Politik
Grünliberale Partei des Kantons Luzern

GLP mal links, mal rechts: Hauptsache, Sitze gewinnen

GLP-Co-Präsidentin Riccarda Schaller sieht kein Problem in diametral entgegengesetzten Listenverbindungen. Politologe Reto Mitteregger beurteilt das kritischer.

Die Grünliberale Partei geht in der Stadt Listenverbindungen mit den Bürgerlichen ein, auf dem Land mit links. Riccarda Schaller (GLP) sieht darin kein Problem – ganz im Unterschied zum Politologen Reto Mitteregger.

Für die Kantonsratswahlen am 2. April ist die GLP im Wahlkreis Luzern Stadt Listenverbindungen eingegangen mit Mitte, FDP, SVP sowie mit deren Jungparteien. Mit der bürgerlichen Allianz hilft die GLP mit, zu verhindern, dass die Mehrheit der Stadtluzerner Kantonsratsvertreter neu von den links-grünen Parteien gestellt wird. Aktuell steht es bei einem Patt von 12:12 Sitzen.

Eine ganz andere Wahlstrategie fährt die GLP auf dem Land, wo sie ungleich weniger gut vertreten ist als in der Stadt und in der Agglomeration. In den Wahlkreisen Luzern Land, Hochdorf, Sursee und Willisau pflegt die GLP Listenverbindungen mit den dort ebenfalls schwächer als in der Stadt vertretenen links-grünen Parteien. Keine Kandidatinnen und Kandidaten stellt die GLP im Wahlkreis Entlebuch.

Gleichzeitig geht die GLP auch bei den Regierungsratswahlen Listenverbindungen ein: Dort hauptsächlich im Schulterschluss mit den bürgerlichen Parteien. Die Kandidatur ihrer Regierungsratskandidatin Claudia Huser (zentralplus berichtete) steht unter der Schirmherrschaft des mächtigen Gewerbeverbandes KGL, was verbandsintern für Diskussionen gesorgt hat (zentralplus berichtete).

Damit riskiert die GLP, Irritationen bei Ihren Wählerinnen und Wählern auszulösen. So beispielsweise bei Wählerinnen aus dem Wahlkreis Hochdorf: Gemäss Wahlunterlagen haben sie für die Kantonsratswahlen mit vorwiegend grün und eher links positionierten Kandidaten zu tun, während sie gleichzeitig die aufgrund der Allianzen bürgerlich positionierten Kandidatin wählen sollen.

Riccarda Schaller, Co-Präsidentin der GLP Kanton Luzern, sieht in diesen Listenverbindungen in diametral entgegengesetzte politische Spektren keinen Widerspruch. Sie sagt: «Eine Listenverbindung einzugehen ist für die GLP in erster Linie eine kalkulatorische Frage. Und nicht gleichbedeutend mit einer inhaltlichen Verbindung.»

Sie hat ein pragmatisches Verständnis des Instruments Listenverbindung. Diese kann bekanntlich einer kleineren Partei Sitze aufgrund von Restmandaten bescheren: «Für uns haben Listenverbindungen in erster Linie den Zweck, eine möglichst starke Vertretung der GLP im Kantonsrat zu erzielen.»

GLP muss ihre heterogene Wählerschaft ausgewogen pflegen

Für den in Luzern aufgewachsenen Politologen Reto Mitteregger, der an der Universität Zürich doktoriert und die Luzerner Wahlen aufmerksam beobachtet, ist diese Linie der GLP-Exponentin und Politstrategin im Vorstand der GLP Schweiz nachvollziehbar. Er weiss aus Erhebungen, dass sich das Elektorat der GLP einerseits aus zuvor bürgerlich Wählenden, denen ihre zuvor gewählte Partei zu konservativ und zu wenig modern ist, zusammensetzt. Andererseits tue sie dies im gleichen Mass bei Linken, denen die SP zu links und zu dogmatisch sei.

Er sagt: «Verständlicherweise versucht die GLP infolgedessen auch für den 2. April, gleichzeitig Wählerinnen aus beiden Lagern anzusprechen.» Mit Folgen, wie er meint: «Daher ist sie vor dem Hintergrund der Luzerner Wahlen schwer als eindeutig linke oder eindeutig bürgerliche Kraft kategorisierbar.»

Statt indigniert zu reagieren, scheint die GLP inzwischen gegen solche Kritik imprägniert zu sein. Riccarda Schaller unterstreicht selbstbewusst die Unabhängigkeit ihrer Partei von Wahlkampfallianzen jeglicher Art: «Wir sind in der nächsten Legislatur unseren Wählerinnen verpflichtet. Die Listenverbindung ist kein Zusammenarbeitsprogramm mit den Parteien in der nächsten Legislatur.» 

Sich erklären zu müssen, sieht Riccarda Schaller als Chance

Schaller verweist darauf, dass die GLP im politischen Tagesgeschäft klare sachpolitische und zukunftsorientierte Positionen vertrete. Die Tatsache, dass sich viele Wähler die Frage stellen, was sie denn mit der GLP genau für eine Position wählen, wendet sie ins Positive. Zwar gibt sie zu: «Wir müssen unsere Politik im aktuellen Wahlkampf nach wie vor erklären, weil sie sich nicht im veralteten Links-rechts-Schema einordnen lässt.» Doch sieht sie darin auch eine willkommene Gelegenheit: «Wir tun das gerne.»

Der Politologe Reto Mitteregger beurteilt die Chancen der GLP weiter zuzulegen vorsichtig positiv: «Zwar hat die GLP auch im Kanton Luzern dazugewonnen – aber auf einem schweizweit vergleichsweise tieferen Niveau.» Das Plus der Luzerner GLP von etwas mehr als einem Prozentpunkt Wähleranteil bei den Nationalratswahlen 2019 sei weniger hoch ausgefallen als dies gleichentags in Bern mit plus vier Prozentpunkten oder in Zürich mit plus sechs Prozentpunkten der Fall gewesen sei.

«Im Kanton Luzern hat die GLP im Vergleich zu Zürich eine wesentlich jüngere Geschichte – auch weil die CVP – die heutige Mitte – und die FDP lange Zeit derart dominant waren. Die GLP kann demnach noch viel Wahlpotenzial ausschöpfen im Kanton Luzern, auch bei kantonalen Wahlen.»

Bei Sachthemen kooperiert die GLP je nach Sachlage mit links oder rechts

Die Sachpolitik der GLP fasst Riccarda Schaller folgendermassen kurz zusammen: «Bei den ökologischen wie auch gesellschaftsliberalen Themen spannen wir meist mit den linken Parteien zusammen, in der Finanzpolitik und bei Wirtschaftsthemen sind es eher die bürgerlichen Parteien.»

So verweist sie auf ihr Postulat, das dank Unterstützung von FDP, SP und den Grünen überwiesen wurde, damit die Regierung sich beim Bund für die Einführung einer Individualbesteuerung einsetzt. «Beim Referendum zur Finanzhilfe für einen Neubau der Kaserne im Vatikan haben wir gemeinsam mit der Linken die Volksabstimmung gewonnen.» Und GLP-Kantonsrat Mario Cozzio habe für seinen Vorstoss zur Senkung der Steuer für den Bezug von Vorsorgegeldern Unterstützung bei Mitte, FDP und SVP gefunden.

Im Gegensatz zu den Wahlen 2019, zu deren Anlass die GLP aufgrund des stark präsenten Klimathemas Wähleranteile dazugewinnen konnte, stellt Politologe Reto Mitteregger der GLP für die Wahlen 2023 folgende Prognose: «Obwohl ihr die aktuelle Themenkonjunktur nicht in die Hände spielt, könnte die GLP am 2. April erneut zulegen, wenn auch vielleicht nicht im von der Partei gewünschten Ausmass.»

GLP-Wählerschaft allergisch gegenüber SVP-Wählerschaft und umgekehrt

Laut Mitteregger erzielt die GLP ihre stärksten Wahlergebnisse hauptsächlich in der Agglomeration, wie beispielsweise in Ebikon oder Adligenswil und in der Stadt Luzern. «Die dort wohnhafte, eher progressive Wählerschaft der GLP hat aber, wie Wahlnachbefragungen zeigen, fast schon eine Antipathie gegen die Politik der SVP und kann sich kaum vorstellen, alternativ zur GLP die SVP zu wählen.»

Die Weltbilder beider Elektorate würden in mehrerlei Hinsicht diametral auseinandergehen. Mitteregger ist der Ansicht, dass die GLP in ihrer Listenverbindung mit der SVP den Goodwill der Wählerschaft bis aufs Äusserste ausreizt: «Für die GLP ist ihre Listenverbindung mit der SVP im Wahlkreis Stadt Luzern – zumindest aus dieser «nicht-arithmetischen» Perspektive – fast nicht zu erklären. Der eigenen Wählerschaft, gerade jungen und progressiven Leuten, dürfte dies demzufolge schwer zu vermitteln sein.»

Regierungsratswahlen: Je nach Verlauf des erstes Wahlgangs …

Reto Mitteregger sieht zwar durchaus den symbolischen Gehalt in der Sitzverteilung im Kantonsrat innerhalb des Wahlkreises Luzern. Doch sagt er: «Der Kanton Luzern bleibt trotz zunehmender Anteile von links-grün in der Stadt übers Ganze gesehen klar eine Hochburg der Bürgerlichen. Sollte im Kantonsrat des Wahlkreises Luzern-Stadt links-grün neu mehr als 12 der 24 Sitze einnehmen, ändert das nichts an den Kräfteverhältnissen im Gesamtkantonsrat mit 120 Sitzen.»

In Bezug auf den ersten Regierungsratswahlgang vom 2. April stimmt er in die Meinung der meisten Auguren ein und denkt, dass die bisherigen Regierungsräte Reto Wyss (Mitte) und Fabian Peter (FDP) im ersten Wahlgang wiedergewählt werden. Und er ergänzt: «Das könnte allenfalls auch dem neu antretenden Armin Hartmann von der SVP gelingen. Sollte es im zweiten Wahlgang noch um zwei verbleibende Sitze gehen, dürfte einerseits Michaela Tschuor (Mitte) grösste Wahlchancen haben.»

… steht die GLP vor einer schwierigen Entscheidung

Und andererseits? Diesbezüglich wagt er eine pointierte Meinung und Prognose: «Den Linken mit kantonsweit zusammen rund 25 Prozent Wähleranteil würde dann aus Konkordanzgründen der fünfte Sitz zustehen.» Schliesslich habe die SP ihre Referndumsfähigkeit in der Opposition bewiesen. «Ob die GLP mit Kandidatin Claudia Huser dagegen antreten und sich damit ein Glaubwürdigkeitsproblem einhandeln will, wage ich heute eher zu bezweifeln.»

Aus seiner Sicht spricht das Momentum für die SP: «Die Themenkonjunktur mit der gewonnenen Airbnb-Initiative in der Stadt Luzern wie auch die Wohnungsnot allgemein und die steigenden Lebenshaltungskosten könnten der Mobilisierung der SP Schub verleihen – sie besetzt diese Themen.»

Gespannt ist er gleichwohl auf den 2. April und den zu erwartenden zweiten Wahlgang für die noch verbleibenden Regierungsratssitze: «Die Wahlausgang bleibt trotzdem in vielen Punkten offen.»

Verwendete Quellen
  • Medienarchiv von zentralplus
  • Telefonat und Mailaustausch mit Riccarda Schaller
  • Telefonat und Mailaustausch mit Reto Mitteregger
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.


Apple Store IconGoogle Play Store Icon