns allen. Es wird einfach zu wenig gefordert. Auch bei der Hertistrasse.» Diese sei nicht mehr befahrbar, wenn das Projekt so umgesetzt werde, wie jetzt geplant. «Da könnte man doch hinstehen und sagen: So nicht.»

Handlungsspielraum sieht Mathers aktuell wenig mehr. «Es bleibt einzig die Möglichkeit zu prüfen, beim Baubewilligungsverfahren Einsprache zu erheben. Das werden wir prüfen», so die Politikerin.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Katja Zuniga Togni
    Katja Zuniga Togni, 13.01.2017, 11:38 Uhr

    Als langjährige Anwohnerin an der Hertistrasse in Zug ist es für mich unbegreiflich, dass es mit dieser bestehenden multikulturellen Idylle vorbei sein soll. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Jahrzehnte alte Gebäude saniert werden. Aber dass man sie gerade abreissen muss und zudem noch das Quartier durch Tiefgaragen entfremdet, finde ich mehr als fraglich. Das hat nichts mehr mit Lebensqualität und Toleranz zu tun und mein Quartier wird zu einem Einheitsbrei mit der überbauten Umgebung.
    Da braucht es einen Milieuschutz, denn auch die Bewohner dieser günstigen Wohnungen stellen andere Bedürfnisse punkto Nasszellen und Zimmergrösse.
    Hoffentlich geht man da noch einmal über die Bücher!
    Ich verlange mehr Schutz vor der Bauwut und dem überhandnehmenden Lärm und Verkehr!

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