Showdown bei den Zuger Wahlen

Rennen um Sitz in Regierung: Packt es die Linke?

Links-Grün tritt am 2. Oktober mit Tabea Zimmermann Gibson zu den Regierungsratswahlen an. (Bild: sib)

Noch vier Wochen bis zum Tag der Entscheidung: Am 2. Oktober wählt der Kanton Zug seine neue Regierung. Zwei Politikwissenschaftler und ein Insider äussern sich zu den vier zentralen Fragen.

In gut vier Wochen wird im Kanton Zug die neue Regierung gewählt (zentralplus berichtete). Die Parteien und Kandidatinnen wissen: Wenn sie noch irgendetwas Entscheidendes zu ihren Gunsten bewegen wollen, so muss dies in den nächsten zwei oder drei Wochen passieren. Zeit auch, um im Vorfeld des 2. Oktobers vier zentralen Fragen nachzugehen.

1. Frage: Wird die Linke ihren Sitz zurückholen?

Seit 2018 ist die Linke nicht mehr in der Zuger Regierung vertreten. Wer wissen will, ob sich dies nach den diesjährigen Wahlen wieder ändern könnte, schaut sich mit Vorteil die Ergebnisse von 2018 genau an. Die Zuger Linken traten damals mit zwei Bewerbern an: Barbara Gysel kandidierte für die SP und Andreas Hürlimann für die Alternative – die Grünen (ALG).

Beide lagen rund 2’000 Stimmen hinter den beiden FDP-Kandidaten Andreas Hostettler und Florian Weber zurück, welche die Plätze sechs und sieben belegten. Beide linken Kandidaten erreichten das absolute Mehr ebenfalls, schieden aber als Überzählige aus.

2’000 Stimmen: Ist das aufholbar?

Fragen wir jemanden, der damals besonders nahe dran war. Andreas Hürlimann aus Steinhausen war vor vier Jahren Kandidat der ALG und zusammen mit Barbara Gysel (SP) einer der beiden linken Kandidaten. Zum damaligen Ergebnis meint Andreas Hürlimann: «Der Abstand war klar und deutlich. Rund 2’000 Stimmen Abstand sind im Kanton Zug eine ganze Menge. Die bürgerlichen Kandidaten konnten wesentlich mehr Stimmen auf sich vereinigen.»

«Linke Kandidaturen müssen bis weit ins bürgerliche Lager Stimmen machen, um gewählt zu werden.»

Andreas Hürlimann (ALG) kandidierte 2018 für den Regierungsrat

Das habe sich in der Folge auch bei Ersatzwahlen während der Legislatur auf der Stufe der Gemeinden bestätigt: «Die linken Kandidaturen wurden bei den Wahlen in kommunale Gremien meist klar abgehängt.» Auch aktuell könnten bürgerliche Kandidierende aus dem breiten Wählerpotenzial aus FDP, SVP, GLP und Mitte schöpfen. «Links-Grün hat mit SP und ALG/CSP eine weniger starke Basis. Linke Kandidaturen müssen bis weit ins bürgerliche Lager Stimmen machen, um gewählt zu werden.»

Eine unvorteilhafte Ausgangslage

Jetzt aber tritt die Linke nur mit einer Kandidatin an, nämlich mit Tabea Zimmermann Gibson von der ALG. Dieser Verzicht auf eine Doppelkandidatur dürfte dazu führen, dass die linken Stimmen weniger aufgesplittet werden. Wird dies im Vergleich zu 2018 den Unterschied machen?

Andreas Hürlimann hält sich mit einer Prognose zurück: «Das wird sich nach den Wahlen 2022 besser sagen lassen. Der Abstand der beiden linken Kandidierenden war damals deutlich. Falls die Einerkandidatur dieses Jahr wesentlich besser abschneidet, dann hatte dies wohl einen Einfluss.» Es werde sich – auch für zukünftige Wahlen – zeigen, ob das diesjährige Szenario signifikant besser sei oder eben nicht.

Der Luzerner Politologe Tobias Arnold geht davon aus, dass es für die Linken schwierig wird: «Viele bisherige Bürgerliche, die nochmals antreten, und dazu die GLP-Konkurrenz: Das ist eine wenig vorteilhafte Voraussetzung für einen linken Sitz.»

2019 kandidierte Tabea Zimmermann Gibson (links, ALG) für den Ständerat. Den Einzug schaffte sie allerdings nicht. (Bild: sib)

2. Frage: Werden alle Bisherigen wiedergewählt?

Sechs der sieben Bisherigen treten wieder an. Es sind dies Silvia Thalmann-Gut und Martin Pfister von der Mitte, Heinz Tännler und Stephan Schleiss von der SVP sowie Andreas Hostettler und Florian Weber von der FDP. In der Schweiz werden bisherige Exekutivmitglieder in aller Regel wiedergewählt.

Allerdings standen einzelne Zuger Regierungsräte in der vergangenen Legislatur durchaus in der öffentlichen Kritik. Zu denken ist unter anderem etwa an das Thema Sanktionen. Der Auftritt eines Teils des Gremiums am 4. März dieses Jahres wurde von der politischen Konkurrenz als «diffus» kritisiert.

Für Aufsehen und Kritik sorgte anschliessend der Auftritt von Finanzdirektor Heinz Tännler in der SRF-Sendung «Reporter». Tännler reagierte auf die Vorwürfe mit einem Gastkommentar in der «Zuger Zeitung». Inhaltlich kam der Beitrag einem Rundumschlag gleich (zentralplus berichtete).

Wenn es darauf ankommt, schliessen sich die Reihen

Trotz allem ist davon auszugehen, dass sämtliche sechs Bisherigen die Wiederwahl schaffen werden. Zudem gibt es die Tendenz, dass bisherige Regierungsmitglieder nur ganz selten abgewählt werden. Zug wählt seit dem Jahre 2014 die Regierung im Majorzsystem. Seither wurde noch nie ein amtierendes Regierungsmitglied abgewählt. Im Proporz kam dies gelegentlich noch vor. So etwa in den Jahren 1998 und 2010.

«Der Kanton Zug ist recht stabil und sehr bürgerlich.»

Sarah Bütikofer, Politikwissenschaftlerin an der Uni Zürich

Zudem: Der Kanton Zug tickt sehr bürgerlich. Symptomatisch dafür ist die Konzernverantwortungs-Initative im Jahre 2020. Nur die Landkantone Schwyz, Nidwalden und Appenzell-Innerrhoden lehnten die Vorlage noch deutlicher ab als Zug. Will heissen: Wenn es darauf ankommt, schliessen sich in Zug in aller Regel die Reihen.

Die bisher rein bürgerliche Regierung kann wohl erneut auf den Support ihrer sehr starken bürgerlichen Basis zählen. Das Majorzsystem kommt diesem Effekt noch zusätzlich entgegen (zentralplus berichtete).

85 Prozent werden wiedergewählt

Andreas Hürlimann meint dazu: «Die bisherigen Regierungsratsmitglieder starten mit einem Bonus. Diesen als neue Kandidatin zu schlagen, ist schwierig.» Von da her sei es wohl am ehesten der Mitte-Sitz des nicht mehr kandidierenden Sicherheitsdirektors, der zur Debatte stehe.

«Ob die umfassende bürgerliche Dominanz durchbrochen wird, ist selbst mit der Konsolidierung von SP und Grünen auf eine Kandidatin schwierig zu sagen. Zudem muss sich der Wille des bürgerlichen Zugs für einen gewissen Proporz in den Majorz-Regierungsratswahlen erst noch zeigen. Die Herausforderung für Links-Grün bleibt darum riesig.»

Die Politikwissenschaftlerin Sarah Bütikofer von der Universität Zürich erwähnt eine Studie, wonach in der Schweiz jeweils 85 Prozent aller Regierungsräte wiedergewählt werden. Sarah Bütikofer ergänzt: «Der Kanton Zug ist recht stabil und sehr bürgerlich.» Falls es jedoch zu grösseren Wählerverschiebungen käme, sei eine Abwahl schon denkbar.

«Aber es ist schon sehr viel wahrscheinlicher, dass zuerst die Bisherigen einer Partei bestätigt werden, bevor eine neue Person gewählt wird. Es sei denn, man kann den Bisherigen etwas Schwerwiegendes vorwerfen.»

Der Spezialfall Obwalden

Auch der Politologe Tobias Arnold hält die Abwahl eines der Bisherigen für eher unwahrscheinlich. Arnold bestätigt zudem, dass die Abwahlwahrscheinlichkeit im Majorz grundsätzlich geringer sein dürfte als im Proporz. Der entsprechende Unterschied sei wohl aber klein, fügt der Luzerner Politologe an.

Trotz allem: In diesem Frühjahr wurde in Obwalden die bisherige FDP-Regierungsrätin Maja Büchi abgewählt. Ist ein solches Szenario in Zug völlig ausgeschlossen? «Obwalden war hier eher ein Spezialfall», meint Politologe Tobias Arnold.

«Ich glaube nicht, dass die GLP-Kandidatur den Linken hilft. Bestenfalls wirkt sie sich nicht negativ aus.»

Tobias Arnold, Politologe, Luzern

Maja Büchi habe als Gesundheitsdirektorin das Dossier Kantonsspital betreut. «In der Bevölkerung herrschte eine gewisse Unruhe über die unsichere Zukunft des Spitals und das wurde ihr letztlich zum Verhängnis. Eine damit vergleichbare Ausgangslage sehe ich aktuell bei keinem Bisherigen in Zug.»

3. Frage: Wem nützt die Kandidatur der GLP?

Mit Parteipräsidentin Tabea Estermann mischt auch die GLP im Wahlkampf um den Regierungsrat mit. Könnte diese Kandidatur den Linken nützen? Immerhin wird die GLP grundsätzlich der politischen Mitte zugerechnet. Könnte es sein, dass die GLP der Mitte Stimmen wegnimmt?

Der Politologe Tobias Arnold meint: «Ich glaube nicht, dass die GLP-Kandidatur den Linken hilft. Bestenfalls wirkt sie sich nicht negativ aus.» Arnold hält es nämlich für denkbar, dass liberal denkende Bürgerliche möglicherweise eher den Namen der GLP-Kandidatin auf ihren Wahlzettel schreiben, als eine Person von links zu wählen.

2018 lag der GLP-Kandidat zwar rund 3’500 Stimmen hinter Barbara Gysel (SP) zurück. Allerdings ist die GLP national im Aufwind. Im Kanton Nidwalden erreichte sie in diesem Frühjahr eher überraschend gar einen Regierungssitz.

4. Frage: Geht die Strategie der Mitte auf?

Aktuell hat die Mitte drei der sieben Regierungssitze inne. Mit einem Wähleranteil von 25,6 Prozent (Kantonsratswahlen 2018) ist die Mitte in der Regierung deutlich übervertreten. Nach dem Rücktritt von Sicherheitsdirektor Beat Villiger strebt die Mitte auch jetzt wieder drei Sitze an. Neu kandidiert Parteipräsidentin Laura Dittli.

Klar scheint: Aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und ihrer Vernetzung wird Laura Dittli viele Stimmen machen. Was aber, wenn die Mitte einen Sitz verlieren und Parteipräsidentin Dittli stimmenmässig einen der bisherigen Mitte-Regierungsräte überflügeln sollte? Könnte es parteiintern vielleicht zu Spannungen führen, wenn ausgerechnet die Parteipräsidentin einem bisherigen Mitte-Regierungsmitglied den Sitz wegnehmen würde?

«Ich gehe davon aus, dass die Wählerinnen die Leistungen der beiden bisherigen Mitte-Regierungsräte würdigen werden.»

Laura Dittli, Regierungsratskandidatin der Mitte

Die Politikwissenschaftlerin Sarah Bütikofer hält dieses Szenario für nicht sehr wahrscheinlich. «Ich ginge vorerst eher davon aus, dass die Mitte damit rechnet, den freiwerdenden Sitz zu verteidigen und darum mit drei Personen antritt.»

«Dieses Szenario wäre eine Enttäuschung für die Mitte»

Der Politologe Tobias Arnold meint zu dieser Frage: «Aus meiner Sicht ist das Szenario ‚Wahl von Frau Dittli und weiterhin drei Mitte-Sitze’ wahrscheinlicher. Das beschriebene Szenario mit nur zwei Mitte-Sitzen wäre insgesamt eine Enttäuschung für die Mitte.» Parteiinterne Probleme erwartet Tobias Arnold eher nicht.

Seine Argumentation: «Schliesslich positioniert sich Laura Dittli als Kandidatin für den dritten Sitz und ist breit gestützt von der Partei. Sie kämpft gegen Kandidierende in anderen Parteien und nicht gegen Leute in der eigenen Partei. Sollte aber das beschriebene Szenario eintreten, könnte man dies der Mitte-Präsidentin nicht zum Vorwurf machen.»

Und was sagt Mitte-Parteipräsidentin Laura Dittli selber zu dieser Frage? Sie gehe davon aus, dass die Wählerinnen die Leistungen der beiden bisherigen Mitte-Regierungsräte würdigen werden. «Deshalb konzentrieren wir uns auf den aktuellen Wahlkampf, den wir stets als Trio bestreiten – auch auf den Plakaten. Unsere Wahlstrategie wurde zudem nicht von mir, sondern von einem breit aufgestellten Wahlteam erarbeitet und von unserer Delegiertenversammlung genehmigt.»

Laura Dittli will Zuger Regierungsrätin werden.
Laura Dittli (Mitte) will Zuger Regierungsrätin werden. (Bild: zvg)
Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


5 Kommentare
  • Profilfoto von Karl Ottiger
    Karl Ottiger, 05.09.2022, 19:41 Uhr

    Es ist auch bei den bürgerlichen keiner unterwegs der über logisches denken verfügt bei den grünen und Sozis weiss man das schon seit Jahrzehnten blättert in der Geschichte zurück und schaut einmal welche Regierungen kantonal und landesweit erfolgreich waren

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von R. Osalvez
      R. Osalvez, 05.09.2022, 23:00 Uhr

      Der Zuger Filz muss unbedingt einmal durchbrochen werden; da sind die Grünen durchaus im Moment das kleinere Übel. Die alten süffisanten Herren mit ihrem patriarchalischen Denken sollten dringend einen Denkzettel verpasst kriegen!

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Fabrizio
    Fabrizio, 05.09.2022, 08:38 Uhr

    Nach Corona-Hysterie, Klima-Panik und Russland-Sanktionen, die trotz Milliardenausgaben nutzlos und sogar kontraproduktiv waren/sind, sind CVP und FDP nur noch sehr bedingt als bürgerlich zu bezeichnen. Da spielt es keine Rolle, ob da eine Hell-oder gar Dunkelgrüne in die Regierung kommt anstelle eines CVP- oder FDP-Regierungsrats.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Marco
    Marco, 05.09.2022, 07:21 Uhr

    Auf dem Titelbild ist 1 nicer boi am smilen.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Lucas
      Lucas, 05.09.2022, 09:39 Uhr

      Der hätte definitiv meine Stimme.

      👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon