Politik
Politologe zu den Wahlen in Luzern

«Linke dürfte am 14. Mai erneut im Doppelticket antreten»

Michaela Tschuor (links) hat es in den Regierungsrat geschafft. Ylfete Fanaj tritt noch einmal an. Politologe Reto Mitteregger glaubt, dass sie es im Zweierticket mit den Grünen tun wird. (Bild: Emanuel Ammon / zvg)

Politologe Reto Mitteregger erkennt eine weitere Vertiefung des Stadt-Landgrabens in Luzern. Er denkt, dass die Linke im zweiten Wahlgang für den Regierungsrat erneut auf das Zweierticket setzt. Im Wahlerfolg der SVP sieht er die Rückkehr zur Normalität.

Nach den Wahlen ist vor den Wahlen. Und der nächste Termin steht mit dem 14. Mai bereits vor der Tür. Dann wird das Luzerner Stimmvolk die weiteren beiden Regierungsratssitze neben Fabian Peter (FDP), Reto Wyss (Mitte), Michaela Tschuor (Mitte) besetzen. Nun gilt es aber zuerst, die Erkenntnisse des Wahlsonntags zu bündeln.

«Der Stadt-Land-Graben hat sich, wenn auch in kleinem Umfang, weiter vertieft.»

Der Luzerner Reto Mitteregger, Politologe an der Universität Zürich

Der Politologe Reto Mitteregger, der in Luzern aufwuchs und an der Universität Zürich doktoriert, ordnet die Ergebnisse der Kantons- und Regierungsratswahlen ein. Er hält fest: «Der Stadt-Land-Graben hat sich, wenn auch in kleinem Umfang, weiter vertieft: Die SVP gewinnt auf dem Land - sehr stark im Entlebuch - die SP in der Stadt. Dieser Trend hält nun seit mehreren Legislaturen an.»

Wahlsieg der SVP ist eher Rückkehr zum Courant normal

Doch kommt für Reto Mitteregger der Erfolg der SVP mit einem über alle Wahlkreise gesehen deutlichen Plus von 3,42 Prozentpunkten bei den Wählerstimmen nicht unbedingt überraschend. Sogar in der Stadt, nicht eben auf ihrem erfolgreichsten Terrain, konnte die SVP mehr als ein Prozent Wähleranteil zulegen.

Er hält denn auch mit aller Klarheit fest: «Die SVP ist die Wahlgewinnerin dieses Sonntags. Doch ist dieser Stimmengewinn der SVP eher als Korrektur zu verstehen. Nach dem umwelt- und klimabedingten Taucher 2019 liegt sie wieder auf dem Level von 2011. Auch damals konnte sie 27 Sitze gewinnen.» Das Rekordresultat von 2015 mit 29 Sitzen verfehlt die Partei aber.

«Die Grünen bleiben immer noch deutlich über dem Resultat von 2015 – die grossen Gewinne im Jahr 2019 wurden also nicht wieder rückgängig gemacht.»

Mit einem Plus von 3,77 Prozent ist die SP in der Stadt klar wählerstärkste Partei. «Sitzgewinne wie vor vier Jahren blieben aber aus, sagt Mitteregger. «Mit einem Plus von 0,3 Prozentpunkten konnte sie noch einmal leicht dazugewinnen.»

Grüne mussten Gewinne 2019 nicht wieder vollends preisgeben

Die drei Sitzverluste der Grünen, die Co-Parteipräsident Hannes Koch bereits am Nachmittag noch als zweitbestes Wahlergebnis der Grünen im Kanton Luzern je bezeichnete, schenken angesichts des Ausmasses der verlorenen Wähleranteile stark ein. Mitteregger meint, dass die Grünen übers Ganze gesehen mit einem Minus von 1,4 Prozentpunkten wenig Wählerstimmen verloren hätten.

Wobei der Sitz der Jungen Grünen 2019 auch zustande gekommen sei, weil die die Jungen die Klimabewegung sehr stark geprägt und so der Partei ein historisches Resultat beschert hätten. Der Politologe sagt: «Die Grünen bleiben immer noch deutlich über dem Resultat von 2015 – die grossen Gewinne im Jahr 2019 wurden also nicht wieder rückgängig gemacht.»

Mitte kann zu wenig für Parteilistenstimmen mobilisieren

Dass der Trend der Wählerstimmenverluste bei der Mitte wie auch bei der FDP weiter anhält, überrascht Reto Mitteregger nicht. Es gebe allerdings auch Unterschiede. «Die FDP verliert in allen Wahlkreisen Wähleranteile, ausser in der Stadt, wo sie vielleicht auch dank geschickter Listenverbindungen der GLP einen Sitz abspenstig macht.»

«Das ist das Problem der Mitte: Sie hat zwar breit wählbare Personen bei Exekutivwahlen, mobilisiert aber weniger Leute, die Liste der Partei für den Kantonsrat einzulegen.»

Die Mitte hingegen kann sich bei den Wähleranteilen teils halten, teils verliert sie. Mitteregger sagt: «Schmerzen dürften der Partei insbesondere die zwei verlorenen Sitze im Kantonsrat mit noch verbleibenden 32 Sitzen. Das setzt den Negativtrend der Partei fort.»

Dass die ehemalige CVP 2011 noch 39 Sitze, 2004 gar 44 Sitze hatte, bezeugt, wie stark die Mitte im Kanton Luzern über die letzten 20 Jahre verloren hat. Hinter der Tatsache, dass die Mitte ihre beiden Regierungsratskandidaten mit sehr guten Resultaten im ersten Wahlgang in die Exekutive bringt, sieht er angesichts der reichen Tradition der Mitte keinen Widerspruch.

Und er benennt die Krux der traditionell stärksten Partei im Kanton: «Das ist das Problem der Mitte: Sie hat zwar breit wählbare Personen bei Exekutivwahlen, mobilisiert aber weniger Leute, die Liste der Partei für den Kantonsrat einzulegen.»

GLP kann wider Erwarten keinen Sitz zulegen

Die GLP konnte vor dem Wahlsonntag auf Sitzgewinne hoffen, hat sie doch im Kanton Luzern im Vergleich zu den Wahlerfolgen in anderen Schweizer Kantonen ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft (zentralplus berichtete). Riccarda Schaller, Co-Präsidentin der GLP, musste am Wahlsonntag zunächst feststellen, dass auf dem Land wohl kaum Sitzgewinne zu realisieren sind.

Doch hatte sie das auch nicht erwartet. Versprachen doch die Wahlzettel aus der Stadt und der Agglomeration, wo die GLP vor allem Zuspruch erhält, weit eher Erfolge. Nur musste sie lange auf deren Auszählung warten. Vor 18 Uhr kam dann aus, dass die GLP einen Sitz im Wahlkreis Sursee dazugewinnt, womit vorübergehend die Hoffnung neue Nahrung erhielt, doch noch Wähleranteile dazuzugewinnen. Aber vergebens.  

«Für die Regierungsratswahlen erwarte ich, dass im Falle einer bürgerlichen Kandidatur von Armin Hartmann und Claudia Huser auch die Linke mit Ylfete Fanaj und Christa Wenger im Doppelticket antreten»

«Bei der GLP», so Reto Mitteregger, »herrscht wohl einerseits Freude, weil die Partei in Sursee einen Sitz gewinnt. Gleichzeitig verliert sie in ihrer Hochburg, der Stadt, einen Sitz.» Diesen Sitzverlust der Listenverbindung mit den Bürgerlichen zuzuweisen, erachtet der Politologe als etwas spekulativ. «Aber die Listenverbindung hat der Partei ziemlich sicher nicht geholfen.»

Zweiter Wahlgang Regierungsrat mit zwei möglichen Szenarien

Die Wahlresultate in Luzern fügen sich laut Reto Mitteregger im Vergleich mit den Resultaten des Wahlsonntags in Genf und Tessin ins Bild. «Auch in Genf hat die FDP am meisten verloren. Da aber auch bedingt durch den Genfer Spezialfall mit der Kandidatur von Pierre Maudet.» Und auch in diesen Kantonen konnte sich die Linke stabil halten. Und: Auch in Genf und im Tessin heisst einer der grossen Wahlgewinner jeweils SVP.

«Für die Regierungsratswahlen erwarte ich, dass im Falle einer bürgerlichen Kandidatur von Armin Hartmann und Claudia Huser auch die Linke mit Ylfete Fanaj und Christa Wenger im Doppelticket antreten», blickt Reto Mitteregger auf den 14. Mai voraus. «Denn die SP braucht in diesem Fall auch die Wählerstimmen der Grünen.» 

Es werden nun wohl die Allianzen und Absprachen zwischen den Parteien mitentscheiden, welche zwei Personen aus dem aussichtsreichen Trio Fanaj, Hartmann und Huser den Regierungsrat komplettieren werden. Mitteregger meint: «Tritt der eher unwahrscheinliche Fall ein, dass Claudia Huser nicht zum zweiten Wahlgang antritt, könnte es vielleicht sogar zu einer 'kampflosen' Wahl mit Hartmann und Fanaj kommen.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch und Mailaustausch mit Reto Mitteregger
  • Wahlresultate sowie Wahlberichterstattung zentralplus
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.


Apple Store IconGoogle Play Store Icon