Der Regierungsrat hat am Abstimmungssonntag die Abstimmung zur Transparenz-Initiative und dem Gegenvorschlag aufgrund von Unregelmässigkeiten bei der Auszählung durch die gemeindlichen Abstimmungsbüros für ungültig erklärt. Die Gründe, die zu diesem gewichtigen Entscheid geführt haben, legt er nun im Detail dar.
Der Zuger Regierungsrat hat im Vorfeld der Abstimmung vom 9. Juni zur Verfassungsinitiative für ein sicheres, direktes und durchgehendes Veloverkehrsnetz im Kanton Zug und zur Verfassungsinitiative für die Offenlegung der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative) im April dieses Jahres einer Neugestaltung der Stimmzettelbögen zugestimmt. Dies auf Wunsch der zwei grössten Zuger Einwohnergemeinden.
«Die Gemeinden hatten den Kanton darum gebeten, zwischen den einzelnen Fragen Perforierungen vorzunehmen, da dies für sie zu einer einfacheren Handhabung bei der Auszählung führen würde», erklärt die Regierung am Mittwoch in einer Medienmitteilung. «Dies insbesondere in Bezug auf die Abstimmung zur Transparenz-Initiative, deren Gegenvorschlag und der Stichfrage. Die beiden Einwohnergemeinden begründeten ihr Anliegen damit, dass ohne entsprechende Perforierungen der Aufwand am Abstimmungssonntag kaum bewältigbar sei und die Auszählungen entsprechend länger dauern würden.»
Gemeinden wollten eigentlich einfachere Handhabung
Nach Prüfung des Anliegens der Gemeinden habe der Kanton eine Neugestaltung des Stimmzettelbogens veranlasst: Die von den Gemeinden gewünschten Perforierungen wurden angebracht. Gleichzeitig sei die farbliche Gestaltung so angepasst worden, dass erkennbar gewesen sei, dass es sich um zwei verschiedene Vorlagen handelt.
Zudem sei auf dem Stimmzettelbogen der Hinweis angebracht worden, dass die einzelnen Stimmzettel nicht voneinander zu trennen seien. Auch dies erfolgte auf Wunsch der Gemeinden. «Schliesslich sollte die Trennung im Hinblick auf die für die Gemeinden einfachere Handhabung in den Abstimmungsbüros durch die Stimmenzählenden erfolgen.
Gegen diesen den Stimmberechtigten zugestellten Stimmzettel wurde keine Stimmrechtsbeschwerde erhoben», so die Regierung.
Kanton instruierte Gemeinden schriftlich instruiert
Um sicherzustellen, dass sowohl für die Stimmbevölkerung wie auch für die gemeindlichen Stimmbüros klar sei, wie korrekt abgestimmt beziehungsweise ausgezählt wird, hätten die zuständigen kantonalen Behörden, also das kantonale Stimmbüro und die Wahl- und Abstimmungsaufsicht, entsprechende Instruktionen erteilt.
«Einerseits wurde mit den Abstimmungsunterlagen ein Beiblatt an die Zuger Haushalte verschickt. Die Stimmbevölkerung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass sämtliche Stimmzettel in das grüne Stimmzettelcouvert eingelegt werden müssen und dass die Stimmzettel nicht voneinander abgetrennt werden sollten.»
Andererseits sei den Einwohnergemeinden ein Schreiben in Bezug auf die Beurteilung der Gültigkeit von Stimmzetteln beim Urnengang vom 9. Juni sowie eine Information zur Erfassung der Stimmzettel der Variantenabstimmung zugestellt worden.
Der Kanton habe darauf hingewiesen, dass die Teilstimmzettel zur Vorlage betreffend Transparenz-Initiative und Gegenvorschlag zusammen in rechtlicher Hinsicht aufgrund von Vorgaben des kantonalen Wahl- und Abstimmungsgesetzes einen Stimmzettel bilden. «Er hat darauf hingewiesen, dass ein Fehlen eines oder zweier Teilstimmzettel zur Ungültigkeit des ganzen Stimmzettels beziehungsweise zur Ungültigkeit der gesamten Stimmabgabe in Bezug auf jene Vorlage führen würde und diese Stimmabgaben somit nicht berücksichtigt würden», schreibt die Exekutive.
Nur vier Gemeinden zählten «richtig» aus
Am Abstimmungssonntag habe das kantonale Stimmbüro bereits vor Vorliegen des Abstimmungsresultats gemerkt, dass die Instruktionen der kantonalen Behörden von einigen Einwohnergemeinden nicht korrekt umgesetzt worden seien. Nach der Auszählung und Meldung der Ergebnisse der Einwohnergemeinden an den Kanton habe festgestanden, dass vier der elf Einwohnergemeinden die Handhabung korrekt umgesetzt hatten.
«Bei drei Einwohnergemeinden zeigten sich geringfügige Abweichungen. Bei den restlichen Einwohnergemeinden traten beträchtlichere Abweichungen auf.» Es seien insbesondere einzelne, abgetrennte Stimmzettel, die von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern ins Stimmcouvert gelegt worden seien, beim Öffnen des Stimmzettelcouverts mitgezählt worden, obwohl sich nicht alle Teilstimmzettel im Couvert befunden hätten.
Vollständigkeit lasse sich im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren
Nachträglich habe sich nicht mehr eruieren lassen, welche Stimmbürgerinnen und Stimmbürger alle drei Teilstimmzettel korrekt ausgefüllt und zurückgeschickt hätten und welche nicht. «Das bedeutet, dass eine nicht bezifferbare Anzahl ungültiger Stimmen mitgezählt worden ist. Daher hätte auch eine Nachzählung diesen Fehler bei der Auszählung nicht mehr korrigieren können.»
Der entscheidende Moment – das Öffnen der Stimmzettelcouverts und die damit einhergehende Prüfung auf Vollständigkeit beziehungsweise Vorliegen sämtlicher Teilstimmzettel – lasse sich im Nachhinein nicht rekonstruieren. «Diese Umstände führten schliesslich zum sofortigen Entscheid des Regierungsrats, die Abstimmung für ungültig zu erklären», heisst es in der Mitteilung.
«Der Regierungsrat konnte und wollte diese Unregelmässigkeit nicht einfach ignorieren.»
Regierung in ihrer Stellungnahme zur ungültig erklärten Abstimmung
Ein Abstimmungsergebnis, bei welchem eine nicht bezifferbare Anzahl ungültiger Stimmen mitgezählt werde, stehe dem Anspruch auf einen korrekt ermittelten Abstimmungsausgang entgegen. «Dem Regierungsrat steht kein gesetzlicher Spielraum offen, sich bei festgestellten Ungenauigkeiten nach eigenem Ermessen über diese Differenzen hinwegzusetzen», schreibt er. «Daher wollte und konnte der Regierungsrat diese Unregelmässigkeit nicht einfach ignorieren.»
Ein solches Vorgehen hätte die Glaubwürdigkeit in künftige demokratische Prozesse empfindlich geschmälert und unter Umständen zu einem latenten Misstrauen der Bevölkerung in Bezug auf die Ermittlung von Wahl- und Abstimmungsergebnissen geführt, ist die Regierung sicher.
Abstimmungsprotokolle werden publiziert
Der Zuger Regierungsrat wolle jedoch die Öffentlichkeit zwecks Nachvollziehbarkeit transparent über sämtliche Umstände und Ereignisse informieren. «Er hat daher entschieden, die Abstimmungsprotokolle zu Verfassungsinitiative, Gegenvorschlag und Stichfrage zu veröffentlichen.» Den Protokollen könne entnommen werden, dass der Entscheid der Bevölkerung zugunsten des Gegenvorschlags ausgefallen wäre.
«Der Regierungsrat bedauert, dass die von den Gemeinden zu deren Entlastung gewünschten gestalterischen Anpassungen des Stimmzettels nun dazu geführt haben, dass die Abstimmung für ungültig erklärt werden musste», so Statthalter Andreas Hostettler. Die Abstimmung soll am 22. September wiederholt werden.
ALG ist enttäuscht
Die Junge Grünen, die Urheberin der Initiative, sind von der Stellungnahme der Regierung wenig begeistert. Vorstandsmitglied Delia Meier dazu:«Wir, die ALG und die Jungen Grünen, und wohl auch viele Abstimmungsberechtigte waren sich nicht im Klaren darüber, dass die drei einzelnen Fragen nur gemeinsam einen Stimmzettel bilden. Hätten wir das gewusst, hätten wir im Vorfeld sicher eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht.» Sie ergänzt: «Für uns ist das nur schwer nachvollziehbar.»
Überhaupt eröffnen sich der Partei grosse Fragen bezüglich der rechtlichen Umstände. «Wir überlegen uns, eine Beschwerde gegen den Entscheid einzureichen.»
Eine der für die Jungpartei wichtigsten Fragen wurde in der Stellungnahme der Regierung nicht thematisiert. Nämlich jene nach den Kosten. «Das ist erstaunlich», findet Meier, und sagt: «Unsere Jungpartei hat viele finanzielle und personelle Ressourcen für den Abstimmungskampf aufgewendet. Sollten wir diesen ein zweites Mal bestreiten müssen, stellt uns das vor grosse Schwierigkeiten.»
Ein kleiner Lichtblick: «Gemäss den Protokollen der ungültigen Abstimmung scheint sich die Stimmbevölkerung für der Gegenvorschlag ausgesprochen zu haben.» Und weiter: «Doch auch die Initiative erreichte mit 45 Prozent ein sehr starkes Resultat. Das ist für uns ein klares Zeichen, dass sich die Bevölkerung mehr Transparenz bei Abstimmungen und Wahlen wünscht.»