Ein Jahr bleibt dem Initativekomitee, um eine allfällie Klage einzureichen. Ob es das tun wird, ist noch unklar. (Bild: Junge Alternative Zug)
Nach der Transparenzabstimmung vom Sonntag stellt sich die Frage: Muss das Initiativkomitee den vergeblichen finanziellen Aufwand für die erste Abstimmung wirklich selber berappen? Denn das Initiativkomitee will nun definitiv entscheiden, ob es rechtlich doch noch etwas unternehmen will. Rechtsexperten beurteilen den Fall unterschiedlich.
Vor der zweiten Transparenzabstimmung machten es die jungen Initianten auf die kreative Art. «Mit humorvollen Memes, die das Regierungsversagen auf den Punkt bringen, versucht das Initiativkomitee nun, auf ihr Crowdfunding aufmerksam zu machen. Hiefür wurden die Sujets auf mehreren Plakatflächen in der Stadt Zug geschaltet», teilte Konradin Franzini, Co-Präsident der Zuger Transparenzinitiative, kurz vor der Abstimmung vom vergangenen Sonntag mit.
Noch wenige Wochen zuvor hatte es bedeutend weniger munter getönt: «Fassungslos» habe das Initiativkomitee zur Kenntnis genommen, dass die Abstimmung über die Transparenzinitiative und den Gegenvorschlag für ungültig erklärt worden sei, teilte das Komitee nach dem Abstimmungssonntag vom 9. Juni mit.
Schock für Initianten
Blick zurück – was war passiert? In diversen Gemeinden hatte es damals mit dem Auszählen nicht geklappt. Grund dafür war der Umstand, dass der Abstimmungszettel perforiert war. Dies hätte eigentlich zu einer schnelleren Auswertung der drei Fragen – Verfassungsinitiative, Gegenvorschlag und Stichfrage - verhelfen sollen. In mehreren Abstimmungsbüros sorgten die abtrennbaren Zettel aber offensichtlich für Verwirrung, sodass teilweise auch ungültige Stimmen mitgezählt wurden. Der Zuger Regierungsrat entschied umgehend, die Abstimmung zu annullieren und zu wiederholen (zentralplus berichtete).
Für die Initianten ein Schock, zumal die von der Jungen Alternative Zug lancierte Kampagne nebst viel ehrenamtlicher Arbeit auch mit beträchtlichem finanziellen Aufwand verbunden war. Die Gesamtkosten hätten sich auf 14'000 Franken belaufen, teilte das Komitee nach der Abstimmung im Juni mit. Viel Geld für die jungen Leute, die in ihrer Initiative die Offenlegung von Kampagnen- und Parteibudgets sowie von Grossspenden und Interessenbindungen forderten.
Kanton sah die Schuld bei den Gemeinden
Die Aufsicht über die Wahlen und Abstimmungen obliegt im Kanton Zug dem Departement des Innern. Dessen Vorsteher, Regierung Andreas Hostettler, sah nach der Abstimmung im Juni die Schuld am Debakel klar bei den betreffenden Gemeinden. Gegenüber zentralplus erklärte Hostettler damals, die Instruktionen an die Gemeinden seien «sonnenklar» gewesen (zentralplus berichtete).
Luka Markić vom Zentrum für Demokratie Aarau hingegen sieht den Kanton in der Pflicht. «Man wird den Eindruck nicht los, dass sich der Kanton nach der Abstimmung im Juni aus der Verantwortung zu ziehen versuchte», sagt er auf Anfrage. Die Aufsicht über die kantonalen Abstimmungen obliege dem Kanton. Deshalb sei dieser auch zuständig für die Ausgestaltung der Stimmzettel und dafür, dass die Stimmbüros klare Auszählungsregeln erhalten. «Die kommunalen Stimmbüros sind einzig Vollzugsorgane – und zwar gemäss den Regeln des Kantons.» Das Zuschieben der Verantwortung auf die Gemeinden entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage.
War die Aufhebung der Abstimmung rechtswidrig?
Das Komitee stellte nach der Juni-Abstimmung die Frage, wer für die angefallenen Kosten der Abstimmungskampagne aufzukommen habe. Ihrer Allianz, welche nicht auf Grossspender zurückgreifen könne, sei ein beträchtlicher Schaden entstanden. «Letztlich scheint die Regierung verantwortlich für den entstandenen Schaden zu sein», schrieb das junge Komitee damals.
Auf Anfrage erklärt Regierungsrat Hostettler, für einen Schadenersatz an die Initianten gebe es keine Rechtsgrundlage. Luka Markić hingegen hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Kanton dem Komitee den entstandenen Schaden eigentlich ersetzen müsste. «Gemäss dem zugerischen Verantwortlichkeitsgesetz haftet der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung amtlicher Verrichtungen durch Rechtsverletzung jemandem zugefügt hat.» Allfällige Kläger hätten gemäss Markić nachweisen müssen, dass die Aufhebung der Abstimmung durch den Kanton rechtswidrig gewesen sei. «Das wäre ein schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen gewesen.»
Die Sicht zweier Rechtsprofessoren
Anders fällt die Beurteilung von Bernhard Rütsche aus, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern. Er stuft eine Entschädigung aufgrund von Staatshaftung in einem Fall wie diesem als aussichtslos ein. «Es handelt sich um einen reinen Vermögensschaden, für dessen Ersatz es einer gesetzlichen Schutznorm bedürfte. Eine solche Schutznorm ist nicht ersichtlich.»
Rainer Schweizer, emeritierter Professor für öffentliches Recht der Universität St. Gallen, sieht für einen derartigen Fall ebenfalls keine Entschädigungspflicht des Staates. «Das Initiativkomitee hat sicherlich einen erheblichen Nachteil erfahren, aber der Kanton und die Gemeinden haben diesem Komitee keinen Schaden zugefügt, für den der Staat haften müsste.» Rainer Schweizer findet, die Instruktion des Regierungsrats zur Juniabstimmung sei an sich einlässlich und klar gewesen.
Rainer Schweizer meldet aber auch Vorbehalte an. Er schreibt: «Eine Rechtsfrage bleibt für mich: Warum soll es nicht zulässig gewesen sein, nur eine oder zwei von drei Teilfragen zu beantworten? Grundsätzlich sollte doch auch eine Teilantwort gültig sein, wie auch eine Enthaltung rechtmässig ist.» Und Rechtsprofessor Schweizer weist noch auf etwas anderes hin: «Der Umstand, dass die Fragen auf einem perforierten Blatt abgedruckt waren, legte es für die Stimmbüros nahe, die einzelnen Teile auseinanderzunehmen.» Bei eidgenössischen Abstimmungen gebe es schliesslich auch perforierte Blätter mit zwei oder drei Fragen zum Beantworten.
Rainer Schweizer hätte es zudem eine gute Idee gefunden, wenn der Kanton damals den Gemeinden noch Hilfen für das Auszählen geschickt hätte. Dazu kam es aber auch am vergangenen Sonntag nicht. Auf Anfrage teilte Regierungsrat Hostettler kurz vor dem Abstimmungssonntag mit, die Aufsichtspflicht sei bei der Abstimmung im Juni «im gleichen Umfang» wahrgenommen worden «wie bei vergangenen und künftigen Abstimmungen». Und am Abstimmungssonntag selbst hielt Regierungsrat Hostettler fest: «Eine ‹Vor-Ort-Aufsicht› durch den Kanton ist weder in den Rechtsgrundlagen vorgesehen noch besteht dafür Notwendigkeit.» Immerhin: Der Abstimmungszettel wurde im Hinblick auf die Zweitauflage der Abstimmung angepasst: Alle drei Teilfragen befanden sich nun auf einem einzigen Stimmzettel – alles ganz ohne Perforierung.
Komitee hat noch nicht entschieden
Delia Meier vom Komitee der Transparenzinitiative sagt: «Wir haben die Haftungsfrage geprüft und in Erfahrung gebracht, dass für eine allfällige Klage eine Jahresfrist gilt.» Somit habe das Komitee beschlossen, diese Frage definitiv nach der zweiten Abstimmung zu entscheiden. «Eine entsprechende Klage könnte durchaus erfolgversprechend sein, da das Abstimmungskomitee aktuell keine Schuld, aber die volle Last trägt.»
Allerdings sei ein rechtlicher Weg immer auch mit Kosten verbunden. Deshalb habe das Komitee beschlossen, diesen Entscheid definitiv auf die Zeit nach der zweiten Abstimmung zu vertagen. Delia Meier ergänzt, die Frage nach den Erfolgschancen einer Klage sei letztlich schwierig zu beantworten: «Es würde sich um einen Präzedenzfall handeln, was die Analyse schwierig macht. Es stellt sich auch die Frage, wer überhaupt verantwortlich wäre, die Gemeinden oder die kantonale Regierung? Da hier aktuell die Schuld hin und her geschoben wird, müsste dies erst juristisch geklärt werden.»
«Demokratiepolitisch höchst fragwürdig»
Unbesehen von allen rechtlichen Überlegungen hält Delia Meier aber auch fest: «Die Fehler liegen ganz klar bei der Regierung, welche eine ungültige Abstimmung durchgeführt hat. Dass das Komitee jetzt trotzdem die vollen Kosten tragen muss – gänzlich ohne ein Verschulden – ist demokratiepolitisch höchst fragwürdig. Dies insbesondere bei einer Kampagne, die durch eine Jungpartei mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten getragen wird.»
Delia Meier und Konradin Franzini vom Co-Präsidium der Transparenzinitiative schreiben zudem: «Aus Sicht des Initiativkomitees liegt die Schuld am Abstimmungsdebakel eindeutig beim Regierungsrat.» Mit den von der Regierung gestalteten perforierten Stimmzetteln sei eine gültige Abstimmung gar nicht möglich gewesen. Die Direktion des Innern habe mit widersprüchlichen Anweisungen mutmasslich dafür gesorgt, dass in vielen Gemeinden wohl falsch gezählt worden sei. Das Komitee hält vor diesem Hintergrund fest: «Es ist frustrierend, dass dem Initiativkomitee wegen fahrlässigem Handeln der Zuger Regierung ein solch grosser Schaden entsteht.»