Fordert eigenständige Sanktionen für Russland: Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt aus Zug. (Bild: Andreas Busslinger)
Die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt will, dass der Bundesrat die Flüssiggasexporte aus Russland mit eigenständigen Sanktionen verhindert. Warum? Eine Spurensuche.
Es blieb bisher etwas unter dem Radar: Im März hat die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt (Grüne) einen Vorstoss eingereicht, der brisant ist. In diesem fordert sie vom Bundesrat, dass er eigenständige Sanktionen gegen Russland ergreifen soll (zentralplus berichtete).
«Eigenständig» bedeutet: Unabhängig von den Massnahmen, welche die EU vorsieht. Weichelt schreibt dazu in ihrer Interpellation, dies sei nötig, damit die Schweiz nicht jährlich Milliardeneinnahmen aus Flüssiggas für Putins Kriegskasse ermögliche. Doch warum platziert die Zugerin einen solchen Vorstoss? Der Grund findet sich im Kanton selbst.
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Was man in Zug zum Vorwurf sagt, Putin in die Karten zu spielen
Wie der Bund zur Flüssiggasproblematik steht
Derzeit könne Russland den starken Rückgang von gasförmigen Pipelineexporten teilweise mit einem Wachstum von Flüssiggas (LNG) kompensieren, argumentiert Weichelt. Dies habe mit der Tatsache zu tun, dass das LNG von der EU und der Schweiz nicht sanktioniert werde. «Damit kann der weitaus wichtigste LNG-Konzern Russlands, die Novatek, Putins Krieg gegen die Ukraine jährlich mit Abermilliarden unterstützen.»
Wegen Novatek nun Notrecht?
Die Novatek habe allein 2024 acht Milliarden Dollars nach Russland und damit in Putins Kriegskasse geleitet, schreibt Nationalrätin Weichelt weiter. Der Bundesrat solle sich nun auf Artikel 184 Abs. 3 der Bundesverfassung abstützen, um auch in Sachen Sanktionen eigenständig handeln zu können.
Damit fordert Nationalrätin Weichelt, dass der Bundesrat mittels Notrecht agiert. Die erwähnte Verfassungsbestimmung sieht nämlich vor, dass der Bundesrat in seinen Beziehungen zum Ausland Notrecht einsetzen darf, wenn dies zeitlich und sachlich nötig ist.
Die Novatek GmbH vom Zuger Bundesplatz
Rückblende: Ende Februar demonstrierten auf dem Zuger Bundesplatz die Alternativ-Grünen (ALG) von Zug. Rund 100 Personen nahmen an einer Mahnwache teil. Der Vorwurf: Der LNG-Konzern Novatek füttere mit seinen Flüssiggasexporten die Kriegskasse von Putins Krieg gegen die Ukraine.
So würden Milliarden von Franken aus Westeuropa nach Russland fliessen, schrieb Luzian Franzini, Copräsident der ALG, auf der Website seiner Partei. Die Importe von russischem Flüssigerdgas nach Europa hätten im Jahre 2024 ein Rekordniveau erreicht. Dies habe mit der Abhängigkeit von russischem Erdgas, aber auch mit Geschäftsinteressen westlicher Konzerne zu tun. So sei das französische Unternehmen Total Energies geschäftlich mit der Novatek verbandelt.
Der Ort für die Demo, der Bundesplatz in Zug, war nicht zufällig gewählt worden. Auf der anderen Strassenseite, am Bundesplatz 7 und 9, hat nämlich die angesprochene Firma Novatek ihren Zuger Sitz.
Die Firma Novatek GmbH ist eine Rohstofffirma, die sich vornehmlich auf das Geschäft mit Flüssiggas (LNG: Liquefied Natural Gas) verlegt hat. Wie SRF anfangs Jahr berichtete, läuft ein Teil des für Europa vorgesehenen Vertriebs von LNG über diesen Zuger Standort. Von der Novatek war auf Anfrage keine Stellungnahme zu den Darstellungen im erwähnten SRF-Bericht erhältlich.
Zuger Finanzdirektor: «Der Vorwurf ist völlig unbegründet»
Die «Rundschau» von SRF fragte im Januar den Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP), was er zum Vorwurf sage, dass Zug den Ukrainekrieg mitfinanziere. Tännler antwortete, der Vorwurf sei «völlig unbegründet».
So zu tun, als sei Zug verantwortlich für die Kriegsquerelen in der Ukraine, sei nicht korrekt und nicht anständig. «Deshalb finde ich den Vorwurf, dass wir irgendwie Blut an den Händen hätten, total verfehlt.» Auf Nachfrage hin ergänzt der Zuger Finanzdirektor nun: «Mir sind keine Gesetzesverstösse durch die Novatek GmbH bekannt.»
Sollte ein begründeter Verdacht vorliegen, so kämen wie bei jeder anderen Unternehmung die einschlägigen Rechtsnormen und Verfahren zur Anwendung. «Das Gute an unserem Rechtsstaat ist, dass unsere Gesetze für alle gleichermassen gelten», so Tännler.
Franzini ortet riesige Sanktionslücke bei Flüssiggas
Der Copräsident der Zuger Alternativen-Grünen, Luzian Franzini, sagte hingegen im Januar dieses Jahres gegenüber der SRF-«Rundschau»: «Zug hat eine Mitverantwortung am Ukrainekrieg. Wir sind einer der grössten Rohstoffhandelsplätze für Putin. Mit Flüssiggas wird die Kriegskasse gefüllt.»
Die Situation im Kanton sei unhaltbar. Franzini schreibt auf Nachfrage aber auch: «Die Novatek hält sich meines Erachtens an die geltenden Gesetze.» Oliver Classen von Public Eye ergänzt, dass der Besitzer von Novatek, Leonid Mikhelson, in der EU – und damit auch in der Schweiz – (noch) keinen Sanktionen unterliege. «Folglich sehen wir hier auch keine Gesetzesverletzung.»
Gemäss Luzian Franzini besteht die Problematik darin, dass im Bereich Flüssiggas eine riesige Sanktionslücke vorhanden ist. «Ziel muss es deshalb sein, dass die Eidgenossenschaft Flüssiggas auch unilateral sanktionieren kann.»
Der Bund sieht keinen Handlungsbedarf
Zumindest in Bezug auf die Flüssiggasproblematik scheint der Bund keine eigenständigen Massnahmen ergreifen zu wollen. Françoise Tschanz, Mediensprecherin des Seco, erklärt auf Anfrage, der Bundesrat habe auch im Bereich Flüssiggas diverse Massnahmen getroffen. So sei es beispielsweise verboten, in entsprechende Infrastrukturprojekte zu investieren. «Vor diesem Hintergrund sieht die Schweiz in Bezug auf russisches Flüssigerdgas keinen Anlass, im Alleingang Massnahmen zu erlassen.»
Die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt will das so nicht hinnehmen. Anlässlich der Demo von Ende Februar sagte sie: «Damit die Schweiz und insbesondere Zug nicht jährlich Milliarden aus Flüssiggas in Putins Kriegskasse stecken, muss die Schweiz eigenständige Sanktionen ergreifen. Das kann sie.»
Die katastrophalen Folgen von Putins Krieg für die Ukraine würden einen solchen Schritt rechtfertigen. «Wann soll der Bundesrat seine Kompetenzen nützen, wenn nicht jetzt?», fragte die Zuger Grünen-Politikerin in ihrer Rede weiter. «Wir Alternativen-Grünen kämpfen seit 25 Jahren gegen die Fütterung von Putins Kriegen. Damals ging es um den Tschetschenienkrieg, heute um den Ukrainekrieg.»
Wie viele «Zuger»-Vermögenswerte gesperrt wurden, bleibt offen
Anfangs April teilte das Seco teilte mit, dass der Wert der gesperrten Vermögenswerte gegen Russland per Ende März 2025 rund 7,4 Milliarden Schweizer Franken betrage. Luzian Franzini von der Zuger ALG geht aber davon aus, dass sich die entsprechenden Oligarchenvermögen in der Schweiz gar auf rund 200 Milliarden Franken belaufen. Franzini kritisiert gleichzeitig auch den Kanton Zug. Er geht davon aus, dass man hier einfach die kantonalen Register mit den Sanktionslisten vergleiche. «Weitere konkrete Nachforschungen werden meines Wissens nicht unternommen, was sicherlich zu wenig ist.»
Auf kantonaler Ebene mache das Seco keine systematischen Auswertungen zu den gesperrten Vermögenswerten, wie das Seco auf Anfrage von zentralplus schreibt. Es bestünden seitens der Kantone aber bestimmte Meldepflichten, beispielsweise für die Grundbuchämter oder die Steuerbehörden.
Andreas Conne, Generalsekretär der Zuger Volkswirtschaftsdirektion, bestätigt auf Anfrage, dass auch die Kantone gewisse Pflichten treffen. So etwa erstatte die Steuerverwaltung dem Seco Meldung, wenn sie in Abstimmung mit den regelmässig veröffentlichten Sanktionslisten Kenntnis von Personen oder Gesellschaften erhalte, die unter die Sperrung der Ukraineverordnung fallen. Die betroffenen Ämter würden dann allfällige Treffer dem Seco melden. «Es ist am Seco, zu entscheiden, ob Verstösse gegen die Sanktionslisten vorliegen oder nicht.»
Fazit: In welcher Höhe in Zug bisher entsprechende Vermögenswerte gesperrt wurden, lässt sich nicht in Erfahrung bringen.
Ja, Notrecht ist so recht das, was Grünen und Trotzkisten seit jeher am Herzen liegt: Klimanotrecht, Coronanotrecht, Putinnotrecht, Enteignungsnotrecht.
Ach ja, vor 25 Jahren: Damals beendete Putin den von Jelzin begonnenen zweiten Tschetschenienkrieg. Marie-Françoise kann sich gar nicht mehr erinnern, dass „Wir Alternativen-Grünen“ damals dagegen „kämpften“. Aber irgend einen Grund werden Sie schon aus dem riesigen Fundus gesinnungsethisch hochkorrekten und plakatierbaren Gutdenkens aktiviert haben.
Daniel Brunner, 23.04.2025, 21:05 Uhr
Neckisch, der/die anonyme Arouet aka Voltaire (1694-1778).
Für die Recherche betr. Zuger Politik "vor 25 Jahren" empfehle ich die Zuger Dokumentation in der Bibliothek Zug, dito betreffend Notrechtsforderungen und -erlasse daselbst und schweizweit. Macht belegte Resultate und insinuationsfreie Aussagen möglich – ganz ironiefrei