Warum man in Zug weiter ist

Luzerner Kitas zahlen teils miese Praktikumslöhne

Nur knapp eine von vier Lernenden beginnt direkt nach der obligatorischen Schulzeit mit einer Lehre in einer Kinderkrippe. (Bild: Adobe Stock)

Noch immer kriegen Praktikantinnen in Luzerner Kitas teilweise zu wenig Lohn. Die Luzerner Regierung plant deshalb, einen Normalarbeitsvertrag zu erarbeiten. Andernorts gehören tiefe Praktikantenlöhne bereits der Vergangenheit an.

Es ist ein bekanntes Problem: Vielerorts arbeiten junge Menschen in Kitas für zu wenig Geld – und sind für zu lange Zeit in einem Praktikum.

Auch in Luzern ist dies geläufig. Das weiss auch die Luzerner Regierung. Diese führt in einer Antwort auf eine Anfrage von SP-Kantonsrat Urban Sager auf, was Lohnkontrollen in Luzerner Kitas ans Licht gebracht haben:

So habe im Jahr 2017 die Tripartite Kommission Arbeitsmarkt (TKA) insgesamt 33 Kita-Betriebe kontrolliert. Von 139 Kita-Angestellten erhielten 20 zu wenig Lohn. Noch fataler war es bei den Praktikantinnen: 30 von 52 Praktikantinnen kriegten weniger Lohn, als der Verband Kinderbetreuung Schweiz Kibesuisse empfiehlt. Diese empfiehlt einen monatlichen Praktikumslohn von mindestens 800 Franken.

Zudem zeigte es sich, dass die Kitas oftmals die empfohlene Dauer eines Vorpraktikums – maximal ein Jahr – nicht einhalten. Dass also junge Menschen von Praktikum zu Praktikum hüpfen, ohne Aussicht auf eine Lehre.

Billige Arbeitskräfte

Dafür gab es harsche Kritik. Arbeitsverhältnisse würden immer häufiger unter der Bezeichnung «Praktikum» oder «Einführungspraktika» abgeschlossen, um die orts- und branchenüblichen Löhne zu unterlaufen. Das steht in einem Dokument über die Praxis der TKA zu den Einführungspraktika und Löhnen im Kanton Luzern.

Und weiter: «Der Sinn und Zweck eines 12-monatigen Praktikums erschliesst sich uns nicht. Es sollte möglich sein, nach kurzer Zeit zu entscheiden ob der/die Jugendliche für den Beruf geeignet ist und zum Betrieb passt.» Es bestehe die Gefahr, dass Praktikanten als billige Arbeitskräfte missbraucht würden und bei der Anstellung von Praktikanten rein wirtschaftliche Gründe im Vordergrund stehen.
Insbesondere, wenn mehr Praktikanten im Betrieb arbeiten als Lehrstellen vorhanden seien.

In Zug ist man einiges weiter

Während in Luzern teils noch mickrige Praktikantenlöhne bezahlt werden, ist man im Kanton Zug schon wesentlich weiter – und strenger.

Seit dem 1. Januar nämlich muss hier jeder Kita-Praktikumsvertrag über den Tisch des Amts für Berufsbildung. Abgeschlossene Verträge für ein Praktika sind genehmigungspflichtig, wenn sie länger als ein halbes Jahr dauern (zentralplus berichtete).

«Der Mindestlohn von mindestens 750 Franken wurde in keinem Fall unterschritten.»

Dusan Milakovic, Leiter Amt für Berufsbildung Zug

Insbesondere geht es darum, dass weniger Praktika und mehr Lehren angeboten werden. Wird ein Vertrag eingereicht, müssen alle früheren Praktika angegeben werden. Das Amt für Berufsbildung rechnet sie zusammen. So will der Kanton Zug gegen überlange Praktika vorgehen. Bei Bedarf wird das Gespräch mit den Kitas gesucht.

Zug: Keine Kita wollte weniger als den empfohlenen Lohn bezahlen

Amtsleiter Dusan Milakovic sagt auf Anfrage, dass in den ersten acht Monaten etwas über 40 Praktikumsverträge eingereicht wurden. «Es fanden einige Telefonate mit Ausbildungsbetrieben statt, hauptsächlich in Zusammenhang mit der Dauer, den Löhnen und den Vertragsbedingungen», so Milakovic.

In der Wegleitung empfiehlt das Amt einen Mindestlohn von 750 Franken für Praktikanten. Das Praktikum soll maximal ein Jahr lang dauern. «Der Mindestlohn von mindestens 750 Franken wurde in keinem Fall unterschritten», so der Amtsleiter.

Ziel der Praktikumsaufsicht ist es, dass die Zuger Kitas weniger Praktika und mehr Lehrverträge anbieten. Davon ist zwar noch nichts zu spüren: Bislang hat das Amt für Berufsbildung rund 80 Lehrverträge genehmigt, was in etwa gleich viele ist wie letztes Jahr. Milakovic ist aber zuversichtlich, dass sie auf gutem Kurs sind: «Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden Jahren mehr Lehrverträge und weniger Praktikumsverträge genehmigen werden.»

Kitas wurden am Runden Tisch über Praktikumsbedingungen aufgeklärt

Doch auch im Kanton Luzern kommt Bewegung in die Sache – wenn auch etwas gemächlicher.

Nach den Kontrollen im Jahr 2017 wurde ein runder Tisch einberufen, an den die betroffenen Kitas eingeladen wurde. Diese wurden darüber aufgeklärt, welche Löhne angemessen sind und wie lange ein Praktikum dauern sollte.

«Allenfalls ist ein Mindestlohn für Praktikantinnen und Praktikanten festzulegen.»

Luzerner Regierung

Gestützt auf den Runden Tisch hat die TKA per Ende Januar 2019 eine Praxis zu den Einführungspraktika und Löhnen in Kitas im Kanton Luzern definiert. So weit, so gut.

Es zeigte sich denn auch eine leichte Verbesserung bei den Lohnkontrollen in den Jahren 2019 und 2020 (siehe Grafik oben). Doch nach wie vor werden die Kriterien nicht überall eingehalten.

In Luzern soll ein Normalarbeitsvertrag her

Damit ist auch die Luzerner Regierung nicht zufrieden. Die Situation rund um die Praktikumsverhältnisse sei weiterhin «verbesserungswürdig», schreibt sie in ihrer Antwort auf die Anfrage. «Bei einem Praktikum sollte immer der Ausbildungscharakter an erster Stelle stehen, nicht etwa betriebswirtschaftliche Interessen.»

Deswegen hat sie die TKA beauftragt, gemeinsam mit dem WAS wira und der Dienststelle Soziales und Gesellschaft (DISG) einen Normalarbeitsvertrag zu erarbeiten. Das ist ein behördlicher Erlass mit arbeitsvertraglichen Bestimmungen. Diese können zwingenden oder empfehlenden Charakter haben.

In welcher Form einzelne Kriterien in einen Normalarbeitsvertrag übernommen werden können, sei aktuell Gegenstand der Abklärungen. «Allenfalls ist ein Mindestlohn für Praktikantinnen und Praktikanten festzulegen», schreibt die Regierung. Auch die Dauer der Praktika müsse man begrenzen. Eine klare Kampfansage gegen miese Praktikantinnenlöhne sucht man hier also vergebens.

Bei mehr als 7 von 10 Praktikanten steht hinter dem Entscheid für ein Praktikum vor allem die Forderung des Betriebs. Das zeigt ein 2020 durchgeführtes Monitoring von Savoirsocial, der schweizerischen Dachorganisation Arbeitswelt Soziales.

Weiter zeigte das Monitoring, dass nur knapp eine von vier Lernenden direkt nach der obligatorischen Schulzeit mit einer Lehre in einer Kinderkrippe beginnt. Die Mehrheit absolviert ein einjähriges Praktikum. Aber auch zweijährige oder gar dreijährige Praktika seien gang und gäbe.

Verwendete Quellen
  • Antwort der Luzerner Regierung auf die Anfrage A 884
  • Praxis der Tripartiten Kommission Arbeitsmarkt (TKA) zu den Einführungspraktika und Löhnen im Kanton Luzern
  • Medienmitteilung Kanton Zug vom 2. Dezember 2021
  • Schriftlicher Austausch mit Dusan Milakovic
  • Wegleitung Genehmigungspflicht für Praktika in Kitas im Kanton Zug
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2 Kommentare
  • Profilfoto von T. Meier
    T. Meier, 06.09.2022, 11:52 Uhr

    Eine solche Präkarisierung gibt es nirgends sonst. Kein Schreiner EFZ oder Pflegefachfrau EFZ macht ein «Eignungspraktikum». Hier zeigt sich die Geringschätzung und das Ausbeuten von jungen, motivierten SchulabgängerInnen. Häufig ist Kleinkindererziehung eine Herzensangelegenheit die wirtschaftlich ausgenutzt wird. Leider muss ich von einer solchen Ausbildung wegen den miesen Arbeitsbedingungen grundsätzlich abraten.

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  • Profilfoto von tore
    tore, 06.09.2022, 11:18 Uhr

    Herzlichen Dank für den fundierten Artikel. In Sachen Kitas besteht ein riesiger Handlungsbedarf. Qualitätiv gute Kitas sind ein wirkkräftiger Hebel für die wirtschaftliche, soziale (einfach gesellschaftliche) Entwicklung. Mittel- und langfristig würden wir alle davon profitieren.

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