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Die Zahl der unbewilligten Demonstrationen hat in Luzern deutlich zugenommen. Die Stadt führt das grösstenteils auf Aktionen von Massnahmenkritikerinnen zurück. Zürich hat dieses Problem gelöst – indem das Parlament die Bewilligungspflicht für politische Kundgebungen kurzerhand abschafft.
Eine Vielzahl der Corona-Kundgebungen, die in Luzern in den letzten zwei Jahren stattfanden, waren nicht bewilligt (zentralplus berichtete). Bei sogenannten Spontandemos – also einer kurzfristigen Reaktion auf einen Entscheid oder ein Ereignis – reichte dafür ein Telefon an die Stadt. Doch auch diese Meldepflicht wurde von den Organisatoren der Corona-Proteste mehrfach ignoriert.
Könnten die Massnahmenkritiker damit ein Präjudiz geschaffen haben? Klar ist: Diesen Dienstag haben das erste Mal seit langem linke Demonstrantinnen in Luzern eine angekündigte Kundgebung nicht bewilligen lassen. Es handelte sich um einen «Trauermarsch gegen Rassismus und Polizeigewalt» – eine Reaktion auf einen Polizeieinsatz in Morges (VD), bei dem Ende August ein dunkelhäutiger Mann erschossen wurde.
Unbewilligte Demo von linker Seite
zentralplus hat bei den Organisatoren nachgefragt, warum sie bei der Stadt Luzern kein Gesuch stellten. «Generell ist es so, dass die Aktion sehr spontan entstanden ist», schreiben diese zurück. Viele Menschen aus der «Schwarzen Gemeinschaft» stünden in grosser Trauer und unter Schock.
«Im konkreten Fall von Luzern haben die Koordinatorinnen festgelegt, dass sie nur eine kurze Gedenkfeier organisieren werden, die maximal 30 bis 40 Minuten dauern wird und deswegen keine Bewilligung eingeholt.»
Politische Anliegen müssen nicht bequem sein
Der Umgang mit unbewilligten Kundgebungen ist derzeit im Zusammenhang mit den Corona-Demos schweizweit Gesprächsthema. In Luzern kritisieren Linke, dass die Polizei 1’500 Demonstrantinnen drei Stunden durch die Altstadt spazieren liess (zentralplus berichtete). In Bern hingegen wird der Einsatz von Gummischrot und Wasserwerfern gegen Massnahmengegner kontrovers diskutiert. Und in Zürich?
«Eine Bewilligung für Kundgebungen macht aus unserer Sicht Sinn.»
Mario Lütolf, Stadt Luzern
Dort hat das Parlament letzte Woche beschlossen, die Bewilligungspflicht für Demos abzuschaffen. Neu soll eine einfache Meldung ausreichen. «Es braucht keine Behörde, die sagt, ob ein politisches Anliegen genehm ist», argumentierte Luca Maggi (Grüne) gemäss der «Neuen Zürcher Zeitung» im Gemeinderat, wo er seine Forderung durchsetzte. Dagegen gestimmt hatte die SVP, die sich für ein restriktiveres Vorgehen der Polizei einsetzte.
Zahl der Demos nimmt tendenziell zu
Die Zürcher Linke ist der Meinung, die Stadt habe dem Volk nicht dreinzureden, wann und wo Kundgebungen stattfinden sollen – wegen der Meinungsfreiheit. Wie stellt sich die Luzerner Stadtverwaltung zu dieser Idee?
«Eine Bewilligung für Kundgebungen macht aus unserer Sicht Sinn», schreibt dazu auf Anfrage Mario Lütolf, Leiter der Dienststelle Stadtraum und Veranstaltungen. Bei den Demonstrationen handle es sich um «gesteigerten Gemeingebrauch öffentlichen Grundes», wie er erklärt. Ein städtisches Reglement – vom Grossen Stadtrat vor rund zehn Jahren beschlossen – definiere Kundgebungen, Demonstrationen, Umzüge und dergleichen auf den Strassen der Stadt Luzern als bewilligungspflichtige Nutzungen.
Bei Kundgebungen wird die Bewegungsfreiheit von Passanten lokal und temporär eingeschränkt. Ihre Rechte gilt es gegen diejenigen der Demonstrantinnen abzuwägen. «Dies trifft insbesondere auch dann zu, wenn Gesuche für (...) mehrere Demonstrationen vorliegen», so Lütolf. Die Zahl der Kundgebungen in der Stadt Luzern ist gemäss dem Dienststellenleiter «tendenziell zunehmend, aber auch abhängig von kriegerischen und politischen Ereignissen weltweit».
Organisatorinnen werden in die Pflicht genommen
Die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bevölkerung und Detailhandel könnten aus Sicht von Mario Lütolf ohne Bewilligungspflicht kaum unter einen Hut gebracht werden. «Die entsprechend sorgfältige Vorbereitung wäre arg erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.» Koordiniert werden müssen die Demos zudem beispielsweise mit parallel laufenden Märkten und Veranstaltungen.
Als Beispiel hierfür nennt Lütolf den letzten Freitagabend. Da fand eine bewilligte Eichwäldli-Demo statt (zentralplus berichtete). Gleichzeitig lief wegen des Cup-Spiels ein Fussball-Fantransfer und eine unbewilligte Aktion von Massnahmengegnerinnen auf dem Mühlenplatz (zentralplus berichtete). Dies alles aneinander vorbei zu bringen, dürfte eine Herausforderung gewesen sein.
Weiterer Vorteil der Bewilligungspflicht aus Sicht der Stadt: Wer eine Bewilligung beantragt, ist für die Einhaltung der städtischen Auflagen verantwortlich. Das heisst: Die Demonstrantinnen kümmern sich von sich aus darum, dass die Kundgebung friedlich verläuft – was für zusätzliche Sicherheit sorgt. Zumal den Organisatoren die Polizeikosten in Rechnung gestellt werden könnten, wenn sie gegen die Auflagen verstossen. Aus Sicht der Stadt Luzern spricht daher nur wenig dafür, die Bewilligungspflicht für Demos aufzuheben.
- Kommt überhaupt nicht in Frage, dann gibt es für politische Gruppierungen aller Art kein Halten mehr.
- Der Sinn von Demos ist es, gehört zu werden. Auflagen der Stadt greifen ins Grundrecht auf freie Meinungsäusserung ein. Die Bewilligungspflicht gehört aufgehoben.
- Ich finde die heutige Praxis gut, bei der die Stadt zwischen den verschiedenen Interessen der Bevölkerung und des Gewerbes abwägt.
Anmerkung: Die Organisatorinnen der Protest-Aktion haben nach Redaktionsschluss doch noch eine Bewilligung bei der Stadt beantragt. Dies weil «grosser Druck» ausgeübt worden sei, eine solche einzuholen.