Kanton Zug in den Miesen

Rote Zahlen, rote Köpfe, glücklicher Finanzdirektor

Finanzdirektor Peter Hegglin hat das Budget in trockene Tücher gebracht – viel hätte nicht gefehlt, und er wäre dabei gescheitert. (Bild: Archiv)

170 Millionen Franken Defizit: Das nächste Jahr wird ein gewaltiges Loch in die Zuger Kantonskasse reissen. Trotzdem sind am Schluss der Zuger Budgetdebatte alle glücklich. Fast alle.

Und plötzlich stand alles auf der Kippe: Ganz zum Schluss der stundenlangen Budgetdebatte diesen Donnerstag im Zuger Kantonsrat wollte die SVP-Fraktion alles über den Haufen werfen. «Wenn ich das richtig sehe, stehen wir auf Messers Schneide», sagte Kantonsratsvizepräsident Thomas Lötscher. Und er sollte Recht behalten. Dabei war die Debatte ruhig angelaufen, und schon am Mittag hatte Finanzdirektor Peter Hegglin das Gefühl, jetzt sei es eigentlich gelaufen. «Ich hätte mir schon gewünscht, dass da kreativere Sparvorschläge kommen», sagt Peter Hegglin nach der ersten Hälfte der Budgetdebatte. «Aber das ist ja schon ein Zeichen: Die Stawiko hat genau hingeschaut, wo noch mehr gespart werden könnte, und nichts gefunden.»

Deshalb hat die Staatswirtschaftskommission (Stawiko) dem Rat mangels konkreter Inputs vorgeschlagen, einfach eine pauschale Kürzung von fünf Millionen Franken anzusetzen. Diese Globalkürzung des Budgets hat der Rat dann auch beschlossen – als eine von zwei zusätzlichen Sparmassnahmen. Insgesamt wird damit das Budget 2016 ein operatives Defizit von etwas über 170 Millionen aufweisen. Eigentlich hätte der Regierungsrat Reserven auflösen wollen, um das Defizit auf 26,3 Millionen Franken zu beschränken. Dies hat aber ein Antrag von Alois Gössi (SP) verhindert. Damit ändert sich grundsätzlich nicht viel – Defizit bleibt Defizit, wie es gedeckt wird, ist noch offen.

Fünf Millionen Franken gekürzt

Der Rat hat insgesamt Kürzungen von rund sechs Millionen Franken vorgenommen, fünf Millionen davon sind die erwähnte pauschale Kürzung über alle Dossiers hinweg, die der Regierungsrat eigenständig realisieren muss. Diese Pauschalkürzung war eine Forderung der Staats und Wirtschaftskommission. Knapp eine Million Franken wurde zudem im Baudepartement gekürzt.

«Gnade Gott, stimmen Sie bitte diesem Budget zu.»

Landammann Tännler

Angesichts der vielen Kürzungsanträge, die noch folgen sollten, ist das eine relativ bescheidene Umgestaltung des Budgets. Die Anträge wurden praktisch integral abgeschmettert. Es blieb grösstenteils beim Vorschlag der Stawiko. Dass deren Vorschlag aber auch für Mitglieder der Kommission nicht befriedigend war, zeigt das Votum von Kantonsrats-Vizepräsident Thomas Lötscher (FDP): «Ich sehe, der Bazar ist eröffnet», sagte er als Antwort auf die ersten pauschalen Kürzungsvorschläge der SVP–Fraktion. «Jetzt kommt es darauf an, wie der Rat auf die Bedrohungslage reagieren wird – wie eine Mimose, die ihre Blätter zusammenzuckt, völlig unabhängig von der Art der Bedrohung, wie eine Eidechse, die ihren Schwanz fallen lässt, das ist ja schon etwas elaborierter. Oder wie Wirbeltiere, die haben schlauere Strategien. Und Rückgrat. Ich bin gespannt, wie der Kantonsrat entscheidet.»

Einfach schlanker werden

Erstmal entscheidet er sich gegen alles, was da angetragen wird. Dabei hätte eine ungemütliche Blitzfreundschaft zwischen den Polparteien SVP und ALG eine ganze Reihe von Vorschlägen gehabt. Nicht alle zielten in dieselbe Richtung. Die SVP hat sich einen Kürzungskatalog erarbeitet, der bei jedem Departement ansetzte, ausser dem Gesundheitsdepartement, denn «da hat man uns sehr gut dargelegt, weshalb nicht mehr gekürzt werden kann.» Die ALG hat dafür diverse Erhöhungsanträge für Budgets gestellt, unter anderem bei der Bildung und beim Öffentlichen Verkehr, und auch die SP stellte die Sparübungen beim Mittelstand in Frage: Sie wollte die Obergrenze bei den Prämienverbilligungen verhindern. Damit scheiterte sie genauso wie die SVP, die in jedem Departement einfach pauschal kürzen wollte, und damit scheiterte, obwohl Manuel Brandenberg dem Rat immer wieder sanftmütig Kürzungslust eintrichterte: «Es geht einfach darum, der Regierung zu helfen, schlanker zu werden», sagte er etwa freundlich zu Finanzdirektor Hegglin gewandt, «deshalb müssen wir gerade jetzt eine Steuersenkung angehen.»

Steuersenkung bei so massiv roten Zahlen? Keine Chance für die hilfsbereiten Freunde aus der rechten Ecke, genausowenig für die aus der Linken. Stefan Gislers Erhöhungsversuche gingen genauso den Bach runter: «Jetzt spiele ich meine letzte Karte», sagte Gisler, der im Dezember seine letzte Kantonsratssitzung besuchen wird. «Machen Sie mir eine Steuererhöhung als Abschiedsgeschenk.» Der Rat lacht aber schenkt nicht. Hegglin hat da schon mehr Erfolg, auch durch entwaffnenden Egoismus: «Machen Sie das Geschenk nicht Stefan Gisler, sondern mir: Machen Sie keine Steuererhöhung, nehmen Sie den Vorschlag der Regierung an.»

Tännler spricht ein Machtwort

Das tut der Rat. Aber dann. Am Schluss. Geht alles schief – zumindest fast. Denn die SVP-Fraktion ist nicht zufrieden: Ihre Anträge sind gescheitert, deshalb beschliesst sie, das Budget zurückzuweisen. Die ALG zieht mit: Gisler versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen – und schlägt einen Deal vor: «Wenn Sie auf meinen Vorschlag der Steuererhöhung zurückkommen, dann können wir dem Budget zustimmen, sonst müssen wir es zurückweisen.»

Und jetzt wird es ungemütlich. Der Rat wird nervös, reagiert leicht panisch, plötzlich stehen rechtliche Fragen im Raum: Wie gross muss die Mehrheit sein, die das Budget abschiesst? Was passiert dann? Hegglin wirkt nervös, versucht, dem Rat ins Gewissen zu reden. Was wäre der Auftrag bei einer Rückweisung? Die Linke will weniger sparen, die Rechte mehr, was müsste die Regierung also in einem neuen Budget tun? Er bekommt Schützenhilfe von Landammann Tännler. Der findet mahnende Worte. «Gnade Gott», sagt Tännler, «ich wünsche Ihnen einen schönen Abend», sagt er und hebt den Zeigefinger und die Stimme, «aber bitte stimmen Sie diesem Budget zu.»

Davor eine ganze Reihe von Argumenten: Stringenz braucht es jetzt, keine Schnellschüsse, sondern ein strukturiertes Vorgehen, und der Regierungsrat werde das erarbeiten. Ziel: Ausgeglichenes Budget 2019. Der Rat, das ist selten, klopft vor Anerkennung mit den Knöcheln auf die Tische, wie Studenten das nach Vorlesungen tun. Und dann kommt die Abstimmung. Nach Namen. Jeder einzelne sagt Ja oder nein. Der Nebenmann macht Striche. Bald ist klar: Der Kanton hat ein Budget für 2016. Eines mit einem gewaltigen Defizit. Und der Kantonsrat ist trotzdem erleichtert. Hegglin strahlt trotz der roten Zahlen – immer noch besser als gar kein Budget. Eidechse oder Grünzeug? Thomas Lötscher (FDP) sagt: «Das war ein Entscheid mit Rückgrat. Aber es war wirklich knapp.»

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