Podcasts der Stadt Zug: Statt eine Innovation sind sie der totale Reinfall
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Sie sind oft banal, werden kaum angehört, aber kosten eine Menge Geld: Die Hörbeiträge, welche dem abtretenden Zuger Stadtpräsidenten Karl Kobelt den jüngsten Denkzettel im Parlament einbrachten. Alles andere als der Abbruch der Kommunikationsübung wäre eine Überraschung.
Der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt (FDP) tritt nicht für eine weitere Amtszeit an (zentralplus berichtete). Nach nur vier Jahren als Stapi scheidet er aus der Stadtregierung aus. Gewiss, Kobelt ist bereits 62 Jahre als und hat zuvor sechs Jahre als Finanzvorsteher geamtet.
Doch musste er als Stapi im Stadtparlament teils heftige Prügel einstecken, was seiner Lust auf eine weitere Amtszeit wohl abträglich war. Nach der Affäre um die Kulturstelle schlitterte er mit der Stadtregierung vor Jahresfrist knapp an einer Niederlage vorbei, als es um die Verteilung der Coronagutscheine an die Einwohner ging. Mit äusserster Mühe konnte der Stadtrat die Gemeinderäte davon überzeugen, dass die Konsumgutscheine nur bei Mitgliedern der Detaillistenvereinigung Pro Zug eingelöst werden konnten (zentralplus berichtete).
Neue Kommunikationsmassnahme
Kobelt nahm dazu mitten in der Parlamentssitzung «ein Timeout». Im Hinterzimmer verabredete er mit den anderen Stadträten spontane Zugeständnisse an die Kritiker der Idee, um Pro Zug im Rennen zu halten.
Die letzte Ohrfeige musste Kobelt Anfang Juni hinnehmen. Es ging um einen Vorgang in seinem Departement, eigentlich ein Detail. Die Stadt Zug lässt nämlich seit Kurzem bei einem Marketingunternehmen Podcasts produzieren. Man könnte das Pilotprojekt namens «BeZug» als hörbare Erweiterung zum bestehenden Stadtmagazin bezeichnen. Dort werden Geschichten über Zug, seine Bewohner und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung erzählt.
Grosses Brimborium
Die Einführung des Stadtmagazins 2012 war bereits auf Widerstand der Rechtsbürgerlichen gestossen. Die Herausgabe eines eigenen Hefts sei keine Staatsaufgabe, hiess es damals. Ebenso verhalte es sich mit den Podcasts, kritisierte im Februar die SVP in einer Interpellation zur «Ausdehnung städtischer Kommunikationsaktivitäten». Angesichts der dadurch losgetretenen Grundsatzdebatte ging fast unter, dass sich die Stadtregierung mit den Podcasts ein weitgehend nutzloses Luxusprodukt andrehen liess – das zum Flop wird.
Rund 32'000 Franken werden die vier 20-minütigen Hörbeiträge des Pilotprojekts die Zuger Steuerzahler kosten. Für Podcasts sei das «zu teuer» sagen Gewährsleute, die im selben Geschäft sind. Indes sind die Ansätze, welche die Marketingagentur Tincan der Stadt verrechnet, keineswegs überrissen. Sie sind branchenüblich und fair.
Der hohe Gesamtpreis erklärt sich durch das reiche Begleitprogramm für die Podcasts. So wurde eine eigene Homepage für die «towncasts» gebastelt und ein Forum eingerichtet, das natürlich betreut und koordiniert werden will. Für das Pilotprojekt wurde ein eigenes Coverbild geschaffen, dessen Design mit 1500 Franken zu Buche schlägt. Ausserdem hat Tincan für die Hörbeiträge einen eigenen Jingle geschaffen – in Zusammenarbeit mit der Musikschule der Stadt Zug.
News: Im Winter liegt Schnee
Die Podcasts bleiben von der Öffentlichkeit so gut wie unbeachtet. Gerade 227-mal wurden die beiden ersten Folgen bis Mai angehört, rapportierte die Stadtregierung in der Interpellationsantwort. Das mag damit zusammenhängen, dass ihre Existenz kaum bekannt ist. Sicher aber liegt es auch an einem inhaltlichen Problem: Die Beiträge sind zum Teil unglaublich banal. In der ersten Folge etwa wurde thematisiert, dass im Zuger Strandbad Schnee liegt.
«Es interessiert 7,6 Promille der Einwohner von Zug, das ist quasi niemand.»
Christoph Iten (Die Mitte)
Angesichts des Kosten-Nutzen-Verhältnisses stellt sich die Frage, ob es sich bei der Kommunikationsmassnahme der Stadt Zug nicht eher um eine Fördermassnahme für die Marketingagentur Tincan handelt. Immerhin war diese mit der Idee zu den Podcasts an die Stadt herangetreten und hatte bereits Vorarbeiten geleistet. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass man das Projekt nicht ausgeschrieben habe oder mehrere Kostenvoranschläge einholte, ist vonseiten der Stadt Zug zu erfahren.
Format der Radiosendung
Im Zuger Stadtparlament wurde das Projekt gnadenlos seziert. «Was kostet einmal Podcast abspielen?», fragte Christoph Iten, Fraktionschef von Die Mitte. «Ich habe 95,15 Franken berechnet.» Damit könne man auch acht Monate lang netflixen oder 77 Stunden im Parkhaus Casino parkieren, kritisierte er die hohen Gestehungskosten pro Hörer. Es würden nur 7,6 Promille der Einwohner von Zug erreicht – «das ist quasi niemand», so Iten.
Die FDP-Abgeordneten stellten sich hinter ihren Stapi und die Stadtregierung, welche die Podcasts als Innovation in ihrer Kommunikation darstellen. «Podcasts gibt’s seit 2005 auf Deutsch», ätzte darauf David Meyer von der GLP. Das Format eines Podcasts sei eine Radiosendung. «Eine Radiosendung gibt es seit den 1930er-Jahren», so der Grünliberale.
Abfall und Kinderfreundlichkeit
Die Ratslinke hörte der Diskussion teilnahmslos zu und folgte zu grossen Teilen auch nicht dem Antrag der SVP, die Interpellationsantwort des Stadtrats ablehnend zur Kenntnis zu nehmen. Dennoch lehnten am Schluss 17 Gemeinderäte die Erklärungen der Stadtregierung ab. Nur 17 waren damit zufrieden – was ein Misstrauensbeweis für Kobelt und den Stadtrat darstellt.
Vergangene Woche nun ist die dritte Folge des «Towncasts» erschienen. In der recht aufwendig produzierten Sendung referiert Stadtrat Urs Raschle (Die Mitte) über das Littering-Problem in Zug. Seine Stimme klingt blechern, als würde er aus einem U-Boot zugeschaltet. Weiter erfahren die geneigten Hörer, dass Zug seinen Kehricht in einer Kehrichtverbrennungsanlage verbrennen lässt. Und schliesslich gibt’s noch einen Nachhaltigkeits-Poetryslam eines Zuger Slammers.
Ende Sommer werden Interessierte mit einem weiteren Podcast unterrichtet, wie kinderfreundlich die Stadt Zug ist. Dann ist wohl Schluss mit dem Pilotprojekt, wie Äusserungen von Stadträten in den sozialen Medien vermuten lassen.
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