Rohstoffhandel in Zug: «Vieles geschieht im Dunkeln»
Die Grünen Schweiz wollen den Rohstoffhandel stärker regulieren. Das hat Auswirkungen auf den Rohstoffhandelsplatz Zug, der zu den grössten der Schweiz zählt. «Dieser Wirtschaftszweig darf nicht unter dem Radar fliegen», ist Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli überzeugt.
Der Rohstoffhandel im Kanton Zug hat grosse Tradition (zentralplus berichtete). Just dort treffen sich am Samstag die Grünen Schweiz zur Delegiertenversammlung. Im Fokus: zwei Resolutionen, mit denen die Partei die Schweizer Friedens- und Sicherheitspolitik neu ausrichten will.
Unter anderem fordert sie darin den Ausbau von «Freiheits- und Friedensenergien», die Regulierung des Rohstoffhandels und das Finanzieren des Wiederaufbaus in der Ukraine.
zentralplus hat im Vorfeld exklusiv mit Balthasar Glättli, Präsident der Grünen Schweiz, über feministische Aussenpolitik, eine «Kriegsgewinnsteuer» und die Rolle des Kantons Zug für den Rohstoffhandel gesprochen.
zentralplus: Die Grünen Schweiz treffen sich am Samstag zur Delegiertenversammlung in Zug. Ein Zufall?
Balthasar Glättli: Ja, ursprünglich war geplant, die DV in Zug abzuhalten, um den Endspurt der kantonalen Wahlen einzuläuten und Tabea Zimmermann Gibson bei ihrer Kandidatur für den Regierungsrat zu unterstützen. Aber natürlich, unsere Forderungen sind hier besonders aktuell. Die Grünen in Zug verlangen seit Jahren, dass der Rohstoffhandel transparenter wird. Gegen Nordstream 1 haben wir hier protestiert, ebenso gegen Nordstream 2. Insofern ist Zug ein symbolischer Ort für die DV der Grünen Schweiz.
zentralplus: Ihre Partei will den Rohstoffhandelsplatz Schweiz stärker regulieren. Wie soll das konkret geschehen?
Balthasar Glättli: Der Rohstoffhandel in der Schweiz ist intransparent, vieles geschieht im Dunkeln. Ein so wichtiger Wirtschaftszweig darf nicht unter dem Radar fliegen. Es braucht eine unabhängige Aufsichtsbehörde, ähnlich der Finanzmarktaufsicht, welche die Geschäfte der Rohstoffhändler unter die Lupe nimmt. So liessen sich auch griffige Sanktionen verhängen. Unser erster Vorschlag im Parlament erlitt Schiffbruch, doch wir bleiben dran.
«Die Regulierung des Rohstoffhandels ist auch eine Frage der Verantwortung.»
zentralplus: Wie nehmen Sie die Stimmung in der Bevölkerung wahr, was den Rohstoffhandel mit Ländern wie Russland anbelangt?
Balthasar Glättli: Vielen Leuten wird je länger je mehr bewusst, dass Geschäfte mit Diktaturen und Oligarchen nicht nur eine Frage der Moral sind. Unsere und die europäische Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas, aber auch vom Handel mit China, macht unsere Wirtschaft und Gesellschaft verletzlich. Die Regulierung des Rohstoffhandels ist also auch eine Frage der Verantwortung.
zentralplus: Welche Auswirkungen hat eine stärkere Regulierung auf die Rohstoffdrehscheibe Zug?
Balthasar Glättli: Für Unternehmen im Rohstoffsektor wäre Zug dadurch sicher weniger attraktiv. Das Klumpenrisiko für den Kanton würde sich hingegen verringern. Mit anständigen Geschäften sollen Rohstoffhändler aber weiterhin Geld verdienen können. Nur müssen die Unternehmen transparenter werden. Die Zahlen dazu existieren intern wohl bereits heute, die Rohstoffhändler mussten sie bislang aber nicht publik machen.
zentralplus: Eng verknüpft mit dem Rohstoffhandel ist eine «Kriegsgewinnsteuer», wie sie unter anderem auch Ihre Partei fordert. Existieren in Ihren Augen legitime «Kriegsgewinner»?
Balthasar Glättli: Das ist eine Frage, die wir diskutieren müssen. Dass eine saubere Abgrenzung zwischen «legitimen» und «illegitimen» Kriegsgewinnern möglich ist, zeigen unsere Nachbarländer. Italien hat zum Beispiel eine Steuer auf sogenannte Übergewinne von Energieunternehmen eingeführt. Das Kernproblem liegt aber an einem anderen Ort: Hätten wir in der Schweiz höhere Unternehmenssteuern, würden ausserordentliche Gewinne sowieso viel höher versteuert. Das Gegenteil ist aber der Fall: Wir haben die Unternehmenssteuern gesenkt, um Firmen anzulocken. Für die zu hohen Gewinne, die sie jetzt einfahren, brauchen wir eine Lösung. In dieser Angelegenheit zähle ich auf Gerhard Pfister, der bereits Interesse angekündigt hat.
«Eine feministische Aussenpolitik legt das Augenmerk auf die Frauenrechte. Wie Hillary Clinton treffend sagte: Menschenrechte sind Frauenrechte und Frauenrechte sind Menschenrechte.»
zentralplus: Umstritten ist auch, wohin der Ertrag aus der «Kriegsgewinnsteuer» fliessen soll: in die Ukraine oder zu den von der Inflation am stärksten Betroffenen in der Schweiz?
Balthasar Glättli: Das wird die nächste politische Diskussion. Ich sage: Das eine tun, das andere nicht lassen. Es wäre problematisch, würden wir die Erträge aus einer solchen «Kriegsgewinnsteuer» nur in der Schweiz einsetzen. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass wir eine grössere Verantwortung haben.
zentralplus: Was versprechen Sie sich von einer «feministischen Aussenpolitik», wie die Grünen in einer zweiten Resolution fordern?
Balthasar Glättli: In Konflikten wie aktuell in der Ukraine werden Frauenrechte immer zuerst verletzt. Es ist die Stunde der Militaristen, die sexuelle Gewalt als Kriegsinstrument einsetzen. In vielen Ländern stehen Frauen strukturell unter Druck und sitzen politisch am kürzeren Hebel. Eine feministische Aussenpolitik legt das Augenmerk auf die Frauenrechte. Wie Hillary Clinton treffend sagte: Menschenrechte sind Frauenrechte und Frauenrechte sind Menschenrechte.
zentralplus: Welche Teile der zwei Resolutionen werden an der DV am Samstag zu reden geben?
Balthasar Glättli: Die Resolutionen sind stark an die Aktualität gebunden. Mich erreichten kritische Rückmeldungen, die forderten, nicht nur die Handlungen von Russland, sondern auch die von China expliziter zu verurteilen. Diese Anregung hat sicher eine Diskussion verdient.
- Telefonisches Interview mit Balthasar Glättli
- Website der Grünen Schweiz