Zweistellige Millionenbeträge in Luzern und Zug

Nicht abgegoltene Überstunden belasten die Bilanz der Kantone

In den Räumen des Kantons Luzern leistet das Personal immer mehr Überstunden (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Kanton Luzern fordert von seinen Mitarbeitenden eine Leistung, die er vorerst nicht bezahlen kann. Der reservierte Betrag für die Entschädigung ausstehender Überstunden und nicht bezogener Ferientage wird immer grösser. Per Ende 2012 führte der Kanton entsprechende Verbindlichkeiten mit 13,1 Millionen Franken. In Zug waren es mit 9,6 Millionen nur marginal weniger.

Am Abend länger im Büro, über Mittag nur eine kurze Pause. Mitarbeitende können die zugewiesene Arbeit nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigen. Der Spardruck verschärft dies zusätzlich.

Zurückgestellte Mehrstunden und nicht bezogene Ferientage

Beim Kanton Luzern türmt sich ein Berg an Überstunden und nicht bezogener Ferientage. In der kantonalen Jahresrechnung tauchen die entsprechenden Beträge als kurzfristige Rückstellungen auf. Doch wie kurzfristig sind diese Rückstellungen eigentlich?

Der Berg geleisteter, aber noch nicht entlohnter Arbeit hat beim Kanton Luzern per Ende 2012 einen Wert von 13,1 Millionen Franken. Die grössten Beträge entfallen auf das Justiz- und Sicherheitsdepartement (5,4 Millionen Franken) sowie auf das Finanzdepartement (2,7 Millionen). Der Gesamtbetrag wuchs gegenüber dem Vorjahr um 1,1 Millionen Franken an. Der Kanton Zug wies seinerseits 9,6 Millionen Franken aus – Lohn für bereits geleistete Arbeit durch das Verwaltungspersonal, den die Kantone vorerst zurückbehalten. Der Betrag wird das Budget in den Folgejahren früher oder später belasten.

Mehrstunden in vertretbarem Rahmen

Luzern steht im kantonalen Vergleich gut da

Bei den kurzfristigen Rückstellungen steht der Kanton Luzern im Vergleich noch gut da. Im Durchschnitt sind theoretisch pro Vollzeitstelle 2’800 Franken aufgrund von zurückgestellten Entlohnung ausstehend. Beim Kanton Aargau sind es ungefähr 3’100 Franken. Besonders in der Verantwortung stehen die Kantone Zug mit gut 6’000 Franken pro Stelle und der Kanton Zürich. Dort betrugen die Rückstellungen im Jahr 2012 starke 181 Millionen Franken – knapp 7’200 Franken pro Vollzeit-Verwaltungsstelle.

Der Leiter der Dienststelle Personal beim Kanton Luzern, Roland Haas, delegiert die Verantwortung: «Die Einhaltung der Arbeitszeit ist eine Aufgabe der Führung.» Durch Sensibilisierung und Schulung der Vorgesetzten stelle der Kanton sicher, dass sich die notwendigen Mehrstunden in einem «vertretbaren Rahmen» bewegten. Ist dieser zweistellige Millionenbetrag vertretbar oder verharmlost der Kanton die gegenwärtige Situation? 

Roland Haas nimmt die Entwicklung der seit 2008 wachsenden Rückstellungen gelassen. «Die Höhe der Rückstellungen ist von vielen Faktoren abhängig. Aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenbereiche des Kantons kann keine pauschale Aussage gemacht werden.» Überstunden könnten aufgrund von Spezialprojekten, krankheits- oder unfallbedingte Ausfälle von Mitarbeitenden entstehen.

Steuererhöhung oder Stellenabbau

Angesprochen auf eine einfache Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter meint Haas, dass auch dies durchaus ein Grund sein könne. Dann müsse aber der Dienststellenleiter schauen, dass die Überstunden so schnell wie möglich kompensiert würden. Andernfalls müssten mehr Stellen beantragt werden. Bei der gegenwärtigen Finanzlage des Kantons dürften diese indessen kaum bewilligt werden. Der Kanton wies für das Geschäftsjahr 2012 ein Defizit von 57,4 Millionen Franken aus.

Die effektiven Auswirkungen der Sparmassnahmen sind absehbar. Stellen sollen gestrichen und Pensen reduziert werden. Auch der Abbau von Leistungen scheint kein Tabu mehr zu sein. In der Folge müssen die Staatsangestellten noch mehr Überstunden leisten. Damit schadet der Kanton seinen Angestellten – und auf die Dauer sich selber.

Fragliche Entwicklung

Rebekka Bolzern, Geschäftsstellenleiterin der Luzerner Sektion des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (vpod), sagt: «Es ist bedenklich, dass auf dem Rücken des Personals gespart wird.» Laut Personalrecht müssten Massnahmen gegen die steigenden Rückstellungen für Mehrstunden und nicht bezogene Ferien ergriffen werden.  Dass die Ursache für die Überstunden nicht angegangen wird, wecke den Verdacht, dass beim Kanton Überstunden die Regel seien, so Bolzern.

Eine Regel der letzten Jahre, müsste man anfügen. Denn die Entwicklung der kurzfristigen Rückstellungen zeigt eine eindeutige Tendenz auf. Im Jahre 2008 lag der Betrag noch bei 7,9 Millionen Franken, pro Vollzeitstelle damals knapp 2’000 Franken. Brisant ist, dass der Kanton seit damals insgesamt rund 690 neue Vollzeitstellen geschaffen hat. Der Personalaufwand für Behörden, Kommissionen, Richter und das Verwaltungs- und Betriebspersonal stieg in diesen fünf Jahren um 50 Millionen Franken.

Das Kantonspersonal protestierte im November 2012 gegen die drohenden Sparmassnahmen. Die Demonstration organisierte die Arbeitsgemeinschaft Luzerner Personalverbände (ALP). Die Teilnehmer forderten vom Kanton eine andere Personal- und Finanzpolitik.  Auch der vpod ist gegen den geplanten Stellenabbau und weitere Sparmassnahmen, die zu Lasten des Personals gehen. Damals stand der Vorwurf im Raum, der Kanton betreibe eine unverantwortliche Personalpolitik und manövriere sich als attraktiver Arbeitgeber selbst ins Abseits.

Rückstellungen sind garantiert

Dennoch: Die Staatsangestellten müssten trotz der Sparpolitik keine Bedenken haben, dass der Kanton die bereits geleisteten Überstunden nicht mehr entschädigen könne, beruhigt Roland Haas. «Der Anspruch auf bereits geleistete und bewilligte Mehrstunden kann nicht einseitig gestrichen werden.» Es bleibt allerdings offen, wann die Mitarbeitenden dazu kommen, ihre Überzeit zu kompensieren. Eine Frist dazu sieht das Personalrecht des Kantons Luzern nicht vor.

Gemäss Haas ist es auch nicht sehr aussergewöhnlich, dass Überstunden zurückgestellt würden. «Das kann es immer geben.» Natürlich wäre es besser, wenn der entsprechende Betrag möglichst klein ausfallen würde. Die Regelung der Arbeitszeit zur Gewährung des Dienstbetriebs obliegt beim Kanton Luzern jeweils der zuständigen Behörde.

Dies nährt den Verdacht, dass Personen in leitenden Funktionen beim Kanton unter beträchtlichem Druck stehen. Einerseits müssen ihre Mitarbeiter die von ganz oben erwarteten Leistungen erbringen. Andererseits scheint dies nicht möglich, da den Abteilungen zu wenig Stellen zur Verfügung stehen. Die Verantwortung tragen die Dienststellenleiter.

Keine Frist für die Kompensation von Überstunden

Das Gesetz erlaubt eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit in Ausnahmefällen wie Dringlichkeit oder ausserordentlichem Arbeitsandrang. Das jährliche Überzeitmaximum bei einer 45-Stunden-Woche beträgt für einen Arbeitnehmer 170 Stunden. Gemäss dem Personalrecht des Kantons Luzern dürfen Mitarbeitende im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit die aufgelaufenen Mehrstunden an maximal 20 Tagen pro Jahr kompensieren.

Die Anordnung von Überstunden darf allerdings nicht zu einer regelmässigen Erhöhung der Arbeitszeit führen. Grundsätzlich besteht kein Recht auf Vergütung der Mehrstunden während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Der Übertrag von Ferien ist nur auf das folgende Kalenderjahr und nur ausnahmsweise möglich – die Abgeltung in Geld gar nicht. Die Kompensation von Überstunden sollte «so schnell wie möglich» erfolgen, sagt Roland Haas. Eine Frist dazu existiert aber nicht.

Überzeit kann durch Freizeit der mindestens gleichen Dauer ausgeglichen werden. Ist nichts anderes schriftlich geregelt oder im Arbeitsvertrag bestimmt, muss der Arbeitgeber für die zusätzliche Arbeitsleistung einen Lohn entrichten, der mindestens um einen Viertel höher ist als der Normallohn.

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