Massnahmen-Skeptiker vs. Gegendemonstranten

Luzern bewilligt Doppel-Demo – kommt es zur Eskalation?

Mehrere Hundert Massnahmen-Kritiker marschierten am 12. Juni 2021 zu einer illegalen Demo in Luzern auf. Die bevorstehende Skeptiker-Kundgebung diesen Samstag wurde von der Stadt bewilligt. Das hat Gegendemonstranten auf den Plan gerufen. (Bild: bic)

In Luzern finden diesen Samstag gleich zwei Kundgebungen statt: Sowohl Massnahmen-Kritiker als auch Gegendemonstranten haben zum Protest aufgerufen. Die Luzerner Polizei wappnet sich. Währenddessen übt der Jurist Loris Fabrizio Mainardi scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden – und zeigt sich wegen des Gefahrenpotenzials besorgt.

Der Stadt Luzern steht am 1.-August-Wochenende gleich ein doppelter Demonstrations-Aufmarsch bevor. Das «Aktionsbündnis Urkantone» hat für Samstag zu einer Massnahmen-Kritiker-Demo aufgerufen. Eine Reaktion liess nicht lange auf sich warten. Das Bündnis «Luzern ist bunt» hat infolge zum Gegenprotest geblasen.

Auf Anfrage von zentralplus bestätigt Stefan Geisseler, stellvertretender Leiter der zuständigen Dienststelle Stadtraum und Veranstaltungen der Stadt Luzern, dass für beide Demonstrationen entsprechende Bewilligungsgesuche eingegangen sind. Diese wurden geprüft und es wurde schliesslich für beide Kundgebungen eine Bewilligung erteilt. Das Aktionsbündnis Urkantone erhielt diese bereits Mitte Juli, «Luzern ist bunt» in der vergangenen Woche. Doch während die Corona-Skeptiker marschieren dürfen, wurde den Gegendemonstranten lediglich eine Platzbewilligung erteilt.

Luzerner Jurist hat gegen Durchführung von Skeptiker-Demo gekämpft

Die Juso Luzern, die ebenfalls Teil des Bündnisses «Luzern ist bunt» ist, schreibt in ihrer Mitteilung zur Kundgebung beim Pavillon am Quai, dass es sich bei ihrer Gegendemo nicht zuletzt um eine Reaktion auf Geschehnisse der vergangenen Wochen handelt. Konkret wird auch der Vorfall vom 12. Juni 2021 angesprochen, als bei einer Massnahmen-Kritiker-Demo in Luzern Gegendemonstranten aus dem linken Lager von Corona-skeptischen Neonazis zusammengeschlagen wurden (zentralplus berichtete).

«Die Stadt Luzern belohnt die Corona-Querulanten mit einer Bewilligung.»

Loris Fabrizio Mainardi, Luzerner Jurist

Dass die Corona-Skeptiker-Kundgebung des Aktionsbündnisses Urkantone bewilligt wurde, sorgt beim Luzerner Juristen Loris Fabrizio Mainardi für Unverständnis. Insbesondere da die Massnahmen-Kritiker in der Vergangenheit wegen illegalen Demos, Verstössen gegen die Corona-Auflagen und gewalttätigen Ausschreitungen am Rande ihrer Kundgebung von sich reden gemacht haben. «Die Stadt Luzern belohnt die Corona-Querulanten mit einer Bewilligung. Das ist für mich nicht nachvollziehbar», so Mainardi.

«Ich vermute, dass die Stadt und die Luzerner Polizei sich das Ganze einfach machen wollten. Denn wie sich aus der Vergangenheit zeigt, hätten die Massnahmen-Kritiker auch ohne Bewilligung eine Demo gemacht.» Mainardi mutmasst, dass die Luzerner Polizei dank der Demo-Bewilligung so auf ein polizeiliches Grossaufgebot und Wegweisungen verzichten kann.

Für Mainardi ist dennoch klar: «Diese Tatsache und die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Lager auch am Samstag in der Stadt wieder aufeinandertreffen könnten, birgt ein klares Gefahrenpotenzial, dass es erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte.» Jurist Mainardi hat im Kampf gegen die «Corona-Ignoranten» im Vorfeld den Regierungsrat in die Pflicht genommen: Er forderte, die Demo-Bewilligung der Stadt Luzern für die Kundgebung des Aktionsbündnisses Urkantone – mit Verweis auf eine bundesgerichtliche Rechtsprechung – zu hinterfragen.

Rechtsdienst des Kantons Luzern erteilt Mainardi eine Abfuhr

Der Rechtsdienst des Kantons Luzern hat im Zuge von Mainardis Intervention die Auflagen für die Bewilligung geprüft, das entsprechende Schreiben liegt zentralplus vor. Darin heisst es: «Wir kommen zum Schluss, dass – gerade mit Blick auf die zahlreichen Bedingungen und Auflagen – inhaltlich kein Anlass für aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen die Stadt besteht. Es wird Sache der Vollzugsbehörden sein, für die Einhaltung der Bedingungen und Auflagen zu sorgen. Auf der Bewilligungsebene ist der Entscheid jedenfalls nicht zu beanstanden.»

Mainardi kündigt an, die Geschehnisse um die Demo am Samstag genaustens im Auge zu behalten. «Sollte es dennoch zu Ausschreitungen kommen und die Polizei nicht einschreiten, werde ich die Verantwortlichen – namentlich Stadtrat Adrian Borgula und Sicherheitsdirektor Paul Winiker – zur Rechenschaft ziehen», so Mainardi.

«Wir werden uns entsprechend vorbereiten.»

Christian Bertschi, Sprecher der Luzerner Polizei

Indes will das Bündnis «Luzern ist bunt» gemäss eigenen Worten «nicht tatenlos zusehen, wenn schweizerfahnenschwingende Patrioten und Neonazis ihre menschenverachtenden Ideologien in Luzern oder sonstwo unwidersprochen verbreiten können». In ihrer Mitteilung zur bevorstehenden Demo nehmen sie direkten Bezug auf den Neonaziaufmarsch in Sempach vom 10. Juli 2021, der von den Behörden nicht unterbunden wurde, obwohl sie über die geplante Schlachtfeier der Rechtsradikalen im Bilde waren (zentralplus berichtete). Im Zuge der Recherchen von zentralplus hat der Kanton Luzern daraufhin Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht (zentralplus berichtete).

«Mass-voll»-Anführer Rimoldi tritt bei Corona-Skeptiker-Demo als Redner auf

In den vergangenen Wochen ist es in Luzern immer wieder zu Protesten gegen die bestehenden Corona-Massnahmen gekommen. So etwa marschierten vergangene Woche rund 300 Massnahmen-Kritiker zu einer unbewilligten Kundgebung in Luzern auf (zentralplus berichtete). Angeführt wurde der illegale Protest-Marsch vom Co-Präsidenten des Massnahmen-kritischen Vereins «Mass-voll», der die Kundgebung organisiert und im Vorfeld in den sozialen Medien zur Teilnahme aufgerufen hatte.

In Zusammenhang mit jener unbewilligten Demo ging bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige des Luzerner Juristen Mainardi ein. Eine weitere seitens der Stadt gegen den Rädelsführer sowie gegen Unbekannt wird derzeit geprüft. Das hält «Mass-voll»-Anführer Nicolas A. Rimoldi nicht davon ab, am Samstag wieder in Luzern mitzumarschieren und als Redner aufzutreten. Besammlungsort der Corona-Skeptiker ist der Mühlenplatz. Die Marschroute erfolgt dann über die Reussbrücke via Bahnhofstrasse, Bahnhofplatz zum Inseli, wo der Schlussort ist.

Luzerner Polizei will sich auf Doppel-Demo «entsprechend vorbereiten»

Die Gegen-Demo von «Luzern ist bunt» hingegen wurde von der Stadt Luzern lediglich als Platzkundgebung – auf dem rund 900 Meter vom Mühlenplatz entfernten Kurplatz – bewilligt. Im Vorfeld haben laut Geisseler «konstruktive Gespräche mit den gesuchstellenden Personen» stattgefunden. Beide Demos werden um 13 Uhr starten. Die Luzerner Polizei bestätigt auf Anfrage von zentralplus, Kenntnis von den beiden Demonstrationen zu haben.

«Wir werden uns entsprechend vorbereiten», sagt Christian Bertschi, Sprecher der Luzerner Polizei. Zum für Samstag geplanten Sicherheitsdispositiv wollte er sich – wie im Vorfeld von Polizeieinsätzen üblich – nicht äussern. Ebensowenig wie zur Tatsache, dass aus Massnahmen-Kritiker-Kreisen in den sozialen Medien aufgerufen wurde, die linken Gegendemonstranten «aufzumischen». Auf Seiten des Aktionsbündnisses Urkantone ist jedoch von bis zu 3'000 Teilnehmern die Rede, wie die «Luzerner Zeitung» schreibt. Mit wie vielen Massnahmen-Kritikern und Gegendemonstranten am Samstag in Luzern tatsächlich zu rechnen ist, dazu wollte die Stadt keine Auskunft geben.

Diese zwei Gruppen gehen auf die Strasse

  • Die Massnahmen-Kritiker vom «Aktionsbündnis Urkantone»: Das «Aktionsbündnis Urkantone» ist eigenen Angaben zufolge aus der Gruppe «Wir-Uri-Schwyz» und der «Regiogruppe Uri» des Notrecht-Referendums unter Beteiligung weiterer Einzelpersonen aus der Ausser- und Innerschwyz, Uri, Ob- und Nidwalden entstanden. Die Massnahmen-Kritiker-Bewegung, die im November 2020 angab, über 200 Anhänger zu zählen – tatsächlich dürfte diese Zahl indes deutlich höher liegen – , sieht sich selbst als eine überparteiliche wachsende und gut vernetzte Gruppe. Mit dem «Aktionsbündnis Urkantone» sympathisieren unter anderem massnahmenskeptische Gruppierungen wie «Mass-voll», «Freunde der Verfassung», «Lozärn stohd uf» sowie prominente Aushängeschilder der Skeptiker-Szene wie der Satiriker Andreas Thiel und der umstrittene Ebiker Hausarzt Andreas Heisler.
  • Die Gegendemonstranten von «Luzern ist bunt»: Das Bündnis «Luzern ist bunt» ist ein Zusammenschluss aus mehreren Gruppen, Vereinen, Organisationen sowie Einzelpersonen. Dazu gehören unter anderem die Gruppe Resolut, Seebrücke Schweiz, Feministischer Streik Luzern, der kurdische Kulturverein, SP Stadt Luzern, Juso Luzern, Junge Grüne Luzern, Antifa Luzern sowie der Infoladen Romp.
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