Entscheid fällt knapp aus

Nach Gerangel auf Treppe: Aeschi behält Immunität

Der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi stand im Visier der Bundesanwaltschaft. (Bild: ©Parlamentsdienste / Pascal Mora)

Mitte Juni hat sich der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi ein Handgemenge mit der Bundespolizei geliefert. Die Bundesanwaltschaft wollte seine Immunität aufheben – doch die zuständige Kommission hält daran fest.

Der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi (SVP) kann aufatmen: Sein Handgemenge mit einem Bundespolizisten hat doch kein juristisches Nachspiel. Wie die zuständige Immunitätskommission am Mittwoch mitteilt, wolle sie seine Immunität im vorliegenden Fall nicht aufheben. Der Entscheid fiel mit 4 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Zuvor hatte die Kommission einen Entscheid vertagt, weil sie mehr Klarheit zum genauen Ablauf der Geschehnisse wollte.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Aeschi wegen eines Vorfalls Mitte Juni vergangenen Jahres. Während des Besuchs des ukrainischen Parlamentspräsidenten am 12. Juni wurde im Bundeshaus eine Treppe abgesperrt. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi und sein Parteikollege Michael Graber wollten die Treppe emporgehen, wurden daran aber von der Polizei gehindert. In der Folge kam es zu einem Handgemenge (zentralplus berichtete).

Waren Anweisungen wirklich so klar?

Die politische Immunität schützt gewählte Parlamentarier vor strafrechtlicher Verfolgung. Sie soll garantieren, dass gewählte Politikerinnen ihre Meinung frei äussern können und ihr Amt problemlos ausüben können. Sie sollen etwa nicht durch Strafverfahren an der Teilnahme einer Session gehindert werden.

Verdächtigt eine Strafverfolgungsbehörde einen Parlamentarier einer Straftat, muss sie ein Gesuch um die Aufhebung der Immunität stellen. Dieses wird von zuständigen Kommissionen beider Kammern behandelt. Im Falle des Gerangels von Aeschi hielt die nationalrätliche Immunitätskommission an der Immunität fest. Wie die Kommission in der Mitteilung betont, stelle sie «die Weisungsbefugnis des Sicherheitspersonals im Parlamentsgebäude in keiner Art und Weise infrage». Allerdings bestünden beim konkreten Vorfall Zweifel, ob die Anweisungen für Aeschi und Graber wirklich unmissverständlich gewesen seien.

Gemäss ständiger Praxis hebt die Kommission eine Immunität nicht auf, wenn die Strafbarkeit «zweifelhaft oder nicht gegeben» ist. Im vorliegenden Fall wäre für die Mehrheit der Kommission eine Aufhebung «nicht verhältnismässig», begründet sie in der Mitteilung.

Thomas Aeschi wollte sich auf Anfrage von zentralplus nicht zum Entscheid äussern. Zudem sollten die beiden Nationalräte Aeschi und Graber nach ihrer Anhörung bei der ersten Tagung im November an den wartenden Journalisten vorbeigestürmt sein, ohne auf deren Fragen einzugehen, wie «20 Minuten» berichtete.

So verteidigte sich Aeschi

Der Zuger Nationalrat habe sich in der Anhörung aber damit verteidigt, dass die Polizisten ihn direkt körperlich angegangen hätten, ohne zuvor auf das Durchgangsverbot hinzuweisen, heisst es in der Medienmitteilung der Kommission vom November. Sein Kollege Graber fügte hinzu, dass die Parlamentsverwaltung dieses Verbot im Vorfeld nicht kommuniziert habe. Er habe deshalb das Gespräch gesucht und die Situation deeskalieren wollen.

Die Verwaltungsdelegation betonte jedoch gegenüber der Kommission, die Kommunikation sei ausreichend gewesen. Und ungeachtet dessen sollten Personen den konkreten Weisungen des Sicherheitspersonals Folge leisten.

Noch ist der Entscheid nicht definitiv. Nebst der Immunitätskommission des Nationalrats muss sich auch noch die Rechtskommission des Ständerats mit der Frage beschäftigen.

Fünf SVP-Mitglieder bangten um Immunität

Nebst Aeschi stellten Strafverfolgungsbehörden auch Gesuche für die Aufhebung der Immunität seiner Parteikollegen Andreas Glarner, Michael Graber, Peter Keller und Ständerat Marco Chiesa. Bei Graber gehts um den gleichen Treppenvorfall wie bei Aeschi, bei Glarner um einen Beitrag zum Islam auf X und bei Keller und Chiesa um eine Wahlkampagne.

Bei Keller, Glarner und Chiesa fällte die Kommission bereits im November 2024 einen Entscheid: Marco Chiesa und Peter Keller sollten immun bleiben, da ihre beanstandete Kampagne einen direkten Zusammenhang mit ihren Mandaten habe, begründete die Kommission.

Für Andreas Glarner entschied die Kommission in einem knappen 5 zu 4 Entscheid, dass die Äusserungen des Aargauer Nationalrats keine Immunität geniessen. «Die Aussage von Nationalrat Glarner sei zu allgemein und pauschal gehalten, als dass sich eine Verbindung zu bestimmten parlamentarischen Geschäften herstellen oder konkrete gesetzgeberische Massnahmen daraus ableiten liessen», heisst es in der Medienmitteilung zum Entscheid. Er solle deshalb nicht gegenüber Privaten, die ihre Meinungen ebenfalls über die sozialen Medien verbreiteten, privilegiert werden.

Um diesen Post geht es – die SVP war über den Entscheid alles andere als erfreut:

Immunität fällt selten

Was auffällt: Vier von neun Sitzen der nationalrätlichen Immunitätskommission liegen in SVP-Hand – sie entschieden also über das juristische Schicksal ihrer Parteikollegen. Die Sitze werden nach Parteistärke vergeben. Wie Kommissionspräsident Pierre-André Page (SVP) dem «Tagesanzeiger» erklärt, müssten Parteikollegen bei solchen Entscheiden trotzdem nicht in den Ausstand treten. Bei anderen Sitzungen, wo etwa über die Immunität der Grüne-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber diskutiert worden sei, habe sich das Kommissionsmitglied ebenfalls nicht enthalten.

Dass ein Parlamentarier seine Immunität verliert, passiert äusserst selten. Zuletzt war dies etwa beim SP-Nationalrat Fabian Molina der Fall, dem von der Zürcher Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde, im Februar 2022 an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen zu haben. Die Argumentation: Er habe als Privatperson an der Veranstaltung teilgenommen, weshalb Privilegien gegenüber anderen Teilnehmerinnen der Demonstration nicht zu rechtfertigen seien.

Verwendete Quellen
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