Knapp 55 Prozent der Stimmberechtigten lehnen das Medienpaket ab. Die unumstrittenen Teile daraus müssten jetzt aber rasch umgesetzt werden, fordern Politiker und Verlage.
Am Ende fiel das Resultat deutlicher aus als erwartet: 54,6 Prozent der Schweizerinnen lehnen das Medienpaket ab. Damit wollte der Bund die Branche im digitalen Umbruch während der nächsten sieben Jahre finanziell unterstützen. Maximal 150 Millionen Franken wären an Zeitungen, Zeitschriften und erstmals auch Onlinemedien – wie zentralplus –geflossen. Zudem umfasste das Paket auch Unterstützung der Nachrichtenagentur, des Presserates sowie der Aus- und Weiterbildung (zentralplus berichtete).
Doch daraus wird nichts. Zu überladen sei das Medienpaket gewesen, bilanzierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am frühen Sonntagabend. Wie landesweit lehnten auch die Stimmbürger im Kanton Luzern und im Kanton Zug die Vorlage deutlich ab (siehe Grafik).
Luzerner Komitee ist enttäuscht
Das überparteiliche Luzerner Komitee Medienvielfalt zeigt sich enttäuscht. «Es droht ein weiteres Zeitungssterben und damit der Verlust medialer Vielfalt im Kanton Luzern», sagt Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger. Das schwäche letztlich die direkte Demokratie.
«Wenn jetzt doch etwas passieren soll, sind die Gegner in der Pflicht.»
Andrea Gmür-Schönenberger, Ständerätin (Mitte)
Ihre Partei, die Mitte Schweiz, fordert in einer Mitteilung nun schnelle Schritte zur Stärkung der Medienvielfalt. Es gelte, die unbestrittenen Punkte des Mediengesetzes rasch wieder aufzunehmen. Konkret genannt werden die stärkere Unterstützung der Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten, von Nachrichtenagenturen sowie der privaten Radio- und Fernsehstationen.
Für Gmür selber ist jedoch klar: «Ich akzeptiere das Nein. Wenn jetzt doch etwas passieren soll, sind die Gegner in der Pflicht.» Diese müssten nun aktiv darlegen, für welche Teile oder welche Variante der Medienförderung sie Hand böten.
Unterstützung der kleinen Medien scheint unbestritten
Mehr Druck macht Michael Töngi. «Das relativ knappe Nein der Stimmbevölkerung ist ein Auftrag an die Politik, ein Paket zu schnüren, das gezielt dort fördert, wo der Bedarf am grössten ist», sagt der Luzerner Nationalrat, der dort in der zuständigen Kommission sitzt. Auch er fordert, wie die Mitte, dass die unbestrittenen Teile des Pakets rasch eingeführt werden. Denn die Notwendigkeit der Medienförderung, insbesondere für die kleinen Verlage, sei unbestritten. «Da nehmen wir die Gegner beim Wort.»
So haben die Luzernerinnen abgestimmt:
Töngi befürchtet allerdings, dass ein «Mini-Medienpaket» für die kleineren Zeitungen die Onlinemedien ausschliesst und so lediglich zur Strukturerhaltung beitrage. «Gerade der Abstimmungskampf in Luzern zeigte, dass viele Landzeitungen im Digitalen nachrüsten wollen.»
Deshalb fordert der grüne Politiker darüber hinaus eine Grundsatzdiskussion. «Wir müssen uns fragen: Wie finanzieren wir unabhängige journalistische Stellen, die gewährleisten, dass aus allen Regionen kritisch berichtet und recherchiert wird?»
«Für uns hat das Nein kurzfristig keine Konsequenzen. Aber es bietet keine Hilfe, um einen richtigen Schritt in die Zukunft zu gehen.»
Patrick Wicki, Anzeiger Michelsamt
Noch am Abstimmungssonntag kursierten diverse Vorschläge. Manche sehen eine Anschubfinanzierung für neue Projekte als mögliche Lösung, andere würden den Bürgern gerne Gutscheine zusprechen, mit denen sie ihr favorisiertes Medium unterstützen könnten.
Töngi selber bringt das nordische Modell ins Gespräch: Über eine Stiftung soll direkt kritischer und qualitativ hochstehender Journalismus gefördert werden. Dass eine solche Variante angesichts der Kritik an der direkten Medienförderung mehrheitsfähig ist, dürfte aber bezweifelt werden.
Wie sieht Medienvielfalt in fünf Jahren aus?
Was das Nein für die Luzerner Regionalmedien bedeutet, müssen viele Verlage und Medienhäuser erst analysieren – auch zentralplus.
Klar scheint: Von heute auf morgen wird keine Redaktion eingestampft oder merklich abgebaut. Vielmehr gehe der schleichende Abbau weiter, sagt Nationalrat Michael Töngi. «Die Frage ist, wie sieht die Situation in zwei oder fünf Jahren aus? Denn irgendwann ist der Talboden erreicht.»
Das zeigen auch Einschätzungen von Betroffenen. «Für uns hat das Nein kurzfristig keine Konsequenzen», sagt Patrick Wicki, Geschäftsführer der Wallimann Druck und Verlag AG, die den «Anzeiger für das Michelsamt» herausgibt. «Aber es bietet keine Hilfe, um einen richtigen Schritt in die Zukunft zu gehen.»
«Kurz- und mittelfristig kommt der «Entlebucher Anzeiger» selbst über die Runden, da bin ich zuversichtlich», sagt deren Geschäftsführer Rony Bieri. Denn das Medienhaus stehe heute auf sehr gesunden Beinen. «Aber viele andere kleine Medienhäuser werden die digitale Transformation nicht aus eigener Kraft schaffen.» Das auf sieben Jahre befristete Medienpaket hätte die notwendige Überbrückungsfinanzierung geboten. Alternativ droht laut Bieri ein Abbau bei der journalistischen Leistung oder ein Zeitungsabo, das längerfristig kaum mehr bezahlbar werde.
Auch Patrick Wicki vom «Michelsämter» verweist darauf, dass viele Gegner im Abstimmungskampf die Subventionen für die Grossverlage kritisierten. «Deshalb sollte die Politik den Ball möglichst schnell aufgreifen und dafür sorgen, dass die kleineren und mittleren Medien, auch online, unterstützt werden.»
So haben die Zuger abgestimmt:
- Abstimmungsergebnisse zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien
- Stellungnahme Luzerner Komitee Medienvielfalt
- Stellungnahme Die Mitte Schweiz
- Gespräche mit Andrea Gmür-Schönenberger und Michael Töngi
- Austausch mit Patrick Wicki und Rony Bieri
- Beitrag auf der Website von Michael Töngi