Energiepolitik

Luzern setzt auf 2000 Watt als Fernziel

Energieverschwendung stoppen: Das Ziel des neuen Energiegesetzes (Bild: Fabian Duss)

Der Kanton Luzern revidiert sein Energiegesetz und will den Pfad hin zu einer 2000-Watt-Gesellschaft beschreiten. Das Ziel ist ambitiös, aber Wegmarken sind noch rar.

Die Luzerner Energiepolitik ist in Bewegung. Und das ist gut so. Denn das geltende Regelwerk aus dem Jahr 1989 hinkt dem rasanten technischen Fortschritt hinterher. Mit seiner Revision befindet sich Luzern in guter Gesellschaft. Auch auf nationaler Ebene wird zur Zeit an der Energiestrategie 2050 gefeilt, und Kantone sowie Städte überarbeiten reihenweise ihre Energiegesetze.

Der Luzerner Gesetzesentwurf kommt schlank daher. Für Beat Marty, den stellvertretenden Leiter der kantonalen Dienststelle Umwelt und Energie (uwe), ist ein Rahmengesetz aufgrund der grossen energiepolitischen Dynamik die optimale Form. «In den nächsten Jahren werden wir über diverse energiepolitische Vorlagen abstimmen. Bei einem eng gefassten Gesetz wäre es schwierig, den Inhalt dieser Vorlagen umzusetzen, ohne das Gesetz gleich wieder anpassen zu müssen», begründet Marty.

Die Antworten der Luzerner Parteien zur kürzlich abgeschlossenen Vernehmlassung zeigen, dass das Gesetz noch für Diskussionen sorgen wird. Bereits im ersten Artikel steht nämlich ein schlichter, trockener Satz: «Der Kanton verfolgt […] das langfristige Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft.» Das klingt interessant und ambitiös, doch sucht das Auge vergeblich nach einer Präzisierung, entsprechenden Massnahmen oder sonstigen Erläuterungen.

Benutzen statt besitzen

Das energiepolitische Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft hat seine Ursprünge an der ETH Zürich. Angesichts der globalen Verknappung fossiler Energien sowie der CO2-Problematik entwarfen Forscher ein Gesellschaftsmodell, mit dem eine global gerechte, nachhaltige Nutzung der Ressourcen und Energieträger realisierbar sein soll. Es basiert auf einer Reduktion von Energiekonsum und Treibhausgasemissionen. Langfristig, doch «so rasch wie möglich», soll der Energieverbrauch pro Person auf 2000 Watt gesenkt werden, wobei der Anteil aus nicht erneuerbaren Energiequellen 500W nicht überschreiten darf. Die CO2-Emissionen sollen auf eine Tonne pro Person und Jahr reduziert werden.

Die ambitiöse Vision erfordert entschlossene Massnahmen wie etwa die Erhöhung der Material- und Energieeffizienz, die Ersetzung fossiler durch erneuerbare Energieträger sowie die Entwicklung alternativer Lebens- und Unternehmensformen. Benutzen statt besitzen lautet die Devise.

Vom Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft ist der Kanton noch weit entfernt. In der Stadt Luzern zum Beispiel konsumierte im Jahr 2008 jede Einwohnerin und jeder Einwohner durchschnittlich 5060 Watt (CH-Durchschnitt: 6160W). Addiert man die «graue Energie», welche für Produktion, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung von Konsumgütern aufgewendet wird, steigt der Energiebedarf pro Person auf rund 8000 Watt.

Bis wann der Kanton Luzern zur 2000-Watt-Gesellschaft werden soll, ist im Energiegesetz nirgends definiert. «Wir haben bewusst auf eine konkrete Jahresangabe verzichtet», erklärt Beat Marty. «In technologischer Hinsicht wird sich in den nächsten Dekaden einiges verändern.» Man fokussiere lieber darauf, sofort Massnahmen etwa im Gebäudebereich einzuleiten, sagt der kantonale Energiefachmann. Angesichts des langen Zeithorizonts sei auch nicht ausschlaggebend, ob das Ziel nun 2050 oder 2080 erreicht werde. «Hauptsache wir machen vorwärts.» Immerhin verpflichtet der Entwurf zum Energiegesetz den Regierungsrat zu regelmässigen Standortbestimmungen und politischen Weichenstellungen.

Zürich und Zug sind einen Schritt weiter

Auch andere Gemeinwesen verzichten auf Wegmarken zum Ziel. So etwa die Stadt Zürich, die eine Vorreiterin für die 2000-Watt-Gesellschaft ist. Sie verzichtet bewusst auf eine Definition eines Zeithorizontes.

Zug hingegen hat sich festgelegt. Dort stimmte vor knapp zwei Jahren die Mehrheit der Bevölkerung der Volksinitiative «2000 Watt für Zug» zu. Die Initiantinnen und Initianten legten als Endziel das Jahr 2150 fest und formulierten für 2050 ein Zwischenziel: Maximal 3500W und zwei Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr.

Diverse Projekte zur CO2-Reduktion seien bereits umgesetzt, während andere noch in der Planungsphase steckten, erklärt Walter Fassbind, der die Dienststelle Umwelt und Energie der Stadt Zug leitet. «Konkret arbeiten wir zum Beispiel an sogenannten kooperativen Fernwärmenetzen. Dabei werden See- und Grundwasser als Speicher genutzt und liefern im Winter Wärme und im Sommer Kälte.»

Zusätzlich werde auf städtischer Ebene das Förderprogramm regelmässig optimiert und die energie- und klimarelevanten Anforderungen im Gebäude- und Mobilitätsbereich laufend dem technischen Fortschritt angepasst, erklärt Fassbind. «Die Stadt Zug versucht zudem bei Revisionen von nationalen und kantonalen Vorgaben auch 2000-Watt-kompatible Ziele einfliessen zu lassen.»

Rupan Sivaganesan, der für die Alternativen-die Grünen im Grossen Gemeinderat von Zug sowie im Kantonsrat sitzt, war einer der Mitinitianten von «2000 Watt für Zug». Er findet, man dürfe durchaus schneller vorwärts machen mit 2000-Watt-Massnahmen. «Die Stadt kann das Ziel jedoch besser erreichen, wenn auch der Kanton und die anderen zehn Gemeinden mitspielen», fügt Sivanganesan an. Der Politiker zeigt sich erfreut, dass sich immer mehr Gemeinden und Kantone in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft begeben. «So können Synergien genutzt, Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden», sagt er.

Sivaganesan sagt, er müsse bei einen Ratskolleginnen und -kollegen trotzdem immer wieder die Einhaltung des Volksentscheids anmahnen. Die Stadt Zürich hat dafür 2008 eine griffigere Lösung gefunden: Die Gemeindeordnung verlangt, dass jeder politische Erlass auf seine 2000-Watt-Konformität geprüft wird.

Wäre eine derartige gesetzliche Verpflichtung nicht auch im Kanton Luzern möglich? Der stellvertretende uwe-Leiter Beat Marty winkt ab: «Eine solche Verpflichtung würde das Fuder hier etwas überladen. Luzern ist nach wie vor ein bürgerlich dominierter Kanton», ruft er in Erinnerung. Vielerorts praktiziere man die 2000-Watt-Kompatibilität jedoch schon. Auf Gemeindeebene werde – wie etwa die Stadt Luzern beweise – durchaus in diese Richtung gedacht und es gäbe immer wieder private Investoren, die aus eigenem Antrieb auf 2000-Watt-Kompatibilität bei Neubauten setzten.

Die Bevölkerung soll mitziehen

«In diesem Bereich sind wir bereits stark», betont Beat Marty und verweist auf ein breites Beratungsangebot für Bauherren und auf das Gebäudeprogramm. Das neue Gesetz soll Effizienz und Sparsamkeit sowie den Einsatz erneuerbarer Energie im Gebäudebereich stärker gewichten. Luzern führt zudem einen Gebäudeenergieausweis ein, der zur Bedingung für Förderbeiträge gemacht werden kann.

Damit liegt der Kanton Luzern im Trend, denn der Bau und Betrieb von Gebäuden sind gemäss EnergieSchweiz für rund die Hälfte des schweizerischen Energieverbrauchs und der inländischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das entsprechend grosse Reduktionspotential auszunutzen liegt in der Kompetenz der Kantone.

Verfechter der 2000-Watt-Gesellschaft betonen, dass zur Erreichung des Ziels ein Umdenken in der Bevölkerung nötig ist. Der motorisierte Verkehr etwa ist für rund ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs in der Schweiz verantwortlich. Der grösste Teil davon geht auf das Konto des automobilen Freizeitverkehrs. Energieeffizientere Autos und eine bessere Raumordungspolitik alleine reichen nicht, das zeigen diverse Studien. Es muss schlicht und einfach weniger gefahren werden.

Der kantonale Energiefachmann Marty weist den Medien die Hauptrolle bei der Sensibilisierung der Bevölkerung zu. «Die ständige Thematisierung der Notwendigkeit der Energiewende und einer Anpassung des Konsumverhaltens ist enorm wichtig.» Verhaltensanpassungen würden dereinst nicht mehr als Verzicht wahrgenommen, argumentiert Marty. «Es gibt ja durchaus leckere Alternativen zu importierten Erdbeeren als Weihnachtsdessert.»

Der Kanton plant selber keine Sensibilisierungskampagnen. In Zug hingegen leisten die Behörden aktiv Öffentlichkeitsarbeit, wie der dortige Stadtökologe Walter Fassbind betont. Dies in Form von Quartieranlässen, Schulprojekten oder spezifischen Veranstaltungen.

Von den grossen Luzerner Parteien hat sich in der Vernehmlassung bloss die SVP grundsätzlich ablehnend zur 2000-Watt-Vision geäussert. Sie will die Vision aus dem Gesetz streichen, denn eine  2000-Watt-Gesellschaft sei «reines Wunschdenken und auch nie realisierbar». Die beiden Grünen Parteien wünschen sich derweil etwas mehr Präzision. Die Chancen sind intakt, dass die 2000-Watt-Vision im Luzerner Energiegesetz die Debatte im Kantonsrat überleben wird. Das Geschäft kommt Mitte diesen Jahres auf den Tisch.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marcel Peter
    Marcel Peter, 15.02.2013, 13:53 Uhr

    2’000 Watt-Gesellschaft, das wird wohl nie in der Realität erreicht werden können. Wenn von den heutigen 8000 Watt rund 1/3 (2’666) durch das Autofahren kommen, und die Bevölkerung stets wächst, ist es kein schweres Unterfangen zu sehen, dass dies nette Theorie bleiben wird.

    Aber zumindest unser Gewissen ist damit befriedigt, ach sind wir doch gute Menschen die für die Umwelt schauen. Danke Grüne und Nette dass ihr uns die Augen öffnet und uns auf dem Weg zum besseren Menschen begleitet

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