Bürgerlicher Regierungsrat

«Mitte-Links-Illusion ist zusammengebrochen»

Anton Muheim (SP, ganz rechts) war 1959 der erste linke Regierungsrat in Luzern.

Eine rein bürgerliche Männerregierung: Das könnte nach den Wahlen vom Wochenende bald schon Realität sein. Für die einen ein Horrorszenario, für die anderen ein Herzenswunsch. Setzt sich Luzern damit ins konservative Abseits?

«Wir wollen nicht nur alte Männer in der Regierung.» Die Aussage am Wahlsonntag von Katharina Meile, Co-Präsidentin der Grünen, war schon beinahe als Aufschrei zu verstehen. Die Idee der beiden einflussreichen Wirtschaftsverbände, der Handelskammer und des Gewerbeverbandes, die Linke aus der Regierung zu verbannen, hat nach dem vergangenen Wahlwochenende einige Sympathien erhalten. Das gute Abschneiden des SVP-Kandidaten Paul Winiker, das schlechte Resultat der SP-Frau Felicitas Zopfi und die Sitzgewinne von FDP und SVP lassen nun viele im rechtsbürgerlichen Lager laut über diese Variante nachdenken.

Am kommenden Mittwoch werden die Delegierten der CVP und der FDP entscheiden, wen sie für den zweiten Wahlgang unterstützen wollen: Den bisherigen parteilosen Marcel Schwerzmann, den SVP-Kandidaten oder Felicitas Zopfi (SP). Entscheiden sie sich für die zwei bürgerlichen Kandidaten, dann könnte es am 10. Mai zu einer Regierung ohne Beteiligung der Linken kommen – falls die Wählerinnen und Wähler den Empfehlungen Folge leisten.

Frauen schon lange mit dabei

Was würde das für Luzern bedeuten, wenn es tatsächlich so weit kommt? Zumindest wäre es ein Bruch mit zwei jahrzehntelangen Traditionen. Um eine Luzerner Regierung zu finden, die rein in Männerhand liegt, muss man weit zurückschauen: Seit 1987 ist stets eine Frau mit von der Partie. Die erste war Brigitte Mürner-Gilli, die während drei Legislaturperioden für die CVP in der Regierung mitwirkte. 1999 folgte ihr Margrit Fischer-Willimann (CVP), und seit 2003 sass Yvonne Schärli für die SP im Regierungsrat.

Noch weiter in die Vergangenheit muss man schauen, wenn man eine Exekutive ohne linke Beteiligung sucht: 1959, also vor 56 Jahren, war es Anton Muheim, der als erster SP-Vertreter in die Regierung einzog. Offenbar machte er seine Arbeit nicht allzu schlecht, denn er führte sein Amt 19 Jahre lang aus, bis 1978.

Luzern als Trendsetter

Und nun soll mit dieser Tradition gebrochen werden. Macht sich der Zentralschweizer Kanton zum politisch-gesellschaftlichen Sonderfall? Nein, meint der Politgeograf Michael Hermann gegenüber zentral+: «Was in Luzern derzeit passiert, liegt in einem Trend, der überall sichtbar ist.» In anderen Kantonen wie etwa Schwyz oder Nidwalden seien ebenfalls linke Vertreter aus der Regierung geflogen. Und kürzlich wurde im Kanton Baselland die SP aus der Regierung verbannt.

«Was in Luzern derzeit passiert, liegt in einem Trend, der überall sichtbar ist.»

Michael Herman, Politgeograf

«Eigentlich ist das eine unschweizerische Entwicklung», so Hermann. «Bis anhin ging man gemeinhin von einem freiwilligen Proporz aus, nun scheint man sich zunehmend darum zu foutieren.» Das Phänomen, dass in den Kantonen immer öfter linke Vertreter aus den Regierungen gedrängt werden, sei eine Abkehr einer politischen Tradition, sagt Michael Hermann.

«Aargau ist konservativer als Luzern»

Dass nun möglicherweise auch Luzern bald nur noch bürgerlich regiert wird, erstaunt Hermann dennoch. Damit habe diese Entwicklung eine neue Stufe erreicht, denn Luzern sei nicht eins zu eins mit Nidwalden oder Schwyz vergleichbar. «Luzern ist im Grunde nur wenig konservativ, es ist vielmehr ein relativ stark urbanisierter Kanton.» Bei Europafragen etwa liege der Kanton häufig nahe an der politischen Mitte. «Aargau, St. Gallen und Thurgau sind konservativer als Luzern.»

Luzern als Vorreiter für Zürcher Wahlen

Deshalb hat der Luzerner Rechts-Trend für Hermann eine besondere Bedeutung. «Luzern hat einen grossen Ballungsraum und ist das Zentrum der katholischen Schweiz. Deshalb erstaunt es mich, dass Luzern jetzt so zusagen auf der gleichen Ebene ist wie Nidwalden.»

Darum ist Luzern möglicherweise ein Vorreiter einer generellen Stimmung in der Schweiz: Das erste Mal gewinnen SVP und FDP gleichzeitig, während dem Rot-Grün Mühe bekundet. Hermann vermutet gar, dass Luzern bezüglich der Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Parlament auch für die Wahlen im Kanton Zürich vom 12. April eine Bedeutung hat. «Ich rechne damit, dass Zürich ein ähnliches Bild abliefern wird.»

Einfluss auch auf Nationale Wahlen

Die Ergebnisse in Luzern könnten für Herrmann auch bereits ein Trend für die nationalen Wahlen vom Herbst sein. «Es ist zwar noch schwer zu sagen. Aber ich vermute, dass es Richtung Rechtsrutsch gehen könnte.»

Der Konsens, dass auch die Linke in der Regierung vertreten sein sollte, ist also am Bröckeln, wie es scheint. Die leichten Gewinne der Rechtsparteien seien möglicherweise eine Korrekturbewegung, meint Hermann. «Wir bewegen uns in Richtung der Kräfteverhältnisse von 2007.» Mitte-links-Regierungen könnten es in Zukunft schwerer haben, das bestätigt auch der Politgeograf: «Die Mitte-Links-Illusion ist zusammengefallen.»

 

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