Förderalismus pur: In Zürich kann eine Lehre machen, wer aus der Ukraine in die Schweiz geflohen ist – in Luzern geht das nicht. Das findet die SP ungerecht. Und eine dreifach verpasste Chance.
Die Rechnung ist einfach: Wer arbeiten kann, braucht keine Unterstützung vom Staat. Das Schweizer Sozialsystem ist deshalb darauf ausgerichtet, die Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wenn sie Sozialhilfe beziehen. Das gilt für alle – ausser die Geflüchteten aus der Ukraine.
Sie sind abhängig von der Asylsozialhilfe und müssen mit 11.20 Franken pro Tag über die Runden kommen (zentralplus berichtete). Der Bund zahlt zwar 3000 Franken pro Person, damit sie Deutsch lernen. Weil der Schutzstatus S rückkehrorientiert ist, gibt es ansonsten kein Geld für die berufliche Integration.
Streit um die Finanzierung der Integrationsmassnahmen
Der Luzerner Sozialdirektor Guido Graf ist davon überzeugt, dass das falsch ist: «Wir müssen diese Leute integrieren», findet er. Und er fordert mehr Geld vom Bund für Geflüchtete aus der Ukraine (zentralplus berichtete).
Aus Sicht von SP-Kantonsrat Marcel Budmiger ist es ein «typisches Krisenverhalten des Kantons Luzern», das auf den Bund warte und schnell kritisiert. «Natürlich wäre es gut, wenn es mehr Geld für Deutschkurse und Integrationsmassnahmen gäbe», meint er. Aber da es ohnehin klar sei, dass diese Leute in absehbarer Zeit nicht in ihre Heimat zurückkehren können, sei der Kanton gut beraten, schon jetzt in die berufliche Eingliederung zu investieren.
Geflüchtete aus der Ukraine: Vor-Lehre ja, Lehre nein
In einem gewissen Umfang tut der Kanton Luzern dies bereits. Was zentralplus bereits letzte Woche publik machte, ist es nun offiziell: Neu können nicht nur anerkannte Flüchtlinge, sondern auch Jugendliche mit Schutzstatus S die Brückenangebote besuchen, die nach dem Schulabschluss auf den Berufseinstieg vorbereiten.
Das Problem: Der Kanton Luzern bewilligt – im Gegensatz zum Kanton Zürich – keine Lehrverträge für sie. Aus Sicht der SP ist das unsinnig. Marcel Budmiger hat daher einen dringlichen Vorstoss eingereicht. Er fordert, dass den Geflüchteten aus der Ukraine der Weg zur Lehre freigemacht wird.
Drei Gründe sprechen für eine Lehre
«Die Berufslehre ist eine Möglichkeit, rasch finanziell unabhängig zu werden anstatt beispielsweise als Hilfskraft zu jobben», ist der SP-Kantonsrat überzeugt. Natürlich werde die Berufsschule mit öffentlichen Geldern finanziert – doch diese Investition lohne sich doppelt und dreifach. Zum einen leistet der Kanton Luzern einen Beitrag an den Wiederaufbau der Ukraine, wenn die Jugendlichen nach dem Krieg eine Lehre gemacht haben. Weiter wird die Sozialhilfe sehr schnell entlastet, wenn sie einen Lehrlingslohn beziehen. Und drittens sei es ein minimaler Beitrag gegen den Fachkräftemangel, diese Jugendlichen auszubilden.
Dass Handlungsbedarf besteht, wird wohl auch die Regierung nicht bestreiten. Sie kündigt in einer Medienmitteilung an, in einem Jahr prüfen zu wollen, ob sie die Lehre auch für Jugendliche aus der Ukraine zulassen will. Der Vorstoss der SP könnte diesen Prozess nun beschleunigen.
- Telefonat mit Marcel Budmiger
- Vorstoss der SP zur Berufslehre
- Medienmitteilung des Kantons Luzerns zu den Brückenangeboten
- Merkblatt Berufslehren Kanton Zürich