Nationalrätin will in Lokalpolitik

Rettet Yvette Estermann die Krienser SVP?

Die Krienser SVP-Nationalrätin Yvette Estermann will den Schritt in die Lokalpolitik wagen.

(Bild: zvg)

Im Nationalrat sitzt sie schon, jetzt will sie zusätzlich in den Krienser Einwohnerrat. Dieses ungewöhnliche Unterfangen plant die Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann. Was soll das? Der Verdacht drängt sich auf, dass die SVP Kriens ein paar gröbere Probleme kaschieren will.

Eigenartiges spielt sich bei den Krienser Einwohnerratswahlen ab: Nationalrätin Yvette Estermann (49) ist auf der SVP-Liste zu finden. Die Kandidatur der bekannten Politikerin kann im Hinblick auf die Wahlen vom 1. Mai als Coup der taumelnden Ortspartei bezeichnet werden. Denn diese hat in den letzten Monaten nicht besonders glücklich agiert.

Nach der Wahl von ex-SVP-Gemeindepräsident Paul Winiker in den Luzerner Regierungsrat verlor die SVP im September 2015 den Sitz im Krienser Gemeinderat. Dabei verheizte sie auf unschöne und nicht sehr professionelle Weise gleich zwei ihrer Kandidaten: Patrick Koch und Martin Zellweger.

Dann forderte sie im November eine Bürgerwehr, da sie sich vor Messerstechereien und Vergewaltigungen durch die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden im Pilatusblick fürchtete. Die SVP trat mit diesem ausländerfeindlichen Vorstoss in ein grosses Fettnäpfchen und musste sich böse Anschuldigungen gefallen lassen. Und wie sich mittlerweile herausgestellt hat, läuft im Pilatusblick alles reibungslos. Schliesslich gab die Partei bekannt, dass sie auf eine Kandidatur für die Gemeinderatswahlen vom 1. Mai verzichtet, weil die anderen Parteien die SVP nicht im Gemeinderat würden haben wollen. Obschon es ja das Volk war, welches den beiden SVP-Kandidaten sang und klanglos die Wahl versaute.

Kurzum: Die SVP Kriens und ihre federführenden Persönlichkeiten, allen voran ex-Präsident Peter Portmann sowie Fraktionschef und Kantonsrat Räto Camenisch, sorgten mächtig für Negativschlagzeilen (zentralplus berichtete). Als Folge daraus trat Portmann Ende Jahr als Präsident zurück.

«Wenn wir die acht Sitze behalten können, wäre das sicher ein Erfolg.»

Hans Fluder, Präsident SVP Kriens

Zusätzliches Hindernis: Einwohnerrat wird verkleinert

Nun hat sich die SVP Kriens für die Einwohnerratswahlen vom 1. Mai also ein prominentes Zugpferd geangelt. Die Wahlen in Kriens versprechen so oder so heiss zu werden. Der Einwohnerrat wird von 36 auf 30 Sitze verkleinert, was das Zittern um die Sitze verstärkt. Die Jungparteien hatten sich gegenüber zentralplus bereits nervös gezeigt. Hans Fluder, SVP-Präsident seit Januar 2016, sagt denn auch, dass es für die SVP mit ihren bislang acht Sitzen nicht einfach wird. «Wenn wir die acht Sitze behalten können, wäre das sicher ein Erfolg», so Fluder.

Zur prominenten Kandidatin auf der Liste – Estermann holte für die SVP kantonsweit am meisten Stimmen bei den Nationalratswahlen und kandidierte auch für den Ständerat – meint er: «Sie ist eine bekannte Persönlichkeit und wird zusätzliche Stimmen generieren.» Yvette Estermann sei der Gemeinde und der Ortspartei immer sehr verbunden gewesen. «Und sie hat uns zugesichert, dass ein Engagement zeitlich drinliegt.» Doch will die SVP damit nicht einfach überdecken, dass sie ein Nachwuchsproblem hat? Fluder sagt: «Das Alter unserer Kandidaten war schon ein Thema. Zwischen 30 und 50 Jahren ist es schwierig, Beruf und Politik unter einen Hut zu bringen.» Von einem generellen Nachwuchsproblem will er aber nicht wissen. «Wir haben erst vor Kurzem eine JSVP gegründet, was zeigt, dass sich durchaus auch Junge für die SVP-Politik interessieren.»

So entwickelte sich die Sitzverteilung im Krienser Einwohnerrat: 2008 wurde dieser auf 36 erweitert, nun wird er wieder auf 30 Sitze begrenzt. Die SVP verlor bei den letzten Einwohnerratswahlen zwei Sitze.

So entwickelte sich die Sitzverteilung im Krienser Einwohnerrat: 2008 wurde dieser auf 36 erweitert, nun wird er wieder auf 30 Sitze begrenzt. Die SVP verlor bei den letzten Einwohnerratswahlen zwei Sitze.

SVP Kriens mit schwachen Jahrgängen

Ein Blick auf die SVP-Liste verrät, dass die altersmässige Durchmischung bei der Partei zu wünschen übrig lässt. Denn: Von den bisher acht Fraktionsmitgliedern treten sieben zur Wiederwahl an. Und über die Hälfte hat schon einige Lenze auf dem Buckel: Räto Camenisch (70 Jahre alt), Hans Fluder (65), Alfons Graf (63) und Peter Portmann (65). Sie bildeten bisher gemeinsam mit Martin Heiz (55), Katja Staub (45) und Patrick Koch (43) die SVP-Fraktion. Ergibt ein Durschschnittsalter von 58 Jahren. Natürlich ist das Alter nicht das einzige Kriterium. Und auch Senioren sollen in den Parlamenten vertreten sein. Doch die SVP Kriens repräsentiert mit ihrer Fraktion die Wählerschaft nur bedingt.

Da kommt die Kandidatur der 49-jährigen Estermann sehr gelegen. Schaut man nämlich die weiteren Kandidaten auf der SVP-Liste an, entspricht Estermann genau derjenigen Altersgruppe, die die SVP dringend benötigt. Mit Konrad Beutler und Irma Rupp befinden sich zwei 69-Jährige auf der Liste, mit Michèle Binggeli (30), Marco Frauenknecht (28) und Oliver Müller (29) drei Jungspunde. Vollständigkeitshalber seien auch die beiden 52-Jährigen Lucas Halter und Martin Zellweger – es nach dem gescheiterten Anlauf für den Gemeinderat nun also auch im Parlament versucht – erwähnt.

Die Kandidierenden der Jungen SVP Kriens: Bucher Sandro, Imfeld Marco, Fischer Sandro, Allgäuer Lars, Wenger David (von links nach rechts). (Bild: www.jungesvp-kriens.ch)

Die Kandidierenden der Jungen SVP Kriens: Bucher Sandro, Imfeld Marco, Fischer Sandro, Allgäuer Lars, Wenger David (von links nach rechts). (Bild: www.jungesvp-kriens.ch)

Estermann hat nun Zeit

Und was sagt SVP-Nationalrätin Estermann selber zu ihrer Kandidatur? «Ich war schon immer sehr an Lokalpolitik interessiert, hatte bisher aber keine Zeit, mich zu engagieren», so Estermann. Sie habe nun aber das Fraktions-Vizepräsidium im Bundeshaus abgeben können. Und könne das Einwohnerratsmandat, das etwa einem 10-Prozent-Pensum entspricht, bewältigen. Was auf Gemeindeebene laufe, fasziniere sie, sagt Estermann. «Hier ist man am nächsten dran und die Entscheide bekommt man hautnah zu spüren. Man sieht die Investitionen direkt, aber auch was schiefläuft.»

«Ich habe nicht vergessen, woher ich komme.»

Yvette Estermann, SVP-Nationalrätin

Statt die Faust im Sack zu machen, wolle sie sich einbringen. «Im Bereich Verkehr muss das Stauproblem gelöst werden. Und in der Wirtschaftspolitik muss mehr fürs Gewerbe getan werden», sagt Estermann. In der Finanzpolitik fordert sie sinkende Steuern, um den Mittelstand zu entlasten.

Abwahl? «Damit muss man leben können»

Aber kandidiert Estermann nicht einfach, um ihrer Partei bei den herrschenden Personalsorgen zur Seite zu stehen? «Es ist so – gewisse Jahrgänge fehlen in unserer Partei. Aber man muss auch beachten, dass wir eine Jungpartei gegründet haben, auf die ich übrigens sehr stolz bin.» Als Retterin in der Not will sie sich nicht sehen, auch wenn man das so werten könne. «Ich will der SVP Kriens nun etwas zurückgeben. Ich habe nicht vergessen, woher ich komme. Und wenn ich nun eine Lücke schliessen kann, freut mich das natürlich.»

Böses Blut, weil sie einem bisherigen Einwohnerrat einen Sitz wegschnappen könnte, erwartet die Nationalrätin nicht. «Damit muss man in der Politik immer rechnen. Wer damit nicht leben kann, soll gar nicht erst in die Politik gehen.» Estermann möchte als Einwohnerrätin einen Einblick in die Krienser Dorfpolitik erlangen. Zu einer allfälligen Kandidatur 2020 für den Gemeinderat will sie sich momentan noch nicht äussern: «Das ist noch sehr weit weg.»

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