Analyse zur Wahl

Martin Pfister, Zugs neuer Bundesrat? Chancen stehen gut

Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (Bild: ZRK)

Zug ist einem Bundesratssitz wieder so nah wie lange nicht. Am Mittwoch entscheidet es sich, ob Martin Pfister den Kanton in der höchsten Regierung des Landes vertritt. So schätzt zentralplus seine Chancen ein.

Am Dienstagnachmittag weibelt Martin Pfister um die letzten Stimmen. Er hat einen Spurt hinter sich: Am 3. Februar hat er seine offizielle Kandidatur als Nachfolger der abtretenden Bundesrätin Viola Amherd (Mitte) bekanntgegeben (zentralplus berichtete). Als Zuger Gesundheitsdirektor war er in Bundesbern ein Unbekannter und trat gegen den bestens vernetzten und bekannten Bauernpräsidenten Markus Ritter an.

In knapp fünf Wochen reiste Pfister immer wieder nach Bern, um Hände von Parlamentariern zu schütteln. Liess Journalistinnen den Sonntagsbrunch mit seiner Familie in Allenwinden besuchen. Engagierte die in Bern gut vernetzte PR-Beraterin Bettina Mutter. Ob er nun von Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister zur Kandidatur gedrängt wurde, wie gemunkelt wird oder nicht: Ein halbherziger Wahlkampf sähe anders aus.

Doch zahlt sich der Aufwand letztlich aus?

Die Zentralschweiz will zurück

zentralplus schätzt seine Chancen als sehr gut ein. Seit neun Jahren ist der 61-jährige Zuger Regierungsrat und kann deshalb viel Exekutiverfahrung vorweisen. Er war Oberst in der Armee, womit der Baarer den grössten Teil des Verteidigungsdepartements, das er bei einer Wahl wohl übernehmen würde, von innen kennt. Er ist Zentralschweizer, eine Region, die seit dem Rücktritt des Luzerners Kaspar Villiger 2003 wieder in den Bundesrat will. Zug wartet gar schon seit 1982 auf eine neue Vertretung in der Landesregierung (zentralplus berichtete).

Markus Ritter wäre bei einer Wahl der zweite St. Galler im Bundesrat nebst Karin Keller-Sutter. Zwar gibt es keine Klausel, die das explizit verbietet. Aber zur Wahl heisst es immerhin, die Landesteile sollten «angemessen» vertreten sein. Somit dürfte Pfister einige Sympathien bei den Zentral- und Innerschweizern geniessen, auch wenn sie Markus Ritter näherstünden.

Der Anti-Ritter

Markus Ritters nationale Bekanntheit ist ein zweischneidiges Schwert. Denn: Der St. Galler Nationalrat hat unter der Bundeshauskuppel längst nicht nur Freunde. Als Bauernpräsident kämpfte er jeweils lautstark gegen Initiativen der Grünen, etwa die Trinkwasser- oder die Pestizidinitiative. Mit seinem Kampf gegen Umweltschutz tritt er auch der SP auf die Füsse. Mit den Freisinnigen verscherzte Ritter es sich einst, als er mit den Bauern gegen ein Freihandelsabkommen kämpfte, das unter anderem Zölle auf Rindfleisch senken wollte.

Zudem befürchten wohl einige, dass er nach einer Wahl in den Bundesrat aufs Volkswirtschaftsdepartement schiele, dem das Landwirtschaftsamt unterstellt ist. Immerhin ist SVP-Bundesrat Guy Parmelin bereits 65 Jahre alt. Zwar hat Ritter extra bekräftigt, er würde im Verteidigungsdepartement bleiben wollen. Doch ob die Parlamentarierinnen dem Glauben schenken?

Auch seine exzentrische und selbstsichere Art kommt nicht überall gut an. Das pure Gegenteil demonstriert der ruhige und überlegte Martin Pfister, der relativ früh in den Medien als «Anti-Ritter» gehandelt wurde (zentralplus berichtete). Der Baarer dürfte auf einigen Wahlzetteln landen, nur weil er eben nicht Ritter ist. Oder, wie es der ehemalige SVP-Chef Toni Brunner in einer Kolumne zur Wahl schrieb: «Bundesrat wird, wer absoluter Durchschnitt ist, wer noch niemandem auf den Füssen herumgetrampelt ist und wer ohne Ecken und Kanten mit dem Strom schwimmt.»

Pfister ist liberaler als Ritter

Nur mit der Tatsache, nicht Markus Ritter zu sein, dürfte Martin Pfister die 246 National- und Ständeräte der Vereinigten Bundesversammlung jedoch nicht ganz überzeugen können. Auch inhaltlich muss er punkten können. Hier geben sich beide Kandidaten jedoch erstaunlich ähnlich, wie viele Medien berichten.

Beide wollen die Armee ausbauen und stärker mit der Nato zusammenarbeiten, ohne ihr beizutreten. Beide befürworten EU-Verträge, finden jedoch, dass einige Punkte noch diskutiert werden müssen. Allerdings sei Pfister etwas gesellschaftsliberaler und ökologischer, aber weniger ausgabenfreudig als Ritter, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

SVP hinter Ritter, FDP und GLP geteilt

Entsprechend stellt sich die SVP-Fraktion «grossmehrheitlich» hinter Ritter, wie sie am Dienstag mitteilt. Die FDP gab nach der Anhörung keine Empfehlung ab und empfand beide als wählbar. Die Grünliberalen gaben keine offizielle Wahlempfehlung ab, betonten aber, dass Pfister der GLP wohl näher stehe.

Nach der Anhörung der Kandidaten gab die GLP-Fraktion vor den Medien keine Empfehlung ab, bezeichnete Pfister aber als «näher». (Bild: GLP Schweiz)

Bleiben die SP und die Grünen. Beide Parteien machten öffentlichwirksam klar, dass sie die Auswahl kaum begrüssen. SP-Nationalrat Fabian Molina bezeichnete das Ticket als lebendig gewordene «Geld-und-Gülle-Allianz», auch Grüne-Chefin Lisa Mazzone gab den Kandidaten gegenüber CH Media «null Punkte». Gar sollen die linken Parteien an einem Coup gearbeitet haben, diesen aber wieder verworfen haben, da sich keine Mitte-Vertreterin für eine Sprengkandidatur finden liess.

Kann Pfister dem Viererblock im Bundesrat entgegentreten?

Am Dienstag trafen die SP- und die Grüne-Fraktion beide Kandidaten zu Anhörungen. Beide Fraktionen wollten im Nachgang keine Empfehlung abgeben und werden am Dienstagabend und Mittwochmorgen noch weiter diskutieren. Die meisten Wahlbeobachter gehen jedoch davon aus, dass Ritter wohl keine Stimme bei den Grünen machen wird. Offener ist das Rennen bei der SP, wie etwa «Watson» schreibt.

Zwar punkte Pfister mit seiner grundsätzlich liberaleren Haltung. Allerdings befürchten wohl einige SP-Vertreter, Martin Pfister würde sich der knallharten Sparerin Karin Keller-Sutter (FDP) wohl kaum entgegensetzen. Ritter hingegen trauen sie eher zu, der FDP-Bundesrätin Paroli zu bieten. Auch sei dem St. Galler der Service Public und Randregionen wichtig. Bei der SP dürfte also auch Ritter einige Stimmen holen.

Basierend darauf könnte eine mögliche Stimmenverteilung also beispielsweise so aussehen:

Das zeigt: Das Rennen ist zwar noch offen – Ritter hat seine Favoritenrolle aber klar eingebüsst. Ob sich jedoch alle Parlamentarier an die öffentlichen Empfehlungen halten, ist unklar. Schliesslich ist die Wahl geheim. Und die Nacht vor den Bundesratswahlen ist bekanntlich besonders lang.

Verwendete Quellen
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