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So viel wie nie zuvor: Die Stadt Luzern verbucht aus einer einzelnen Erbschaft Einnahmen von über zwölf Millionen Franken. Zu verdanken hat sie das einer Steuer, die immer wieder zu reden gibt – aktuell in Kriens. Wieso die Gegenargumente laut einem Experten kaum standhalten.
Es ist fast wie beim Lottospielen: Alle hoffen auf den grossen Jackpot, doch nur die wenigsten werden dadurch reich. Doch im Unterschied zum berühmten «Sechser» stehen die Chancen auf eine schöne Erbschaft in der Schweiz deutlich höher.
Obwohl öffentlich kaum darüber gesprochen wird, zeigen die Zahlen das Ausmass. Beispielsweise in der Stadt Luzern: Ein einzelner Erbschaftsfall spült dieses Jahr 12,4 Millionen Franken in die Kasse, wie Finanzdirektorin Franziska Bitzi kürzlich am Rande einer Medienkonferenz bekannt gab (zentralplus berichtete).
Das ist über dreimal so viel wie normalerweise im Durchschnitt des ganzen Jahres anfällt. Wenn man bedenkt, dass dies Nachkommens-Erbschaftssteuer maximal 2 Prozent der vererbten Summe ausmacht, dürfte das in diesem Fall vererbte Vermögen rund 620 Millionen Franken betragen haben, wie der Steuerrechner des Kantons bestätigt.
Wer diesen ansehnlichen Reichtum hinterlassen hat, bleibt ein Geheimnis. Die Stadt Luzern macht aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine näheren Angaben zum konkreten Einzelfall. Finanzdirektorin Bitzi bestätigt nur, dass es sich um den höchsten Beitrag handelt, der je in der Stadt Luzern als Nachkommens-Erbschaftssteuer abgeliefert werden musste.
Kriens wären diese Millionen flöten gegangen
Hätte diese vermögende Person in Kriens oder Horw gewohnt, hätten die direkten Nachkommen der Gemeinde keine Steuern abliefern müssen. Denn im Kanton Luzern entscheidet jede Kommune selber über die Nachkommens-Erbschaftssteuer. Knapp die Hälfte erhebt sie, etwas mehr als die Hälfte verzichtet darauf.
Sinn und Zweck der Steuer ist umstritten. In der Stadt Luzern scheiterten in den letzten Jahren mehrere Versuche, sie abzuschaffen. Anders in Adligenswil: Die Gemeinde verzichtet seit rund zwei Jahren darauf und freute sich damals, diesen «alten Zopf» abzuschneiden. In die andere Richtung weht der Wind in Kriens, wo die Steuer 2002 dank einer SVP-Initiative abgeschafft wurde und jetzt wieder über die Einführung gestritten wird. Da FDP und SVP das Referendum ergriffen haben, kommt es zur Volksabstimmung.
Die aktuelle Diskussion in Kriens zeigt exemplarisch die Hauptargumente in dieser Diskussion. Eines der wichtigsten: Die Steuer vertreibe vermögende Personen, die lieber in Gemeinden ziehen, wo ihre Nachkommen nichts dem Staat abgeben müssen.
Das Gespenst der mobilen Reichen
Doch stimmt das auch? Aus wissenschaftlicher Sicht lasse sich das nicht bestätigen, sagt Marius Brülhart. Darauf deutet eine Studie des Volkswirtschaftsprofessors der Universität Lausanne hin, der sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hat. Vermögende ältere Menschen würden sich bei der Wohnsitzwahl so gut wie gar nicht von den Erbschaftssteuern in den Kantonen leiten lassen. «Ich gehe davon aus, dass dieser Befund auch auf Stufe Gemeinde zutrifft», sagt Brülhart zu zentralplus.
«Der Umfang der Erbschaften und Schenkungen wird gewiss weiter wachsen.»
Marius Brülhart, Wirtschaftsprofessor
Das bestätigt die Luzerner Finanzdirektorin Franziska Bitzi mit Blick auf die Praxis. Ihr seien keine konkreten Fälle bekannt, in denen Vermögende die Stadt Luzern wegen der Nachkommens-Erbschaftssteuer verlassen hätten. Der Krienser Stadtrat kommt nach 19 Jahren ohne die Steuer zu einem ähnlichen Schluss. Das Ziel der Abschaffung, in Kriens vermögende Personen anzusiedeln, sei klar verfehlt worden. «Die Abschaffung der Nachkommens-Erbschaftssteuer zeigte im Steuersubstrat von Kriens keine Wirkung», hält er in seinem Bericht ans Parlament fest.
Es wird immer mehr Geld vererbt
Eine weitere Sorge der Gegner ist, dass Betroffene eine vererbte Immobilie oder ein KMU verkaufen müssen, weil ihnen das liquide Geld für die Erbschaftssteuer fehlt. Gemäss dem Luzerner Stadtrat war das bisher nie ein Problem. Vielmehr bringt es Erben in Schwierigkeiten, wenn eine Person eine Liegenschaft oder ein Unternehmen übernimmt und andere Geschwister auszahlen muss. Die 1 bis 2 Prozent an Erbschaftssteuern seien im Vergleich dazu verhältnismässig unbedeutend.
Aus finanzwissenschaftlicher Sicht, bilanziert Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart, sei die Erbschaftssteuer eine der am wenigsten problematischen Steuern. Im Gegensatz beispielsweise zu Einkommenssteuern setze sie kaum Anreize, sich wirtschaftlich weniger anzustrengen. «Aus der Gerechtigkeitsperspektive attraktiv ist der Umstand, dass die Erbschaftssteuer nicht Werte belangt, die man im Schweisse seines Angesichts selber erarbeitet hat, sondern Werte, die einem durch die Lotterie der Geburt in den Schoss gefallen sind.»
- Ja, denn Geld erben ist keine Leistung.
- Nein, dieses Geld wurde ja bereits von den Verstorbenen versteuert.
- Mir egal, das soll jede Gemeinde selber entscheiden.
Widerstände gegen die Erbschaftssteuer seien oft eher psychologischer Natur, da der Erbgang von vielen Menschen als familiäre Privatsache betrachtet wird – und da die Kombination von Tod und Steuern allerhand unangenehme Konnotationen hervorrufe.
Klar ist derweil, dass auch weiterhin viel Geld vererbt wird. 2020 erbten Schweizerinnen und Schweizer laut Schätzungen von Marius Brülhart insgesamt 95 Milliarden Franken – fünf Mal mehr als noch vor 30 Jahren. «Der Umfang der Erbschaften und Schenkungen wird gewiss weiter wachsen», sagt der Experte. Das liege in erster Linie an der hohen Sparneigung der Schweizer und an den tiefen Zinsen, welche die Immobilien- und Aktienwerte steigen lassen. Brülhart betont: «Hier liegt daher eine potenziell ergiebige Quelle für Steuereinnahmen brach.»
Wann eine Erbschaft versteuert werden muss
Normalerweise müssen direkte Nachkommen im Kanton Luzern keine Erbschaftssteuern abliefern. Die Gemeinden können allerdings in Eigenregie eine solche Steuer erheben, was derzeit knapp die Hälfte tut (siehe Karte oben). Dabei fliessen – je nach Progression – ein bis zwei Prozent des Vermögens, das an die Nachkommen geht, in die Gemeindekasse. Das gilt allerdings nur, wenn mehr als 100’000 Franken vererbt wird. Alle Beiträge darunter sind steuerbefreit.
Die Nachkommens-Erbschaftssteuer ist nicht zu verwechseln mit der kantonalen Erbschaftssteuer. Diese wird fällig, wenn zum Beispiel ein Bruder, die Nichte oder ein Freund der Verstorbenen etwas erbt, und beträgt je nach Verwandtschaftsgrad und Höhe des geerbten Betrages bis zu 40 Prozent. Dieses Geld ging bis Ende 2019 je hälftig an Kanton und Gemeinde. Mit der Aufgaben- und Finanzreform 18 zieht der Kanton neu 70 Prozent davon ein, die jeweilige Gemeinde 30 Prozent.
In den letzten zehn Jahren nahm die Stadt Luzern jeweils zwischen 6 und 16 Millionen Franken an Erbschaftssteuern ein. Der Betrag setzt sich aus dem Anteil an den kantonalen Erbschaftssteuern und den gemeindeeigenen Nachkommens-Erbschaftssteuern zusammen: