Fichierte Zuger Nationalrätin

Nachrichtendienst-Skandal: So reagiert Manuela Weichelt

Manuela Weichelt sagt: «Wir müssen den Auftrag des NDB stark einschränken und die Aufsicht in die Pflicht nehmen.»

Es ist eine brisante Geschichte, in welche die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt verwickelt ist. Der Nachrichtendienst (NDB) hat diverse Akten über die ALG-Politikerin angelegt. zentralplus wollte von ihr wissen, welche Schritte sie nun plant.

Stell dir vor, dein Leben wird vom Staat beobachtet und in Akten dokumentiert. Beispielsweise an welchen Versammlungen du gewesen bist. Dies lässt wohl manchem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Der Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt ist es nicht anders ergangen.

Vor rund einem Jahr verlangte sie Einsicht in die Daten, welche der Geheimdienst über sie gesammelt hatte. Erstmal geschah nichts: «Dann habe ich ein Jahr nichts gehört. Es gab nicht mal eine Empfangsbestätigung, was ich eine Unverschämtheit finde», so die Zuger Nationalrätin (zentralplus berichtete).

Daten über politische und private Aktivitäten

Als Manuela Weichelt dann Einblick in ihre Daten bekam, war sie überrascht. In einer der Datenbanken war beispielsweise vermerkt, dass sie in ihrer Zeit als Zuger Regierungsrätin an einer Informationsveranstaltung des türkischen Kulturvereins war. Ebenso steht da, dass sie in diesem Vereinslokal später an einem Kunstevent teilgenommen hat. Der Nachrichtendienst weiss auch, dass sie 2020 im Organisationskomitee einer Demonstration gegen «Glencore und Co.» war.

«Wenn es dafür keine plausible Erklärung gibt, ist das eine Katastrophe. Ich will das geklärt haben.»

Manuela Weichelt, Nationalrätin ALG

Bei Manuela Weichelt werden unschöne Erinnerungen an den Fichenskandal wach: «Wenn es dafür keine plausible Erklärung gibt, ist das eine Katastrophe. Ich will das geklärt haben.»

Die Informationssammlung ist rechtswidrig

Das Problem bei den Akten: Sie dürften teilweise gar nicht existieren. Dem Nachrichtendienst ist es nämlich ausdrücklich verboten, «Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit» zu beschaffen.

«Ignoranz und Überheblichkeit gegenüber dem Gesetz und dem Parlament.»

Manuela Weichelt

Eine Recherche des Onlinemagazins «Republik» konnte aber zeigen, dass der Nachrichtendienst dennoch fleissig Daten gesammelt hat. Die Grünen Schweiz tauchten 2’300 Mal in ihren Datenbanken auf. Über die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA) waren es 1’200 Einträge. Wobei die Inhalte zu Letzteren teilweise geschwärzt sind.

Dem Nachrichtendienst kommt politischer Gegenwind entgegen

Einige Tage sind seit der Einsicht in eigene Daten vergangen und Weichelt ist zu einem Entschluss gekommen. Es ist klar: Die Betroffenen haben Fragen. Und auf Nationalratsebene geschieht bereits etwas: «Heute (9. Juni) wird noch eine Interpellation, von Marionna Schlatter und mir mitunterzeichnet, im Nationalrat eingereicht», schreibt uns Manuela Weichelt.

«Wir müssen den Auftrag des NDB stark einschränken und die Aufsicht in die Pflicht nehmen. Die entsprechende Gesetzesrevision steht vor der Tür.»

Manuela Weichelt

Die Grüne Zürcher Nationalrätin Marionna Schlatter stellt darin diese Frage: «Ist es unter diesen Umständen legitim, über eine Ausweitung der Kompetenzen zu diskutieren, oder erwägt der Bundesrat eine Sistierung der laufenden NDG-Revision?» Sie will auch wissen, wie viele Einträge über Parlamentsmitglieder existieren.

Auch ihre Berner Kollegin Aline Trede stellt Fragen. Sie will unter anderem wissen: «Bis wann verlangt der Bundesrat die Aufarbeitung der Datenbestände des NDB?»

Manuela Weichelt wird selbst aktiv

Manuela Weichelt wird ab kommender Woche selbst aktiv werden: «Ich werde nächste Woche eine Interpellation zu meiner «Fiche» einreichen und den Fokus auf den Brief bezüglich der Lohnerhöhung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters legen», schreibt sie. Der zweite Punkt in ihrer Interpellation drehe sich dann um den Aspekt der Aufsicht über den NDB.

Warum der Nachrichtendienst die Akte angelegt hat, kann sich Weichelt nach wie vor nicht erklären. Das Vorgehen des Geheimdienstes ist für sie ein Zeichen von «Ignoranz und Überheblichkeit gegenüber dem Gesetz und dem Parlament».

Für die Politikerin ist klar: «Wir müssen den Auftrag des NDB stark einschränken und die Aufsicht in die Pflicht nehmen. Die entsprechende Gesetzesrevision steht vor der Tür.»

Das sagt der Nachrichtendienst

Der Nachrichtendienst hat im Artikel der «Republik» zu den Recherchen Stellung genommen. Er betont, dass keine Parlamentarier, politische Gruppierungen oder Parteien überwacht würden. Das Gesetz werde immer vollumfänglich eingehalten. Nur wenn sich der NDB in Erfüllung seiner Aufgaben für eine Person oder Organisation interessiere, beschaffe er Informationen aus öffentlich und nicht öffentlich zugänglichen Quellen.

Verwendete Quellen
  • Mailverkehr mit Manuela Weichelt
  • Interpellation 22.7490 von Marionna Schlatter
  • Artikel: «Wie der Schweizer Geheimdienst Unverdächtige fichiert» der «Republik»
  • Interpellation 22.7491 von Aline Trede
  • Frühere Berichterstattung zentralplus
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 10.06.2022, 08:59 Uhr

    Und jetzt? Ich war in den 1980er Jahren mehrmals in Berlin! Selbstverständlich auch in Ost-Berlin und in der DDR. Lustigerweise gab es dann tatsächlich auch von mir eine Fiche. Hey, ich fühlte mich gebauchpinselt und extrem wichtig! Die Befindlichkeit von Frau Weichelt wird wohl weitere Ficheneinträge zur Folge haben. Reduit Schweiz! Der Christoph hat Freude!

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  • Profilfoto von Trömpeterli
    Trömpeterli, 09.06.2022, 17:05 Uhr

    Mit der Abschaffung der NDB könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Staatsausgaben reduzieren und Überwachung beenden. Wie wir in den letzten zwei Jahren gesehen habe, ignoriert unsere Regierung ja sowieso alle möglichen Information egal wo sie herkommen.

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  • Profilfoto von wurguala
    wurguala, 09.06.2022, 16:54 Uhr

    Ist doch absolut korrekt wenn eine Weltuntergangssekte mit totalitärem Allmachtsanspruch vom Geheimdienst überwacht wird.

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    • Profilfoto von Balthasar von Flüe
      Balthasar von Flüe, 09.06.2022, 17:20 Uhr

      Haben sie den falschen Artikel kommentiert? Hier geht us nicht um die Phobien der SVP, sondern um die ALG.

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