Durchzogene Noten für Regierung

Luzerner ärgern sich über Steuerpolitik

Der parteilose Regierungsrat Marcel Schwerzmann hält die Kritik der Bevölkerung an der Steuerpolitik für verfehlt.

(Bild: Montage les)

Immer weniger Luzerner stehen hinter der kantonalen Steuerpolitik – so das Resultat der aktuellsten Bevölkerungsbefragung. Doch was das heisst, ist umstritten.

Mehr Kritische und weniger Zufriedene: In keinem Bereich ist der Unmut der Luzernerinnen und Luzerner so gross wie bei der Steuerpolitik. Das zeigt die Bevölkerungsbefragung 2015 des Kantons. Waren 2009 erst 13 Prozent klar unzufrieden, gab letztes Jahr bereits jeder Vierte der Steuerpolitik eine ungenügende Note. Auf der anderen Seite ist auch die Zahl der Zufriedenen markant gesunken: Nur noch 32 Prozent der Luzernerinnen und Luzernen würdigen die kantonale Steuerpolitik als positiv. In früheren Befragungen lag diese Zahl gemäss dem Luzerner Statistikamt jeweils bei 36 bis 37 Prozent.

Erstaunlich ist darüber hinaus: Während den Menschen in anderen Städten oft teure Wohnungen, Unsauberkeit oder Ausländerfragen Sorgen bereiten, nennen die Luzerner die Steuern und Finanzen – nach dem Verkehr als Spitzenreiter (siehe Box unten) – als zweithäufigstes Problem.

«Die Unzufriedenheit mit der Steuerpolitik ist signifikant gestiegen.»

Norbert Riesen, Direktor Lustat

Besonders Unzufriedene

Doch was bedeutet der Unmut gegenüber den Steuern? Wollen die Luzernerinnen und Luzerner weniger Steuern bezahlen – oder ist es ein Misstrauensvotum gegenüber der kantonalen Tiefsteuerstrategie (wie das die SP auf Facebook impliziert)?

Verkehr bereitet grösste Sorgen

Das grösste Problem ortet die Hälfte der Befragten im Verkehr – sowohl in der Stadt als auch im Gesamtkanton. Die Umfrage geht aber nicht detailliert auf besonders kritische Verkehrsknoten oder -situationen ein. Was sich aufgrund der Ergebnisse sagen lässt: Zwar sind zwei von drei Luzernern sowohl mit dem öffentlichen Verkehr als auch mit dem Strassennetz zufrieden, das sind aber weniger als in früheren Befragungen. Besonders in der Stadt und der Agglomeration ist man mit dem Verkehr unzufrieden. Wenig überraschend stehen die Menschen zudem der Parkplatzsituation kritisch gegenüber; nur zwei von fünf beurteilen das Angebot als positiv. Der Regierungsrat verweist auf die geplanten Projekte, etwa den geplanten Durchgangsbahnhof, das Autobahnprojekt Bypass oder die Neugestaltung des Seetalplatzes.

«Darüber können wir keine Aussage machen, denn die Gründe dafür haben wir nicht erfragt», sagt Norbert Riesen, Direktor von Lustat Statistik Luzern.

Riesen verweist indes auf die Befragung von 2013, als ein Schwerpunkt auf das Finanzthema gelegt wurde. Damals war die Antwort der Luzerner eindeutig: Ein Drittel wollte tiefere Steuern, jeder Zehnte höhere und gut die Hälfte plädierte für den Status quo. Doch dies direkt auf die heute präsentierten Resultate umzumünzen, sei nicht möglich, so Riesen. Dafür bräuchte es eine vertiefte Untersuchung.

Sagen lasse sich einzig: «Die Unzufriedenheit mit der Steuerpolitik ist signifikant gestiegen.» Am stärksten gilt dies für die gut Ausgebildeten, die Stadtluzerner und Menschen zwischen 25 und 54 Jahren. «Das ist ein gewisser Hinweis für die Politik, mit welchen Bevölkerungsgruppen man den Dialog suchen sollte», interpretiert Riesen das Ergebnis.

Kritik an falschem Bild

Regierungspräsident und Finanzdirektor Marcel Schwerzmann glaubt, dass die gestiegene Unzufriedenheit damit zusammenhängt, dass die «finanzpolitischen Herausforderungen» bei früheren Befragungen überschaubarer waren als dieses Mal. Aktuell muss die Politik ein 400-Millionen-Sparpaket schnüren.

«Da müssen wir uns ernsthaft fragen, ob diese Botschaften nicht angekommen sind oder einfach ignoriert werden.»

Marcel Schwerzmann, Regierungsrat

Insbesondere Städter und Menschen zwischen 25 und 54 Jahren stehen der Steuerpolitik ablehnend gegenüber. (Quelle: Lustat)

Insbesondere Städter und Menschen zwischen 25 und 54 Jahren stehen der Steuerpolitik ablehnend gegenüber. (Quelle: Lustat)

Zudem ortet Schwerzmann ein falsches Bild in der Öffentlichkeit. Viele Bürger erhielten aufgrund der öffentlichen Diskussion den Eindruck, der Staat würde sich «totsparen». «Wir müssen den Menschen noch viel deutlicher kommunizieren, dass das Bild der ‹ausgepressten Zitrone› nicht ganz stimmt», hielt er bei der Präsentation diesen Montag fest. Denn der Kanton gebe Jahr für Jahr mehr für die staatlichen Leistungen aus, während die Luzerner im Vergleich zu vor zehn Jahren rund 20 Prozent weniger Steuern bezahlen würden. «Da müssen wir uns ernsthaft fragen, ob diese Botschaften nicht angekommen sind oder einfach ignoriert werden.»

Schlecht informiert?

Stichwort Kommunikation: Da schneidet die Luzerner Regierung ebenfalls schlecht ab. Mehr als die Hälfte der Luzerner ist der Meinung, die Regierung informiere nicht oder nur mässig gut über politische Themen. Das müsse dem Regierungsrat zu denken geben, räumt Schwerzmann ein.

In seinem Amtsjahr als Regierungspräsident will er dafür sorgen, dass die Regierung stärker als Einheit wahrgenommen wird. Zudem legt der Kanton einen Fokus auf den Multimedia- und Social-Media-Bereich.

Mehr für die Bildung verlangt

Zurück zu den Finanzen. Die Befragten konnten sich in der Bevölkerungsumfrage auch zur Ausgabenpolitik des Kantons äussern. Damit sind 50 bis 60 Prozent einverstanden. Mehrausgaben wünscht sich die Bevölkerung am häufigsten bei der Bildung: Just in dem Bereich, in dem der Kanton zuletzt mehrmals den Sparhammer ansetzte, wollen 47 Prozent der Befragten mehr Geld investieren. Für die repräsentative Umfrage sind von August bis Dezember 2015 insgesamt rund 4300 Personen telefonisch oder per Internet befragt worden.

Inwiefern diese Resultate die zukünftigen politischen Entscheide beeinflussen, ist allerdings noch offen. Die Regierung verspricht eine vertiefte Analyse der Ergebnisse. Vorher wäre es laut Schwerzmann nicht seriös, bereits Massnahmen vorzustellen.  

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von BeatStocker
    BeatStocker, 05.07.2016, 11:01 Uhr

    Lieber Herr Schwerzmann!
    Seit H.R. Merz (Bue-bue-Buendnerfleisch) sind Sie mit Abstand der lustigste Finanzdirektor im Land. Wir Luzerner haben schon gemerkt, dass wir dank Ihres chronischen Optimismus rund 20% weniger Steuern zahlen als früher. Die Botschaft hoeren wir wohl, allein uns fehlt Ihr neoliberaler Glaube. Dieser verträgt sich so derart schlecht mit der Realität! Das Bild der ausgepressten Zitrone stimmt in Ihren Augen nicht ganz, in unseren hingegen fast ganz. Sie leiden an einer vertikalen Kommunikationsstoerung, einer klassischen déformation professionelle. Die können Sie therapieren, indem Sie akzeptieren, dass die Realität immer stärker ist als Ideologie. Ich wünsche Ihnen herzlich gute Besserung!

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