Stadt unterschätzt Komplexität des Bahnhofplatzes

Luzerner öV-Projekt verzögert sich auf unbestimmte Zeit

Die Bäume verschwinden, dafür gibt es mehr Platz für Busperrons: So könnte der Bahnhof dereinst aussehen. (Visualisierung: Mathys Partner)

Dank mehr Direktverbindungen sollen künftig weniger Busse am Luzerner Bahnhof wenden müssen. Dazu braucht es neue Perrons. Das entsprechende Bauprojekt kommt allerdings nur schleppend voran. Zu den Gründen gibt sich die Stadt bedeckt und kontert: Von einer Blockade könne keine Rede sein.

Bis der Durchgangsbahnhof in Luzern Realität wird, dürfte es noch rund 20 Jahre dauern. Doch bis dahin wachsen die Stadt und die Agglomeration – und damit auch die Zahl derjenigen, die mit Zug und Bus unterwegs sind.

Deshalb ist man sich einig: Damit die Region nicht im Verkehrschaos versinkt, muss der öffentliche Verkehr nicht erst mit dem Milliardenprojekt Durchgangsbahnhof, sondern bereits in den nächsten Jahren verbessert werden. «Aufgrund der steigenden Nachfrage und der hohen Verkehrsdichte im Zentrum ist eine Weiterentwicklung des öVs unabdingbar», sagt Romeo Degiacomi, Mediensprecher des Verkehrsverbundes Luzern, der den öffentlichen Verkehr im Kanton Luzern plant.

Eine der zentralen Massnahmen sind mehr direkte Buslinien. Denn bis auf wenige Ausnahmen – unter anderem die Linien 1, 7, oder 8 – enden und starten heute alle Busse am Bahnhof Luzern. Statt nur kurz anzuhalten, müssen die Busse abbiegen, auf dem Bahnhofplatz wenden und sich dann in den Verkehrsstrom einreihen, um wieder weiterfahren zu können. Dabei geht viel Zeit verloren.

Das soll sich ändern. In naher Zukunft sollen die Linien 20 und 24 verbunden – und so eine direkte Linie von Horw nach Meggen ermöglicht werden. Auch aus den Linien 12 und 8 entsteht bald eine Direktverbindung zwischen Littau und Würzenbach. Sogenannte Durchmesserlinien schlagen dabei mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zum einen müssen die Fahrgäste nicht mehr umsteigen und sparen Zeit. «Zum anderen sorgen Durchmesserlinien für besser ausgelastete Fahrzeuge in der Innenstadt und leisten einen wichtigen Beitrag für ein flüssiges Gesamtverkehrssystem», betont Romeo Degiacomi vom Verkehrsverbund Luzern.

Bauprojekt hat Verspätung

Damit mehr solche Direktlinien möglich werden, muss allerdings der Bahnhof umgestaltet werden. Geplant sind zwei neue Perrons für Durchmesserlinien. Doch bis das Realität ist, dauert es länger als gedacht. Das Bauprojekt für den Doppelbusperron verzögert sich auf unbekannte Zeit.

Als Grund nennt die Stadt Luzern den Standort. «Der Bahnhofplatz ist ein zentraler, komplexer Verkehrsknotenpunkt mit sehr vielen Bedürfnissen», sagt Daniel Nussbaumer vom städtischen Tiefbauamt. «Das war bereits im Voraus klar, aber was es effektiv heisst, zeigt sich erst jetzt.» So seien in der Vernehmlassung zahlreiche Rückmeldungen eingegangen. «Die Bedürfnisse sind umfangreicher, als wir erwartet haben.»

Eines ist klar: Für die Baumreihe hat es keinen Platz mehr.

Eines ist klar: Für die Baumreihe hat es keinen Platz mehr.

(Bild: jal)

Das Grundproblem: Der Platz auf dem Bahnhofplatz ist eng. Offensichtlich zu eng für alle Wünsche. Eine Verkehrssicherheitsanalyse hat nun verglichen, wo die geplante Anlage von den Normen in Sachen Fahrstreifen, Veloverkehr oder Fussgängerführung abweicht. «Wir haben viele Puzzlesteine, die wir nun zusammensetzen müssen. Die grosse Herausforderung besteht darin, aus den vorhandenen Platzverhältnissen das Maximum herausholen.»

Interessant zu erfahren wäre, wo sich die Ansprüche in die Quere kommen. Doch auf diese Details will die Stadt zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingehen. «Zurzeit ist noch vieles offen», sagt Nussbaumer.

Dem Vernehmen nach gibt es auch noch offene Punkte zwischen dem Kanton und der Stadt Luzern, die in Verkehrsfragen bekanntlich nicht immer gleich ticken. Daniel Nussbaumer widerspricht allerdings. «Wir sind uns mit dem Kanton darin einig, was wir wollen und mit welchen Rahmenbedingungen.»

Bäume müssen weichen

Diese Grundzüge sehen folgendermassen aus: Vorgesehen ist, dass auf der Seite der Hauptpost ein zusätzliches Perron auf der heutigen Fahrbahn erstellt wird. Dort halten in Zukunft also parallel nebeneinander Busse. Das geht aber nicht zulasten einer Autospur: Die Leistungsfähigkeit für den motorisierten Individualverkehr soll explizit beibehalten werden, betont Nussbaumer. In beide Richtungen bleiben je zwei Fahrspuren für den Durchgangsverkehr erhalten.

Die Baumreihe sowie die angrenzende, gelb markierte Busabbiegespur müssen Platz machen. Denn nebst der Bushaltestelle vor der Hauptpost kommt ein zweites Perron. Die Details des Projekts müssen aber noch ausgehandelt werden.

Die Baumreihe sowie die angrenzende, gelb markierte Busabbiegespur müssen Platz machen. Denn nebst der Bushaltestelle vor der Hauptpost kommt ein zweites Perron. Die Details des Projekts müssen aber noch ausgehandelt werden.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Allerdings wird es keine separate Busabbiegespur mehr geben, weil künftig weniger Busse von der Seebrücke her kommend auf den Bahnhofplatz einbiegen müssen. Weil damit aber noch nicht genügend Platz gewonnen ist, müssen auch die Bäume inmitten der heutigen Strasse weichen.

«Die heutigen Haltekanten sind alle belegt – es besteht absolut keine Kapazität mehr für zusätzliche Linien.»

Romeo Degiacomi, Mediensprecher Verkehrsverbund Luzern

Zu Änderungen kommt es auch auf der gegenüberliegenden Seite, in der Nähe des Torbogens. Wo heute der Bus Richtung Emmenbrücke hält, entsteht ein zweites Durchmesserperron. Zudem werden die relativ kleinen fünf Inseln (Haltekanten C bis H) durch zwei neue, längere Haltekanten ersetzt.

Alle Halteplätze sind belegt

«Das Projekt Durchmesserperron stellt einen zentralen Baustein der künftigen öV-Planung der gesamten Agglomeration dar», betont Daniel Nussbaumer die Relevanz des Projekts. Auch der Kanton bekräftigt diese Haltung, genauso der Verkehrsverbund Luzern. Gerade der VVL hofft, dass es mit dem Projekt rasch vorwärtsgeht: Denn verzögert sich der Bau der Durchmesserperrons, hat das Folgen für das Angebot im öffentlichen Verkehr. «Die heutigen Haltekanten sind alle belegt – es besteht absolut keine Kapazität mehr für zusätzliche Linien», sagt Romeo Degiacomi, Mediensprecher des Verkehrsverbundes Luzern.

«Von einer Blockade kann keine Rede sein.»

Daniel Nussbaumer, Projektleiter Stadt Luzern

Konkret verzögere sich ohne die Realisierung der Durchmesserperrons die Umsetzung der geplanten Verknüpfung der Buslinie 20 und 24 sowie der Schaffung der neuen RBus-Linie 3 von Littau via Bahnhof Luzern nach Würzenbach. Die beiden Angebote sollten ursprünglich in den nächsten drei bis vier Jahren umgesetzt werden. «Ohne Durchmesserperron kann der VVL das öV-Angebot in der Stadt und Agglomeration nur geringfügig weiterentwickeln», hält Degiacomi mit Nachdruck fest.

Steht die Stadt, die sich stark für den öffentlichen Verkehr einsetzt, nun einem der wichtigen Projekte auf dem Schlauch? Davon will Daniel Nussbaumer nichts wissen. «Von einer Blockade kann keine Rede sein. Wir sind genauso stark daran interessiert, dass das Vorhaben so schnell wie möglich vorankommt. Aber es ist normal, dass die Planung eines solch komplexen Projekts mehrere Jahre dauert.»

So geht es weiter

Wie viele Jahre, das ist noch offen. «Zurzeit geht es darum, die Eckwerte aufgrund der Verkehrssicherheitsanalyse und der erfolgten Vernehmlassung des Vorprojektes festzulegen», sagt der Projektleiter. Diese betreffen zum Beispiel die Gestaltung des Platzes oder die Anordnung und Breite der Fahrspuren. Voraussichtlich im Jahr 2019 sollen diese Informationen vorliegen. Anschliessend wird das Vorprojekt ergänzt und auf dieser Basis ein Bauprojekt ausgearbeitet. Bis wann das vorgestellt wird und wann eine Umsetzung realistisch ist – dazu kann die Stadt aufgrund der ausstehenden Ergebnisse keine Jahreszahlen nennen. Auch der Kanton wagt sich diesbezüglich nicht auf die Äste hinaus.

Das Projekt wird gemeinsam von Kanton und Stadt vorangetrieben – und auch gemeinsam finanziert. Wie viel es kosten wird, ist zurzeit noch offen. Im Entwurf zum neuen Bauprogramm 2019–2022 für die Kantonsstrassen, über das der Kantonsrat Ende Jahr entscheiden wird, hat Luzern 2,9 Millionen Franken für das Projekt eingestellt.

Doch der Kantonsanteil umfasst nur den Bau der Perrons auf Strassenniveau. Für die Ausgestaltung der Haltestellen – insbesondere für die Überdachung der Perrons – ist die Stadt Luzern zuständig. Zu den erwarteten Kosten nimmt die Stadt aktuell noch keine Stellung, diese würden mit der Überarbeitung des Vorprojekts berechnet.

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