Vorschlag für besseren Draht zu Bevölkerung

Zuger FDP will eines der ersten Bürgerpanels der Schweiz

Daniel Kübler von der Universität Zürich erklärt, wie andere städtische Bürgerpanels verlaufen sind. (Bild: zvg)

Die Stadtzuger FDP-Präsidentin Elisabeth Glas schlägt dem Stadtrat vor, ein Bürgerpanel in Zug zu organisieren. Zufällig ausgewählte Zugerinnen könnten darin Anliegen der Stadt diskutieren. Solche Bürgerpanels setzt das Zentrum für Demokratie bereits erfolgreich um. zentralplus hat gefragt, was es damit auf sich hat.

Bürger bestimmen in der Schweiz, was der Stadtrat zu tun hat. Doch wie in so vielen anderen Gemeinden beteilige sich in Zug eine kleine homogene Gruppe weitaus stärker am politischen Prozess als die übrige Bevölkerung, findet die Zuger FDP-Präsidentin Elisabeth Glas. Eine repräsentative Vertretung der Gesamtbevölkerung wäre das nicht.

Deshalb hat Glas dem Stadtrat den Vorschlag gemacht, als eine der ersten Städte in der Schweiz ein Bürgerpanel in Zug zu organisieren. In diesem könnte mittels Losverfahren ein Querschnitt der Bevölkerung repräsentiert werden. «Es wäre toll, wenn es uns gelingen würde, Politikverdrossenheit in Enthusiasmus umzuwandeln», sagt Glas. Ausserdem könne Zug mit einem der ersten Bürgerpanels der Schweiz ein Abbild der in der Bevölkerung vertretenen Meinungen bekommen.

Die Idee hat uns neugierig gemacht. Deshalb hat zentralplus beim Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) nachgefragt. Geantwortet hat Politologe Daniel Kübler, er ist Professor am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich und Direktor des ZDA. Er setzt sich mit genau dieser Idee auseinander. Erst letzten Spätsommer hat er mit der Stadt Uster das erste Bürgerpanel der Deutschschweiz organisiert.

So lief das erste Bürgerpanel der Deutschschweiz

Für das Ergebnis dieses Pilotprojekts ist Daniel Kübler voll des Lobes, es scheint ein Erfolg geworden zu sein. Ein Gremium von 20 zufällig ausgewählten Bürgern hat während zweier Wochenenden über den Klimaplan der Stadt beraten, Experten angehört und Beschlüsse gefasst. «Damit weiss die Stadt nun, welche Punkte des Klimaplans Mehrheiten haben in der Bevölkerung», sagt Kübler.

Damit von den Meinungen des Bürgerpanels auf die der Gesamtbevölkerung geschlossen werden kann, muss ein möglichst exakter Querschnitt im Panel vertreten sein. Um das zu erreichen, wurde ein zweistufiges Losverfahren zur Wahl der Teilnehmer durchgeführt.

In der ersten Stufe wurden zufällig ausgewählte Bürger angefragt, ob er oder sie Interesse an einer Teilnahme habe. Diejenigen, die bejaht haben, wurden dann sortiert: Ohnehin politisch sehr Aktive wurden weniger berücksichtigt als Bürgerinnen, die auf der politischen Bühne der Gemeinde noch unbekannt sind.

Vier Tage beriet man den städtischen Klimaplan

Unter denjenigen, die bejaht haben, wurden dann 20 Personen als sogenannte geschichtete Zufallstichprobe ausgewählt.Dabei wird ein Losverfahren verwendet, das Kriterien wie Alter,Geschlecht, politisches Interesse und Links-Rechts-Orientierung entsprechend ihrer

Verteilung in der Gesamtbevölkerung gewichtet. So kann sichergestellt, dass die 20 ausgelosten Personen einen guten Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Und diese 20 Personen bildeten zusammen das erste Bürgerpanel der Deutschschweiz.

«Revolutionäre Sachen, wie es sich einige vorstellen, werden da nicht beschlossen.»

Daniel Kübler, Direktor Zentrum für Demokratie

Bevor es an zwei Wochenenden tagte, bereiteten Küblers Team und die Stadt eine Expertenliste vor. Bei seiner ersten Versammlung beriet das Panel darüber, welche Experten es aufbietet. Mit dem Wissen aus den folgenden Anhörungen ausgestattet, beriet es drei Tage lang den Klimaplan. Am vierten Tag fasste es schliesslich Beschlüsse. Diese ergänzen in Uster den politischen Prozess, sind also kein Ersatz für die übrigen politischen Instrumente.

Bürgerpanel lieferte Ideen, auf die die Stadt nicht gekommen ist

«Uster sagt, dass es dank dem Bürgerpanel neue Ideen zugetragen bekommen hat, auf die die Stadt selber nicht gekommen ist», sagt Kübler. Und die Stadt weiss jetzt detailliert, welche Punkte des Klimaplans mehrheitsfähig sind und wo sie noch einmal über die Bücher muss.

Über eine solche Möglichkeit wäre vielleicht auch Zug froh gewesen, als 2015 die ganze Stadt rätselte, ob die Stimmbevölkerung den Stadttunnel wohl annehmen wird (zentralplus berichtete). Ob das Bürgerpanel in Uster als Vorbild für weitere Städte wie Zug dienen kann?

«Wichtig zu erwähnen ist, dass wir uns dazu entschlossen haben, die Teilnehmer finanziell zu entschädigen. Und zwar genau in der Höhe der Sitzungsgelder, die die Stadtparlamentarier erhalten», sagt Daniel Kübler. In Uster hätten die Teilnehmer für vier Sitzungstage je etwa 600 Franken erhalten.

«Damit wollten wir verhindern, dass nur Leute teilnehmen, die es sich leisten können». Und tatsächlich fand sich beim Bürgerpanel in Sion unter den Teilnehmern eine selbstständige Unternehmerin. «Sie sagte, dass sie üblicherweise am Samstag arbeitet und deshalb nicht teilgenommen hätte, wenn es keine Entschädigung gegeben hätte», sagt Kübler.

«Revolutionäre Sachen werden in einem Bürgerpanel nicht beschlossen»

Wichtig sei, dass man mit den richtigen Erwartungen an ein Bürgerpanel herangehe. «Denn revolutionäre Sachen, wie es sich einige vorstellen, werden da nicht beschlossen», sagt Kübler. Vielmehr seien es kleine Änderungen, die ein solches Panel vorschlägt. Gezeigt haben das nicht nur die bisherigen Erfahrungen mit Bürgerpanels in der Schweiz, sondern auch einige im Ausland.

Das vielleicht berühmteste Beispiel, erzählt Kübler, sei die irische Citizens' Assembly. Ab 2016 hat diese 18 Monate lang verschiedenste nationale Themen behandelt, vom Abtreibungsgesetz bis zur Verfassung. Für ein Bürgerpanel in der Schweiz eigneten sich grundsätzlich alle Themen, sagt Kübler. «Die Ergebnisse werden allerdings besser, je konkreter die Fragestellung ist». Offen solle sie zwar sein, aber möglichst konkret.

Teilnahme an Bürgerpanel in Zug soll nicht obligatorisch sein

Ein Einzelfall war Uster nicht. Ebenfalls bereits Erfahrungen mit Bürgerpanels gemacht haben Sion und Genf. Und in Winterthur begleitet Küblers Team gerade das nächste Bürgerpanel. Es ist gemeinsam mit dem Projekt in Uster Teil eines Pilots, den der Kanton Zürich mit drei Städten durchführt. Ob auch Zug bald ein Bürgerpanel planen könnte?

Noch ist es erst ein Vorschlag der Zuger FDP. Eine Korrektur hat Präsidentin Elisabeth Glas noch für das Schreiben, das die Partei an den Stadtrat adressiert hat: In dem Schreiben ist die Rede von einem Obligatorium für ausgeloste Teilnehmer. «Da ist uns ein Missgeschick unterlaufen. Wir wollen natürlich kein Obligatorium, sondern stellen uns die Teilnahme freiwillig vor», so Glas.

Und was meint der Experte zu der Idee eines Bürgerpanels in Zug? «Ich finde die Idee eines Bürgerpanels in Zug grundsätzlich gut. Damit das Potenzial eines solchen Bürgerpanels gut zum Tragen kommt, ist es aber wichtig, dass das Panel gut in die politischen Prozesse eingebunden ist, dass es die existierenden Institutionen sinnvoll ergänzt, und dass Politik und Verwaltung gegenüber dem Panel und den Resultaten des Panels aufgeschlossen sind.»

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Richard Scholl
    Richard Scholl, 07.02.2022, 18:42 Uhr

    Statt einem Pänel gibt es bessere deutsche Synonyme. Sie werden in der Sekundarschule gelehrt.

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    • Profilfoto von Sereina Willi
      Sereina Willi, 07.02.2022, 20:20 Uhr

      Noch nerviger als Anglizismen sind nur Oberlehrer!!

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  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 04.02.2022, 19:55 Uhr

    Tolle Idee – bei FDP-Präsidentin Elisabeth Glas blitzt anscheinend ein Funke echten Liberalismus auf. Bedenken wir, dass es sich bei vielen Politikern jeglichen Couleurs oft um narzisstische Persönlichkeiten, die zweite oder dritte Garnitur und einen nicht repräsentativen, von Landwirten und Juristen dominierten Mix handelt – der das Credo „gib mir dies, dann geb ich dir das“ lebt –, dann ist aus demokratischer Sicht wirklich eine Zellauffrischung angezeigt. Dies, auch wenn wir glücklicherweise nicht in modernen Ein- oder Zweiparteien-Staaten leben müssen. Das Resultat dieser ziemlich offensichtlichen Unzulänglichkeiten des heutigen Systems sind einerseits die Stimmabstinenz, andererseits die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung parteipolitisch heimatlos ist. Mit dieser Idee eines Bürgerpanels liesse sich das enorme, kreative und vielfältige Potenzial unserer Bevölkerung besser nutzen – von Frisör:innen, Bürangestellten über Bauarbeiter:innen oder EDV-Fachleuten bis hin zu Ingenieur:innen oder erfolgreichen, apolitischen Unternehmer:innen. Dieser Teil der Bevölkerung bewegt sich nicht in parteipolitischen Echokammern und könnte aus seiner breiten Erfahrung sicher sehr viel zu echter Demokratie und zu zielführenden Lösungen akuter Probleme beitragen, mehr als man denkt!

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  • Profilfoto von Heiler
    Heiler, 04.02.2022, 12:12 Uhr

    Höchste Zeit, dass Deliberation auch im Kanton Zug zur Selbstverständlichkeit wird. Per Los ausgewählte Bürger:innen leisten einen wertvollen Beitrag zu den Herausforderungen von Stadt und Kanton Zug. Letztlich wird dadurch die Demokratie gestärkt.

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  • Profilfoto von michael-kueng
    michael-kueng, 04.02.2022, 11:45 Uhr

    @Kybi

    Vielleicht zur Präzisierung: Das kantonale Raumplanungsgesetz schreibt vor, dass die Gemeinden dafür sorgen, «dass die Bevölkerung und weitere Betroffene in geeigneter Weise mitwirken können». Die Bevölkerung ist aber nicht dazu verpflichtet, mitzuwirken.

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  • Profilfoto von Kybi
    Kybi, 04.02.2022, 11:24 Uhr

    @ Rudolf 1

    Unsere Idee betrifft für die Verwaltung obligatorische Teilnahmeverfahren wie die räumliche Gesamtstrategie Zug 2040, wo die Mitwirkung der Bürger/-innen der Stadt Zug bundesrechtlich vorgeschrieben ist. Die Gesamtstrategie 2040 werden wir anschliessend auch im GGR ausgiebig diskutieren. Liberale Grüsse

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  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 04.02.2022, 07:19 Uhr

    Dieses ausgeloste (!) Gremium ist eine Bieridee. Dafür ist in der Stadt Zug doch der Grosse Gemeinderat zuständig. Es wird niemand daran gehindert, dort die fähige Leute demokratisch hineinzuwählen.

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