Sitzt sie bald mit ihrem Bruder im Gemeinderat?

Manuela Leemann: Jetzt will die Zugerin aktiv Politik betreiben

Manuela Leemann zu Hause auf ihrem Balkon.

(Bild: sib)

Manuela Leemann sitzt seit einem Sportunfall im Rollstuhl. Doch davon hat sie sich nie unterkriegen lassen. Das neuste Projekt der Rechtsanwältin: Sie kandidiert für den Kantonsrat und GGR. Dabei war die Wahl der Partei, für die sie kandidiert, alles andere als einfach – und widerspricht der Familientradition.

Wie von Geisterhand öffnet sich die Wohnungstür von Manuela Leemann in einem der zahlreichen Geschäftsgebäude in der Zuger Grafenau. Freundlich werden wir von der 37-Jährigen hereingebeten. Sie drückt einen Knopf und schon schliesst sich die Tür hinter uns wieder.

Die Zugerin hat sich ihre Wohnung, in der sie zusammen mit ihrem Partner lebt, so praktisch wie möglich eingerichtet. Auch die Schiebetür zum Balkon kann man per Knopfdruck öffnen. Denn seit sie sich mit 15 Jahren beim Stafettenlauf den Kopf derart unglücklich angestossen hat, dass sie sich den fünften Halswirbel gebrochen hat, ist sie an den Rollstuhl gebunden. Die Rechtsanwältin ist Tetraplegikerin, hat immerhin teilweise Muskelkraft in ihren Armen. Seit fünf Jahren arbeitet sie in einem 80-Prozent-Pensum als juristische Mitarbeiterin bei der Direktion des Innern in Zug.

«Ich bin 37 – entweder jetzt oder gar nicht.»

Manuela Leemann, Kandidatin Kantonsrat und GGR

Leemann setzt sich als Vorstandsmitglied von Pro Infirmis Schweiz dafür ein, dass der Alltag von Menschen mit Behinderung vereinfacht wird. Nun will sie diese Anliegen auch in die Zuger Politik einbringen. Sie kandidiert bei den Gesamterneuerungswahlen vom 7. Oktober sowohl für den Kantonsrat als auch den Grossen Gemeinderat der Stadt Zug, den GGR. «Ich will etwas bewegen, mitreden, mitgestalten», nennt sie die Motivation für ihre Kandidatur.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

«Nun habe ich mir gedacht: ‹Ich bin 37 – entweder jetzt oder gar nicht›.» Durch ihr Engagement sei sie zum Schluss gekommen, dass vieles auf dem politischen Weg einfacher wäre, wenn man gleich im Parlament sitze.

War der Entscheid erst einmal gefällt, stand Leemann bereits vor der nächsten Frage – welche Partei soll es denn sein? Etwa die FDP? Schliesslich stammt sie aus einer FDP-Familie, ihr Bruder Rainer sitzt für die Partei im GGR.

Lernte für den Wahlkampf das Handwerk des Video-Schneidens: Manuela Leemann.

Lernte für den Wahlkampf das Handwerk des Video-Schneidens: Manuela Leemann.

(Bild: sib)

«Ich habe mich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt», holt Leemann aus. Sie wusste: Irgendwas in der Mitte soll es sein. Sie bezeichnet sich als «liberal-sozial», befürwortet eine starke Zuger Wirtschaft. Auch im Internet habe sie recherchiert, welche Partei passen würde. «Ich entschied mich schliesslich für die CVP, weil sie für liberale Werte, aber auch für soziale Verantwortung steht.»

Unnötige Stufen

Leemann bezeichnet sich als «aktive, aber besonnene Politikerin». Es sei ihr wichtig, immer sachlich zu bleiben. Dies gilt auch, wenn es um eines ihrer Kernthemen geht: die Hindernisfreiheit. In den gut 20 Jahren, seit sie im Rollstuhl sitzt, habe sich vieles verbessert.

Im öV habe es in dieser Zeit grosse Fortschritte gegeben. «Die Busse haben inzwischen Rampen, die Züge einen flachen Eingang.» Doch gebe es nach wie vor viele Hindernisse. «Was mich bei baulichen Dingen ärgert, sind neue Gebäude mit ein, zwei Stufen, die nicht nötig wären», mahnt sie. Und auch die Behörden nimmt sie in die Pflicht.

Luzern als gutes Beispiel

«Die Stadt und der Kanton sollten bei Bewilligungsverfahren darauf achten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Hindernisfreiheit eingehalten werden. Bezüglich Bewilligungsverfahren sieht sie Luzern als gutes Beispiel. Während in Zug die Fachstelle Hindernisfreies Bauen von sich aus tätig werden muss, ist im Kanton Luzern ein Automatismus gegeben, sodass die Fachstelle bei sämtlichen relevanten Projekten ihre Beurteilung abgeben kann. «So können viele Fehler vermieden werden», ist Leemann überzeugt.

«Die scheinen den Sinn des Tixis nicht zu verstehen.»

Manuela Leemann

Dass sie im Kampf um Hindernisfreiheit auch immer wieder Rückschläge einstecken muss, zeigte sich kürzlich, als der Regierungsrat entschied, dass Tixis die Busspur an der Chamerstrasse in Zug nicht benützen dürfen. Er begründete dies damit, dass die betroffenen Personen auch den Bus oder das Taxi benützen könnten, weswegen sie nicht diskriminiert würden.

Rüge für den Regierungsrat

«Für mich sind das total unverständliche Begründungen», findet Leemann deutliche Worte. «Die scheinen den Sinn des Tixis nicht zu verstehen. Dieses wird gerade von Leuten benutzt, die den öV nicht benutzen können.» Solche Beispiele würden aufzeigen, wie viel Sensibilisierungsarbeit immer noch nötig sei.

Die 37-Jährige zeigt sich für den Abstimmungskampf im Netz äusserst aktiv. Sie betreibt eine eigene Website, fast täglich findet man ein neues Video auf ihrer Facebook-Seite. Sie wisse nicht, ob jemand sie wegen eines Videos oder einer Website wähle. «Doch hoffe ich schon, damit einige Leute zu erreichen.»

Bremst sie die Geschäftsordnung aus?

In einem der Videos macht sie auf ein Problem aufmerksam, sollte sie tatsächlich in den Kantonsrat gewählt werden. Denn: In der Geschäftsordnung des Kantonsrats steht, dass man den Eid stehend ablegen muss – für Manuela Leemann ein Ding der Unmöglichkeit. Kann sie also überhaupt Kantonsrätin werden?

«Einen Tag, nachdem ich das entsprechende Video online gestellt hatte, bekam ich einen Anruf des Landschreibers», erzählt sie. Dieser teilte mit, er würde veranlassen, das Problem zu lösen. Das Gesetz könne man ändern, damit man beim Ablegen des Eids nicht stehen muss, sollte dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein.

Das Rezept gegen einen drögen Samstagabend

Leemanns politisches Programm besteht selbstredend nicht nur aus ihrem Einsatz für Hindernisfreiheit. Sie hat sich unter anderem auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Fahne geschrieben, denkt an flexiblere familienergänzende Kinderbetreuung. «Beispielsweise, wenn jemand sein Kind nur halbtags in die Kita geben möchte. Oder für Leute mit unregelmässigen Arbeitszeiten», führt sie aus.

Dazu steht bei ihr ein vielfältiges Gesellschaftsleben weit oben auf der Politagenda. Doch wie stellt sie es sich vor, damit der Samstagabend in Zug wieder lebendiger wird?

Die Antwort gibt es im Video:

Ein «vielfältiges Gesellschaftsleben» pflegt Leemann auch privat. Am Dienstagnachmittag steht in Nottwil jeweils Rollstuhlrugby auf dem Programm. Dazu spielt sie Tischtennis und ist passionierte Handbikerin. Sie ist überzeugt davon, dass sie für diese Tätigkeiten auch im Falle einer Wahl Zeit finden würde. «Im Winter wäre das definitiv kein Problem, da dieser nicht so meine Jahreszeit ist. Dann kann ich auch nicht so viel machen. Und durch mein 80-Prozent-Pensum habe ich auch noch etwas Kapazitäten.»

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