Museumsleiterin zum Zeughaus: «Das wäre ein würdiger Ort mit viel Raum und Ausstrahlung»
Aus dem Natur-Museum und dem Historischen Museum Luzern soll das «Museum für Natur und Gesellschaft» werden. Was als Sparprogramm des Kantons begann, könnte zu einer Chance für alle Beteiligten werden.
Der Schlag traf das Team des Luzerner Natur-Museums Ende 2016. Die Planung einer umfassenden Sanierung des Museums war praktisch abgeschlossen, die Baubotschaft und das Kreditbegehren über rund 12 Millionn Franken lagen auf dem Tisch des Luzerner Regierungsrates. Da wurde klar, dass der Kanton Luzern in einen budgetlosen Zustand schlitterte.
Das bedeutete den Stopp des längst fälligen Vorhabens. Und es kam noch schlimmer: Im Zuge eines umfassenden kantonalen Sparprogramms wurde festgeschrieben, dass das Natur-Museum pro Jahr rund eine Million Franken – die Hälfte seiner Betriebskosten! – einsparen soll.
Man rieb sich die Augen: Wie konnte es sein, dass eine so anerkannte und beliebte Institution dermassen gebeutelt werden sollte? Am Publikum konnte und kann es nicht liegen. Seit Jahrzehnten zählt das Museum weit über 100 Besucherinnen und Besucher täglich, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche. Vor allem die Sonderausstellungen erfreuen sich grosser Beliebtheit.
Am Zeitgeist liegt es auch nicht. «Es gibt nichts, was beweisen könnte, dass Museen an Attraktivität eingebüsst haben sollten», sagt Britta Allgöwer, die das Natur-Museum seit vielen Jahren leitet. Im Gegenteil: «Das Interesse an Naturgeschichte ist ungebrochen, und gerade in der digitalisierten Welt gibt es das Bedürfnis nach echter und fassbarer Begegnung mit unserem Naturerbe.» Da steht ein riesiger Kristall in der Ecke, um berührt werden zu können. Dort kann ein Fell gestreichelt oder nach einem Präparat gegriffen werden. Und immer wieder warten Hörstationen oder Tastboxen auf neugierige Ohren oder Hände.
«Es gibt nichts, was beweisen könnte, dass Museen an Attraktivität eingebüsst haben sollten»
Britta Allgöwer, Leiterin Natur-Museum
Aber ist es eine Kernaufgabe der öffentlichen Hand, solche naturhistorische Vermittlungsarbeit zu leisten? Ist das Naturerbe Teil des kantonalen Kulturerbes, das es zwingend zu wahren gilt? Die Tatsache, dass der Kantonsrat die drakonische Sparmassnahme bei den Betriebskosten bei deren Verhängung nicht einmal diskutierte und bisher auch nicht aufgehoben hat, zeigt klar: Nicht um jeden Preis. «Etwas anders sieht es beim Historischen Museum aus. Dessen Auftrag wurde nie im selben Mass in Frage gestellt», sagt Karin Pauleweit, Leiterin der kantonalen Dienststelle Hochschulbildung und Kultur. «Zudem zeigt sich dort nicht derselbe Sanierungsbedarf.»
Doch auch beim Historischen Museum sind die Finanzen knapp bemessen. Nicht zuletzt deshalb sorgt seit einigen Jahren eine enge Kooperation der beiden benachbarten Häuser für eine möglichst schlanke Organisation. Es ist eine Kooperation, die nun in eine Fusion münden soll, da die Option des Zusammengehens von Natur-Museum und Gletschergarten einer eingehenden Prüfung nicht standhalten konnte.
Neuland für Museumsmacher
Der Zusammenschluss unter dem Arbeitstitel «Luzerner Museum für Natur und Gesellschaft» soll den Sparauftrag zu einem guten Teil auf Kosten von viel Ausstellungsfläche und einer Personalreduktion von 10 Prozent erfüllen.
Nur: Wie können die Ausstellungen beider Museen auf einer solchermassen geschrumpften Fläche Platz haben? Die Lösung ist so naheliegend wie innovativ: Die Dauerausstellungen werden sich auf kleinem Raum komplett erneuert und modernisiert präsentieren. Und die Sonderausstellungen sollen ein Thema immer gleichzeitig aus Sicht von Natur und Umwelt sowie Gesellschaft und Geschichte beleuchten.
«Damit werden wir uns von der – oft künstlichen – Trennung zwischen Natur, Gesellschaft und Geschichte verabschieden.»
Sibylle Gerber, Kuratorin des Historischen Museums
«So planen wir zum Beispiel momentan im Historischen Museum eine Ausstellung zum Thema Frauenstimmrecht und Gender. Es wäre nicht nur kein Problem, sondern ein Gewinn, bei einem solchen Thema in Zukunft auch naturhistorische Aspekte einzubeziehen», sagt Sibylle Gerber, Kuratorin und Interimsleiterin des Historischen Museums. Das betrifft auch die Vermittlungs- und Erlebnisangebote. «Damit werden wir uns von der – oft künstlichen – Trennung zwischen Natur, Gesellschaft und Geschichte verabschieden», sagt sie.
Dass viele Stücke der Dauerausstellung künftig nicht mehr permanent gezeigt werden können, trägt Sibylle Gerber mit Fassung. «Ein Prozess der Konzentration kann auch eine Chance sein», glaubt sie.
Zudem könnte eine neue Idee dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit sogar mehr Sammlungsstücke zu Gesicht bekommen kann als bisher. Denn die Sammlungen der beiden Museen sollen in einem separaten Zentrum für Kulturgüter zusammengefasst und angemeldeten Gruppen zugänglich gemacht werden. «Sicher ist, dass diese Sammlungen gewissermassen als ‹Schatzkammer› des Kantons für das neue Museum eine grosse Rolle spielen werden», sagt Karin Pauleweit.
Partner gesucht
Interdisziplinarität statt herkömmlicher Sammlungspräsentation, aktuelle Bezüge statt chronologischer Abhandlungen: Mit diesem Konzept betreten die Luzerner Museumsmacherinnen und -macher Neuland. Zwar gibt es Mehrspartenmuseen in der Schweiz mit natur- und kulturhistorischen Sammlungen, es gibt auch Ausstellungshäuser mit Querschnittthemen. Aber diese Art der Fusion zweier eigenständiger Museen sucht man weit und breit vergebens.
Auch die Vermittlung wird dynamisiert und dezentralisiert. «Selbstverständlich werden wir wiederum interessante interaktive Bildungsangebote bereitstellen und mit diesen sogar auf Tournee gehen», verspricht Sibylle Gerber. Zudem ist ein interessanter Ort in Prüfung, wo dieses Kombimuseum dereinst stehen soll: das alte Zeughaus auf der Musegg, auf der anderen Seite der Reuss und mitten in der Stadt Luzern. «Das wäre ein würdiger Ort mit viel Raum und Ausstrahlung», sagt Britta Allgöwer.
Wenn Sparen kostet
Alleine: Gratis ist die Zusammenlegung der beiden Museen nicht zu haben. Das ist auch Karin Pauleweit klar. «Welcher Standort im nächsten Jahr auch gewählt wird – es wird wieder einen Investitionskredit brauchen», sagt sie. Ob dieser gar noch höher sein wird als der Sanierungskredit für das Natur-Museum, steht in den Sternen. Auf die politische Debatte für die Genehmigung dieses Kredites darf man auf jeden Fall gespannt sein.
Auch wird es noch ein wenig dauern, bis sich die Einsparung bei den Betriebskosten wirklich realisieren lässt, zumal sich das Motto «Aus zwei mach eins» nicht nur auf die zwei Museen, sondern auch auf deren Eintrittskarten beziehen wird. Die geplanten Aussenstationen in den Regionen werden ebenfalls ihren Preis haben. «Hier setzen wir auf die finanzielle Beteiligung unserer Partner», sagt Karin Pauleweit. «Je nach Engagement von Dritten wird es dann halt mehr oder weniger solcher Projekte geben.»
Bis es so weit ist, vergehen noch einige Jahre. Bis dann bestehen das Natur-Museum und das Historische Museum weiterhin traulich nebeneinander, locken mit attraktiven Sonderausstellungen und begeistern Dutzende von Schulklassen mit ihren Bildungsangeboten. So, wie sie es von jeher gemacht haben.
Autor: David Coulin
Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin «echt» erschienen.