Politik
Öffentlichkeitsprinzip «eine lästige Pflicht»

Wie gläsern soll die Luzerner Verwaltung sein?

Interessierte können künftig die Dokumente einsehen, auf denen Entscheide der Regierung basieren. (Bild: zvg)

Als einer der letzten Kantone führt der Kanton Luzern das Öffentlichkeitsprinzip ein. Zum «Wie» hat er eine Vernehmlassung durchgeführt. Transparenzbefürworter kritisieren den Entwurf stark.

Es werde Licht: Als einer der letzten Kantone erarbeitet nun auch der Kanton Luzern ein Öffentlichkeitsgesetz (zentralplus berichtete). In der Bundesverwaltung gilt das Öffentlichkeitsprinzip bereits seit 2006. Es steht für einen Paradigmenwechsel: Nicht mehr der Bürger oder die Journalistin muss ein schutzwürdiges Interesse nachweisen. Sondern die Behörde muss begründen, warum sie die Einsicht in ein Dokument verweigert.

Damit erhalten Interessierte Einsicht in alle Dokumente der Verwaltung, die nicht ausdrücklich geheim sind. Beispielsweise die Agenda der Regierung, Dokumente zu Entscheiden in der Corona-Politik oder die Machbarkeitsstudie eines Grossprojekts. Nur Nidwalden hat nebst Luzern noch kein entsprechendes Gesetz in Kraft, ein Entwurf befindet sich aber in der internen Vernehmlassung. Die Vernehmlassung für das Luzerner Pendant endet diesen Freitag. So viel vorab: Keine der grossen Parteien stellt sich gegen das Öffentlichkeitsprinzip.

Uneins sind sie sich darüber, wie gläsern die Verwaltung künftig werden soll.

Zugang auch zu Daten von Luks und Co.?

Ein Streitpunkt unter den Parteien ist, wer oder was alles den künftigen Regeln unterstellt werden soll. So sind die Mitte und die FDP mit den Vorschlägen der Regierung einverstanden. Die anderen Parteien verlangen hingegen, dass auch halbstaatliche und private Unternehmen Auskunft geben müssen, die kantonale Aufgaben übernehmen. So beispielsweise das Luzerner Kantonsspital oder die Psychiatrie.

«Eine Ausnahme des Öffentlichkeitsprinzips für selbstständige Organisationen, welche hoheitliche Aufgaben ausüben, könnte die Regierung zudem dazu verleiten, externe Organisationseinheiten zu erschaffen, um das Öffentlichkeitsprinzip zu umgehen», schreiben etwa die Grünliberalen. SP, Grüne und SVP wollen zudem, dass auch die Finanzkontrolle in begrenztem Umfang transparenter werde.

Uneinig sind sich die Parteien über die Rolle der Gemeinden: Die Regierung räumt den Kommunen das Recht ein, eigene Regelungen zu schaffen, sonst gelten sinngemäss die kantonalen Regeln. Die Freisinnigen stellen sich vehement dagegen: «Die Frage der Gemeindeautonomie ist ein wichtiges Prinzip in unserem föderalen System, und wir finden es zwingend und wichtig, dass die Gemeinden über ihre eigenen Regeln und Vorschriften entscheiden können.»

Die Mitte findet, dass die Gemeinden das Öffentlichkeitsprinzip frühestens per 2028 einführen müssen, damit diese ihre Regeln basierend auf der Erfahrung des Kantons erstellen können. SP und Grüne finden hingegen, das kantonale Reglement gelte als Mindeststandard. Möchten die Gemeinden eigene Vorschriften erlassen, dürfen diese nicht restriktiver als diejenigen des Kantons sein.

Soll Transparenz etwas kosten?

Bei der Frage um die Kosten haben die Parteien das Heu ebenfalls nicht auf derselben Bühne. Die SVP ist beispielsweise der Meinung, dass Gesuche in jedem Fall etwas kosten müssen. «Kostenfrei ist nicht sinnvoll und Vollkosten wirken zu selektiv.» Die FDP, Mitte und GLP finden Gebühren ebenfalls sinnvoll, betonen aber die Wichtigkeit einer sorgfältig ausgearbeiteten Gebührenordnung.

«Diese Kann-Formulierungen sind ein Freipass für die Verwaltung, sehr viel zurückzuhalten.»

Martin Stoll, Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch, kritisiert die Ausnahmeregeln des Entwurfs

SP und Grüne sind hingegen grundsätzlich gegen die Gebühren. «Die Erhebung von Gebühren widerspricht aus Sicht der SP dem Grundgedanken des Öffentlichkeitsprinzips», schreiben dazu die Sozialdemokraten. Gebühren rechtfertigen sich erst ab einem Arbeitsaufwand von acht Stunden, analog den Regeln des Bundes, so die SP.

SVP fordert Auskunftspflicht nur für Schweizer

Neben den allseits diskutierten Themen gingen die Parteien auch auf Einzelpunkte ein. Die SVP fordert etwa, dass nur volljährige Schweizer Bürger Gesuche stellen dürfen. Auch ausländische Medien oder Organisationen müssten demnach eine Person bezeichnen, die den Kriterien entspreche. Damit sollen «unnötige Gesuche» verhindert werden.

Die SP und Grünen verlangen in ihren Vernehmlassungsantworten, dass auch Entscheide und Dokumente vor Einführung des Öffentlichkeitsgesetzes einsehbar werden. «Diese Bestimmung für das Öffentlichkeitsprinzip ist zu restriktiv, es schliesst damit faktisch alle bestehenden Behördendaten aus. Damit würde das Öffentlichkeitsprinzip auf Jahrzehnte hinaus ein Papiertiger», kritisieren die Grünen den Vorschlag der Regierung.

Weiter verlangen die beiden linken Parteien, dass der Kanton einen Beauftragten oder eine entsprechende Stelle mit der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips betraue. Und dass der Kanton eine niederschwellige Schlichtungs- oder Anfechtungsbehörde schaffe, um die Verfahrenshürden zu senken und das Verwaltungsgericht zu entlasten.

Transparenzverein kritisiert Luzerner Variante scharf

Kaum ein Verein kennt sich wohl besser mit dem Öffentlichkeitsprinzip aus als der Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch. Auch er hat sich im Rahmen der Vernehmlassung dazu geäussert – und zwar äusserst kritisch.

«Die Luzerner Regierung will das Öffentlichkeitsprinzip nur sehr zurückhaltend und ängstlich umsetzen. Sie empfindet das wohl als lästige Pflicht und sieht die Chancen darin nicht», sagt Geschäftsführer Martin Stoll auf Anfrage. Das zeige sich bereits in der Form: Während andere Kantone eigene Gesetze erlassen oder die Transparenzregeln in der Verfassung verankern, schreibt die Regierung einige Absätze ins Verwaltungsgesetz.

Martin Stoll, Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch, findet, die Luzerner Regierung müsse beim Entwurf nachbessern. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Dabei habe Transparenz durchaus positive Seiten für die Behörden. Mit dem Öffentlichkeitsgesetz könne der Kanton beispielsweise dem Vertrauensverlust in die Verwaltung begegnen. Mit dem jetzigen Entwurf gelinge dies kaum. Dieser gebe der Verwaltung viele Möglichkeiten, sich auch in Zukunft zu verstecken.

Fehlende Fristen und Dunkelkammern

Kritisch sieht Stoll unter anderem, dass die Regierung keine Frist für die Beantwortung der Gesuche definiert. «Fristen braucht es, um das ernsthafte Engagement gegenüber den Anliegen der Bürgerinnen und Bürgern aufzuzeigen», ist Stoll überzeugt. Usus sei eine Frist von 20 bis 30 Tagen. Bei Medienschaffenden allenfalls noch schneller, wie es auch Kantone wie etwa Fribourg festhalten. Fehlende Fristen hingegen seien vor allem eine Möglichkeit, den Sinn des Gesetzes auszuhebeln. «So können die Behörden ein Thema aussitzen und so lange zuwarten, bis es nicht mehr relevant ist.»

Weiter findet Stoll, die Regierung stecke den Bereich, in dem das Öffentlichkeitsprinzip angewendet werden soll, zu eng. Aufgaben des Kantons übernehmen inzwischen auch halbstaatliche oder private Firmen. Typisches Beispiel sind Spitäler, Energieversorger, Spitexorganisationen oder auch Sicherheitsdienste, die Asylzentren überwachen. Sind diese nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt, verkommen Aufgabenbereiche des Kantons zur Blackbox.

Auch, dass die Gemeinden ihre eigenen Transparenzregeln aufstellen können, beurteilt Stoll kritisch. «So könnten grundsätzlich zwar auch transparenzfreundlichere Regeln entstehen – das ist aber in der Regel nicht so.»

Stoll befürchtet Rechtsstreitigkeiten

Nebst fehlenden Fristen und Bereichen kritisiert Stoll auch konkrete Formulierungen im vorgeschlagenen Gesetzestext. Viele Ausnahmeregelungen formuliert die Luzerner Regierung mit «kann». «Diese Kann-Formulierungen sind ein Freipass für die Verwaltung, sehr viel zurückzuhalten.» Es müsste beispielsweise nur die geringste Möglichkeit bestehen, dass die öffentliche Sicherheit tangiert würde – schon kann die Verwaltung das Gesuch ablehnen. Ungeschönt hält er darum fest: «Das ist transparenzfeindlich.»

Stoll sagt: «In der vorliegenden Fassung liest sich das Gesetz wie die Erledigung einer Strafaufgabe.» Das sich als noch viel härtere Strafe entpuppen könnte. Er vermutet, dass langwierige Rechtsstreitigkeiten auf die Luzerner Verwaltung zukommen. Im Gesetz würden der Verwaltung sehr breite Möglichkeiten eingeräumt, Informationen zurückzuhalten. Das Recht auf Auskunft und Information jedoch ist ein Recht – das Interessierte dann halt über den Rechtsweg einfordern müssen.

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