Politik
In Luzern wohl bald legal

Politische Parolen an der Fassade: Kehrtwende beim Plakatstreit

Die Luzerner Regierung will gewisse Einschränkungen für politische Plakate aufheben. (Bild: bic)

Die Luzerner Regierung will die Reklameverordnung anpassen. Noch vor einem Jahr intervenierte die Polizei bei Landwirten, die Plakate und Fahnen mit politischem Inhalt zu früh aufgestellt hatten.

Darf man auf seinem Balkon ein Plakat aufhängen, das ein politisches Geschäft thematisiert, über das die Bevölkerung erst in mehreren Monaten abstimmt? Um diese Frage geht es in einem Postulat, das die Luzerner SVP-Kantonsrätin Vroni Thalmann-Bieri im September vergangenen Jahres einreichte. Immer wieder waren im Kanton Luzern zuvor Plakate etwa über die Konzernverantwortungsinitiative oder die Massentierhaltungsinitiative an Hausfassaden zu sehen gewesen – obwohl der Abstimmungstermin noch mehrere Monate entfernt war.

Streng genommen sind solche Plakate und Fahnen mit politischem Inhalt, über den nicht in den nächsten sechs Wochen abgestimmt wird, im Kanton Luzern nur mit einer Bewilligung zulässig. Doch wer beantragt schon eine Bewilligung für eine politische Fahne, die er auf dem Balkon hängen hat?

Ungläubigkeit beim Bauernverband

Genau das war der Luzerner Polizei vor einem Jahr ein Dorn im Auge. Sie mahnte gemäss der «Bauernzeitung» mehrere Landwirte im Kanton ab, die Fahnen gegen die Massentierhaltungsinitiative aufgehängt hatten. Die Ordnungshüter teilten ihnen mit, das sei illegal und forderten sie auf, die Fahnen zu entfernen (zentralplus berichtete). Der Luzerner Bauernverband verstand die Welt nicht mehr: «Bisher war das im Kanton Luzern kein Thema. Dementsprechend waren wir vom Bauernverband sehr irritiert, als uns ein Bauer von den Aufforderungen der Polizei erzählt hat», sagte Vorstandsmitglied Hella Schnider damals gegenüber zentralplus.

«Die heutige Ausgestaltung der Reklameverordnung wird diesen veränderten und wichtigen Bedürfnissen nicht mehr gerecht.»

Luzerner Regierungsrat in seiner Antwort zum Vorstoss

Polizeisprecher Christian Bertschi erklärte daraufhin der «Luzerner Zeitung»: «Wir intervenieren insbesondere dort, wo Fahnen und Plakate die Verkehrssicherheit gefährden könnten.» Das könne der Fall sein, wenn ein Plakat an einer Kreuzung zu sehen sei und dieses möglicherweise die Verkehrsteilnehmer ablenke. Die Polizei argumentierte mit der kantonalen Reklameverordnung und der nationalen Signalisationsverordnung.

«Reklameverordnung wird veränderten Bedürfnissen nicht mehr gerecht»

Nun hat sich die Luzerner Regierung aufgrund des Vorstosses von Vroni Thalmann-Bieri, der auch von anderen bürgerlichen sowie von linken Politikern unterzeichnet wurde, des Themas angenommen. Das Postulat hat zum Ziel, solche «politische Meinungsäusserungen» zu tolerieren, sofern sie eine festgelegte Grösse nicht überschreiten.

Die Abstimmungstermine sollen dafür nicht mehr massgebend sein. Denn: «Gewisse Abstimmungs­kampagnen beginnen heute bereits bei der Lancierung einer Initiative oder eines Referendums. Also zu einem Zeitpunkt, bei dem noch gar kein Abstimmungstermin besteht», argumentiert die SVP-Politikerin. Die Regierung solle prüfen, wie sie die Reklameverordnung der politischen Praxis anpassen könne, wobei auch die Polizei von «unnötigen Kontrollen und Anzeigen entlastet» würde.

Der Regierungsrat schreibt in seiner am Dienstag veröffentlichten Antwort: «Die heutige Ausgestaltung der Reklameverordnung wird diesen veränderten und wichtigen Bedürfnissen nicht mehr gerecht.» Er erachte die geforderte Anpassung als gerechtfertigt. Die heute geltende Regelung sei «eigentlich kaum durchsetzbar», eine strikte Durchsetzung würde sich nicht als sinnvoll erweisen.

Plakate künftig wohl ohne Bewilligung zugelassen

Das lässt sich auch aus der Antwort von Polizeisprecher Christian Bertschi herauslesen. Er antwortete vor einem Jahr auf die Frage von zentralplus, weshalb beispielsweise die vielen Fahnen auf den Balkonen in der Stadt Luzern kein Thema seien: «Aus polizeilicher Sicht ist es so, dass es unverhältnismässig wäre, wenn wir bei jeder Fahne ausrücken würden. Dazu fehlen uns schlicht die personellen Ressourcen.»

Die Luzerner Regierung schreibt in ihrer Antwort weiter: «Die Demokratie hat in der Schweiz und im Kanton Luzern höchsten Stellenwert.» Die freie politische Meinungsäusserung sei Ausdruck davon. Die Reklameverordnung soll gemäss der Regierung künftig festlegen, dass Fahnen und Plakate mit politischen Aussagen auf privatem Grund bis zu einer noch festzulegenden Grösse bewilligungsfrei zugelassen sind. Auch solche, welche noch keinen bestimmten Bezug zu einem Politgeschäft aufweisen.

Davon ausgenommen sein sollen Plakate und Fahnen, welche die Verkehrssicherheit tangieren, und solche, die das Orts- und Landschaftsbild, Kultur- und Naturdenkmäler sowie Aussichtspunkte einschränken. Dieser Schutz, welcher den Gemeinden überlassen werde, diene diesen als «Korrektiv» für den Fall, dass ein «Wildwuchs» im Ort oder auf dem Land entstehe. Plakatstellen auf öffentlichem Grund und auf freiem Feld sollen laut der Regierung weiterhin reguliert werden. Das forderte auch die Postulantin in ihrem Vorstoss.

Die Chancen stehen also gut, dass Fahnen und Plakate mit politischem Inhalt, die deutlich vor dem Abstimmungstermin aufgestellt werden, im Kanton Luzern schon bald keine Bewilligung mehr brauchen. Als Nächstes befindet der Luzerner Kantonsrat über das Postulat, der Regierungsrat beantragt diesem, das Postulat erheblich zu erklären.

Verwendete Quellen
  • Reklameverordnung des Kantons Luzern
  • Postulat von Vroni Thalmann-Bieri, Kantonsrätin SVP Luzern
  • Vorstossantwort der Luzerner Regierung
  • Artikel in der «Bauernzeitung»
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
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