SVP-Frau wird höchste Stadtluzernerin

Lisa Zanolla: «Es wird keine Kilbi geben im Rathaus»

Politik ist wie ein Karussell, sagt die künftige Präsidentin des Luzerner Stadtparlaments. (Bild: jal)

SVP-Politikerin Lisa Zanolla wird in einem speziellen Jahr die höchste Stadtluzernerin. Mit der Absage der «Määs» muss die Schaustellerin noch vor Amtsantritt einen doppelten Dämpfer verkraften.

Es hätte eines der Highlights ihrer Amtszeit werden sollen. Doch bereits einen Monat vor ihrer wahrscheinlichen Wahl muss Lisa Zanolla einen harten Schlag einstecken: Die Lozärner Määs, die in den letzten Jahren jeweils vom «höchsten Stadtluzerner» eröffnet wurde, fällt 2020 dem Coronavirus zum Opfer (zentralplus berichtete).

Gerade in dem Jahr, in dem die Unternehmerin aus der stadtbekannten Schaustellerfamilie das Präsidium des Grossen Stadtrates übernehmen wird.

«Als höchste Stadtluzernerin die Määs zu eröffnen, wäre für mich persönlich, für meine Familie und für meine Berufskollegen ein ganz besonderer Moment gewesen», sagt die 50-Jährige. «Entsprechend gross ist die Enttäuschung.»

Politik ist wie ein Karussell

Wie gross, das lässt auch der Treffpunkt des Gesprächs erahnen: auf dem Inseli. Lisa Zanolla, braungebrannt, gepflegt, mit goldumrahmter Sonnenbrille und einem freundlichen Lachen im Gesicht, begrüsst uns an jenem Ort, an dem sie üblicherweise jeden Herbst die Besucher des Lunaparks beglückt.

Passend zu ihrer Arbeit hat sie auch das Symbol für ihr Präsidialjahr gewählt: ein Karussell. Darauf sechs Pferde, jedes steht für eine der Parteien im Stadtparlament. «Für mich ist klar: Jede hat ihre Berechtigung. In unserer Demokratie ist es wichtig, dass die verschiedenen Meinungen der Bevölkerung in die Politik eingebracht werden», erklärt die SVP-Politikerin, die seit 2015 auch im Kantonsrat sitzt. «Wie auf dem Karussell geht es auch in der Politik mal hoch und mal runter, mal bleibt man stehen, mal dreht es weiter.»

Politik ist wie ein Karussell: Die Einladung zur Wahlfeier von Lisa Zanolla.

Dass die Ratssitzungen künftig so animiert moderiert werden wie die Achterbahnen und Autoscooter an der Määs, ist aber nicht zu erwarten. «Es wird keine Kilbi geben im Rathaus», sagt sie und lacht.

Eine gute und lockere Stimmung ist ihr aber wichtig – gerade weil mit dem Beginn der neuen Legislatur am 3. September knapp ein Viertel neue Gesichter im Parlament sein werden. «Ihr erster Eindruck soll sein, dass wir das politische Karussell miteinander und nicht gegeneinander drehen.» 

Ein hartes Jahr für Schausteller

Im beruflichen Leben von Lisa Zanolla steht das Karussell hingegen still. Von der Luga über die Olma bis hin nun eben zur Määs: Reihenweise werden die Veranstaltungen abgesagt. Eingeheiratet in die Schaustellerfamilie ist sich die 50-Jährige gewohnt, von März bis Dezember unterwegs zu sein. In dieser Zeit wird der gesamte Jahresumsatz generiert – nun geht gar nichts mehr, der ganze Fuhrpark ist eingelagert. Viele Unternehmen in der Branche plagen Existenzängste.

«Manchmal wünscht man sich etwas mehr Zeit – aber nicht so», sagt Lisa Zanolla. «Es ist wirklich hart.» Sie hält inne und nimmt einen Schluck ihres Latte macchiato. Und sagt dann: «Wir können es nicht ändern, sondern müssen die Situation annehmen, wie sie nun halt ist.»

Das Herz schlägt für die Schweiz

Weniger Einfluss hat Lisa Zanolla künftig auch auf die politischen Entscheide in der Stadt Luzern. Das Ratspräsidium gilt als Ehrenamt, man leitet die Sitzungen und ist an vielen Anlässen eingeladen. Die Stimme abgeben kann man hingegen nicht mehr. Nur falls es im Rat ein Unentschieden gibt, ist zukünftig Lisa Zanollas Stichentscheid gefragt.

Der Rollenwechsel dürfte ihr nicht schwerfallen. Zanolla gehört nicht zu jenen, die sich zuvorderst ins Rampenlicht drängen. Wenn man die zweifache Mutter fragt, wieso sie bei der Volkspartei gelandet ist, tippt sie auf ihr Herz: «Die Schweiz, unsere Heimat und unsere Werte waren mir schon immer wichtig. Das empfinde ich bei der SVP am stärksten.»

«Vielleicht hätte ich auch in die CVP oder FDP gepasst.» 

Natürlich sagen ihr auch die Inhalte zu. Doch die Stadtluzernerin ist weder Provokateurin noch Parteisoldatin. «Ich kann nicht hinter allen Aussagen von SVP-Exponenten stehen», sagt sie. Auch schon wurde ihr vorgeworfen, zu links zu politisieren. Aber damit könne sie gut umgehen, sagt sie. Die Politik ist für sie keine Karriereleiter, das nimmt ihr den Druck, streng auf Parteilinie zu politisieren. «Vielleicht hätte ich auch in die CVP oder FDP gepasst.» 

Die 50-jährige Unternehmerin Lisa Zanolla beim Gespräch im Hotel Radisson in Luzern.

Aktiv mit der Politik begonnen hat die gelernte Fotografin vergleichsweise spät. Nebst dem Unternehmen und der Familie blieb zuerst wenig Platz. «Neun Monate im Jahr bin ich jedes Wochenende gemeinsam mit meinem Mann an Messen und Kilbis.» Als ihre jüngste Tochter langsam selbständig wurde, kam der Wunsch auf, «etwas für mich alleine» zu machen. «Ein Kochkurs war nicht mein Ding, also wurde ich in der Partei aktiver.»

Den Einstieg ins Parlament ebnete ihr ein Skandal, der über die Stadtgrenzen hinaus für Schlagzeilen sorgte: René Kuhn, der damalige Parteipräsident der SVP Stadt Luzern beleidigte vor rund zehn Jahren linke Frauen und bezeichnete Emanzen als «Vogelscheuchen». Es folgte ein Sturm der Entrüstung, sein Rücktritt aus dem Stadtparlament und der Ausschluss aus der Partei.

«Oft heisst es: Politiker machen, was sie wollen. Hinter dieses Klischee zu blicken, fasziniert mich.» 

«Wohl auch, weil er gegen Frauen wetterte, bin ich für die Nachfolge im Grossen Stadtrat in den Fokus gerückt», sagt Zanolla rückblickend. Zuerst zögerte sie, traute sich das Amt nicht zu, sagte dann aber doch zu, «mit riesigem Herzklopfen».

Und die Politik habe sie sofort gepackt. «Oft heisst es: Politiker machen, was sie wollen. Hinter dieses Klischee zu blicken, fasziniert mich.» 

Eine besondere Konstellation

Inzwischen sitzt sie über acht Jahre im Stadtparlament und gehört zu den erfahrensten in der SVP-Fraktion. Die Partei gibt auch aktuell nicht immer ein gutes Bild ab. Ende März verlor sie zwei ihrer sieben Sitze. Und es sollte noch dicker kommen: Auf die umstrittene Nomination von Ex-CVP-Urgestein Silvio Bonzanigo letzten Winter folgte ein öffentlich ausgetragener Streit, der im Rauswurf des Kandidaten gipfelte (zentralplus berichtete).

Lisa Zanolla gehörte zu jenen Stimmen in der SVP, die Bonzanigos Kandidatur von Anfang an kritisch gegenüberstanden – und daraus keinen Hehl machten. Spürt sie nachträglich Genugtuung? Sie lächelt – und bleibt diplomatisch. «Die Mehrheit der Partei hat sich damals für ihn entscheiden. Nach dem Zerwürfnis war es sicher die beste Lösung, dass wir uns von ihm trennten.» 

Am 3. September kommt es zu einem speziellen Wiedersehen: Als ältester Grossstadtrat eröffnet ausgerechnet Silvio Bonzanigo die konstituierende Sitzung, an der Lisa Zanolla zur Präsidentin gewählt wird. Ein besonderes Amtsjahr, durch und durch.

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