Luzerner Nationalrat zur Medienförderung

Michael Töngi: «Ich bedaure, dass der Konflikt zwischen den Medien und der SRG wieder angeheizt wird»

«Dringend nötig»: Michael Töngi präsidiert die für die Medienpolitik zuständige Kommission des Nationalrates. (Bild: zvg/Béatrice Devènes)

Die geplante Förderung der Onlineportale hat eine weitere Hürde genommen: Die zuständige Kommission des Nationalrats hat ihr nach anfänglicher Weigerung zugestimmt. Ihr Präsident, der Luzerner Nationalrat Michael Töngi, spricht im Interview über Verleger, die der eigenen Sache mehr schaden als nützen. Und über einen Entscheid, der den alten Streit zwischen den privaten Medien und der SRG wieder neu entfache.

Sollen Onlinemedien wie die elektronischen Medien und die gedruckten Zeitungen ebenfalls vom Staat unterstützt werden – und wenn ja, wie genau? Diese Frage spaltet nicht nur die Politik, sondern auch die Branche selbst. Weil sie sich vom Verband Schweizer Medien nicht vertreten fühlten, sind kleine und mittlere unabhängige Verlage ausgetreten und gründeten eine Interessengemeinschaft.

Anders als einige grosse Verlage unterstützt die IG die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen. Das sind erstens die sogenannte Holdingklausel, wonach die kleinen Medienanbieter überproportional stärker gefördert werden als die grossen Verlagshäuser, und zweitens ein degressives Zahlungsmodell.

Diese Woche fiel ein wichtiger Zwischenentscheid: Nach stundenlangem Feilschen stimmte die zuständige Nationalratskommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) der umstrittenen Onlineförderung zu. Mit 12 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen lehnte es eine knappe Mehrheit ab, das neue Bundesgesetz über die Förderung von Onlinemedien aus der Vorlage zu streichen. Allerdings machte die Konzession den grossen Verlagen Konzessionen.

Es ist höchste Zeit, dass etwas geht, findet Michael Töngi, KVF-Präsident und Luzerner Nationalrat der Grünen.  

zentralplus: Michael Töngi, sind Sie froh, dass sich die von Ihnen präsidierte Kommission des Nationalrats dazu durchgerungen hat, auch Onlinemedien zu fördern?

Michael Töngi: Es ist dringend nötig. Die traditionellen Zeitungen, die in gedruckter Form erscheinen, werden seit jeher unterstützt, Onlinemedien hingegen bekommen nichts. Das ist ungerecht. Der Trend geht ohnehin in Richtung digital und online. Würde man nur die gedruckte Presse unterstützen, betriebe man einen Systemerhalt, der nicht zu erklären wäre. Das bremst die Innovation, nicht nur bei den Onlinemedien wie zentralplus.ch, sondern auch bei den traditionellen Medienhäusern, die online ja auch stärker werden müssen.

zentralplus: Die Vorbehalte gegen die direkte Medienförderung sind gross, weil man um die Unabhängigkeit fürchtet. Und weil man denkt, die Medien würden weniger kritisch berichten, weil sie die Hand, die sie füttert, nicht beissen wollen.

Töngi: Diese Haltung ist seltsam. Ob ein Medienunternehmen nun eine Vergünstigung der Posttaxe bekommt oder einen Beitrag des Bundesamts für Kommunikation, spielt in seiner Rechnung oder bezüglich seiner Abhängigkeit überhaupt keine Rolle. Die Kriterien, nach denen gefördert wird, sind ja bei der Onlineförderung genau gleich wie beim Postgesetz. Darauf hat der Bundesrat sehr geachtet.

«Die Pandemie hat die Probleme der Medien zusätzlich verschärft, weil die Werbeeinahmen nochmals eingebrochen sind.»

zentralplus: Wie genau?

Töngi: Er hat bewusst auf einen Leistungsauftrag verzichtet, wie ihn die Radios brauchen, um von Fördergeldern zu profitieren. Die Einhaltung der Leistungsaufträge wird kontrolliert. Bei den Onlinemedien hat er sich darauf beschränkt, minimale Kriterien analog zur bereits bestehenden Presseförderung festzulegen. Etwa, dass ein Medium den redaktionellen Teil von der Werbung trennt und zur Hauptsache über politische, wirtschaftliche oder soziale Zusammenhänge informiert, damit man nicht irgendwelche People-Seiten unterstützt.

zentralplus: Macht die Pandemie eine Förderung dringender?

Töngi: Die Pandemie hat die Probleme der Medien zusätzlich verschärft, weil die Werbeeinahmen nochmals eingebrochen sind. Der Trend, der ohnehin da war, wurde damit enorm beschleunigt.

zentralplus: Ihre Kommission hielt zwar an der Holdingklausel fest, hat aber die Prozentsätze im degressiven Zahlungsmodell zugunsten der grossen Verlage geändert. Diese bekommen dadurch einen grösseren Teil des Kuchens. Das gab wohl viel zu reden?

Töngi: Es war sehr umstritten, weil die Prozentsätze am Schluss bestimmen, wohin das Geld fliesst. Das Modell des Bundesrats, den ganz Kleinen 80 Prozent des Umsatzes zu geben und den ganz Grossen 2,5 Prozent, hätte ein Gleichgewicht bewirkt. Damit wäre etwa die Hälfte der Fördergelder zu den Kleineren geflossen und die andere Hälfte zu den Grösseren.

zentralplus: Nun wurde der Höchstsatz von 80 auf 60 Prozent reduziert, also gibt es maximal 60 statt 80 Rappen pro Umsatzfranken. Was heisst das für die kleineren Verlage?

Töngi: Das wirkt sich nicht nur auf die Onlineportale aus, welche die Bedingungen für eine Förderung knapp erfüllen, indem sie 100'000 Franken Umsatz aus dem Publikum erzielen – unter dieser Schwelle gibt es keine Unterstützung. Sondern zum Beispiel auch für alle Landzeitungen, die vielleicht 200'000 oder 400'000 Franken Aboeinnahmen erzielen. Sie bekommen dann auch einen deutlich geringeren Zuschuss. Umgekehrt bekommen die Grossen bereits über die erhöhten Posttaxenverbilligungen zusätzliche Fördergelder. Auch die Frühzustellung, die neu durch den Bund vergünstigt wird, kommt vor allem den grossen Zeitungen zugute.

«Dass sich guter Journalismus durch den Markt finanzieren lässt, ist ein Irrglaube.»

zentralplus: Wo sehen Sie als jemand, der früher selber im Journalismus tätig war, das Problem?

Töngi: Es gibt immer noch viele Politikerinnen und Politiker, die der Idee nachhängen, dass sich guter Journalismus durch den Markt finanzieren lasse. Das schaffen aber nur ganz spezielle Produkte wie die «Republik» oder gewisse Fachzeitschriften. Das Bild ist aber auch deshalb falsch, weil es das gar nie gegeben hat. Früher hat sich der Journalismus über die Werbung finanziert, mit Staatshilfen oder durch Bindungen. Man hatte eine katholische Zeitung abonniert, weil man unter der sozialen Kontrolle des Nachbarn stand. All das ist heute weggebrochen. Deshalb muss die öffentliche Hand einspringen. Sonst tun es private Sponsoren, welche die Unabhängigkeit viel stärker gefährden.

zentralplus: Bürgerliche Politiker sehen das aber anders?

Töngi: Die Diskussion über die Befristung der Onlineförderung auf fünf Jahre ist Ausdruck dieser falschen Hoffnung, es brauche nur ein bisschen Starthilfe, und dann würden alle Medienunternehmen und Onlineportale zu sprudelnden Geldquellen. Die Vorstellung, sie müssten fit gemacht werden, um sich danach selber finanzieren zu können, halte ich persönlich für einen totalen Irrglauben. Wenn wir Medienvielfalt wollen, muss die öffentliche Hand weiterhin Fördergelder sprechen. Das Problem wird ja nur noch schlimmer. Ich sehe keine Hoffnung, dass sich da etwas ändert und die Werbeeinnahmen wieder zu den Schweizer Medien zurückkommen.

«Die Briefe, die uns Peter Wanner geschrieben hat, haben den Goodwill gegenüber der Branche nicht gestärkt.»

zentralplus: Wie stark tragen die Verleger ihren Verteilkampf in die Kommission rein?

Töngi: Dass alle überall lobbyieren, ist bis zu einem gewissen Grad normal. Mich hat aber überrascht, dass man für sein eigenes Gärtchen noch mehr herausholen wollte aus einem Förderprogramm, bei dem wir immerhin zusätzliche 100 Millionen Franken schütten. Die Interventionen von CH-Media-Verwaltungsratspräsident Peter Wanner fand ich da schon sehr schwierig. Die Briefe, die er uns geschrieben hat, haben den Goodwill gegenüber der Branche nicht gestärkt.

zentralplus: Immerhin sollen jetzt die grossen Verlage mehr bekommen als ursprünglich vorgesehen. Also hat Wanner erfolgreich lobbyiert?

Töngi: Ja, aber in dem Punkt, der ihm am wichtigsten war, ist die Kommission hart geblieben. Wir hielten an der Holdingklausel fest, die besagt, dass die grossen Verlage mit einer gemeinsamen Mantelredaktion nicht für jeden einzelnen regionalen Titel Fördergelder bekommen, sondern nur ein einziges Gesuch einreichen können. Ohne diese Klausel hätten die grossen Verlage wie kleinere Zeitungen für jeden einzelnen Titel höhere Fördergelder erhalten.

zentralplus: Mit hauchdünnem Mehr hat die Kommission zusätzlich eine Bestimmung eingebaut, wonach die SRG nur noch solche Artikel online stellen darf, zu denen sie auch einen Radio- oder TV-Bericht sendet. Ist das sinnvoll?

Töngi: Persönlich bedauere ich es, denn es heizt den alten, völlig unnötigen Konflikt zwischen den privaten Medien und der SRG wieder an. Ich hatte den Eindruck, die Situation habe sich beruhigt. Man kann ihr nicht den Auftrag geben, sich zu digitalisieren und jüngere Menschen anzusprechen, um sie dann bei jedem Schritt wieder einzuschränken. Die Kommissionsmehrheit sieht die SRG im digitalen Bereich in direkter Konkurrenz zu den privaten Medien.

zentralplus: Wird der Kompromiss im Nationalrat halten?

Töngi: Das Plenum hat schon im September anders entschieden als die Kommission, welche die Onlineförderung ja ursprünglich zurückstellen wollte und gab der Kommission klar den Auftrag, die Onlineförderung zusammen mit den anderen Revisionspunkten einzuführen. Ich kann mir vorstellen, dass die Mehrheiten im Rat auch in der nächsten Debatte in gewissen Punkten anders sind.

zentralplus: Wie gross ist die Gefahr, dass die Onlineförderung am Ende ganz wegfällt?

Töngi: Wir haben den Auftrag des Plenums, die Onlineförderung in dem Paket zu belassen. Die Kommission hat das auch getan, obwohl es Anträge gab, sie wieder zu kippen. Von daher denke ich, es wird schon durchkommen. Es war aber auch im Ständerat nicht sehr deutlich. Deshalb muss man nochmals darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass man nicht einfach an den alten Instrumenten festhält und die Innovation verpasst oder sogar bremst.

Und zentralplus?

Die Position von zentralplus deckt sich mit jenen der «IG kleine und mittlere Verlage» und dem Verband Medien mit Zukunft, bei dem wir Mitglied sind. Beide fordern eine rasche Umsetzung des neuen Medienförderpakets inklusive der Einführung einer Onlineförderung, den vom Bundesrat vorgeschlagenen Degressionsschlüssel sowie die Einhaltung einer Holdingklausel.

zentralplus setzt auf eine Drittelsfinanzierung aus Werbeeinnahmen, Einnahmen aus der Community in Form eines freiwilligen Abos und Spenden sowie auf Einnahmen aus der Onlineförderung.

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