Der Kanton Zug ist Partner der Schweizer Schule in Singapur. Dazu gehört seit 1999 auch ein Schüleraustauschprogramm. Dieses Jahr ist die Stadt Zug an der Reihe, einige Sechstklässler nach Singapur zu schicken. Michèle Kottelat (GLP) kritisiert das finanzielle Engagement der Stadt und spricht von «Luxusreisen». Der Stadtrat verteidigt die Beteiligung.
Michèle Kottelat spricht im Titel ihrer Interpellation von einem «Singapur-Reisli für Sechstklässler». Die grünliberale Gemeinderätin fragt sodann: «Ist es sinnvoll und finanziell verantwortbar, dass eine kleine handverlesene Gruppe von Zuger Schülerinnen und Schülern im April 2016 nach Singapur reist?»
Stadtrat verteidigt das Engagement
Der Zuger Stadtrat findet es sinnvoll, wie man seiner Antwort entnehmen kann. Die Austauschschülerinnen und -schüler profitierten in hohem Masse vom Besuch der Schweizer Schule in Singapur. «Sie haben einen grossen Nutzen aus dem Austausch, welcher die Kosten für diesen Austausch rechtfertigt.»
Gemäss dem Stadtrat lernen die Schüler zum Beispiel einen neuen Kulturkreis kennen und erweitern ihren Horizont. Sie erleben den Alltag und die Lebensweise von Auslandschweizern, verbessern ihre Englischkenntnisse und ihre interkulturelle Kompetenz und vieles mehr. Der Stadtrat erachtet den Schülerkulturaustausch deshalb nicht als «Luxusreise».
12’575 Franken aus der Stadtkasse
Die Kosten belaufen sich für die Stadt Zug auf exakt 12’575 Franken. Nochmals so viel beträgt der Beitrag des Kantons aus dem Lotteriefonds, der für wohltätige, gemeinnützige und kulturelle Zwecke bestimmt ist. Total kostet die Reise die öffentliche Hand 25’150 Franken.
570 Franken pro Kind bezahlen die Eltern (Taschengeld, Mittagsverpflegung und Gasteltern-Pauschale). Die Schulkosten hingegen übernimmt die privat getragene Auslandschweizer-Schule in Singapur.
«So ein Schnelltrip von zwei Wochen bringt doch gar nichts.»
Michèle Kottelat
Dazu muss man wissen: Der Kanton Zug ist seit 1967 Patronatskanton der Schweizer Schule im wirtschaftlich erfolgreichen südostasiatischen Stadtstaat. Die «Swiss School in Singapore» (SSiS) ist eine von 17 anerkannten Auslandschweizer-Schulen. Ihre Lehrpläne und Lehrmittel richten sich nach dem Zuger Vorbild. Die SSiS profitiert ausserdem von verschiedenen Angeboten ihres Patronatskantons.
Aus Singapur kam bisher niemand
Das Schüleraustauschprogramm existiert im Kanton Zug seit 1999 und ist «sehr erfolgreich», schreibt der Stadtrat. Das Programm ist allerdings einseitig: Zuger Jugendliche reisen für zwei Wochen nach Singapur, umgekehrt war das bisher nie der Fall. Die Schüler aus Zug drücken mit ihren Auslandschweizergspänli die Schulbank und leben bei Gastfamilien in der Metropole.
Von 1999 bis 2003 durften Sekundarschüler verschiedener Zuger Gemeinden Singapur besuchen. Ab 2010 kamen Sechstklässler in den Genuss dieser Reise. Sie müssen dafür ihre Fähigkeiten mit einem Motivationsschreiben und einer Projektarbeit unter Beweis stellen und werden von einer Jury ausgesucht (siehe Kasten unten). In den letzten fünf Jahren machten so Jugendliche aus Steinhausen, Walchwil, Hünenberg, Menzingen, Neuheim und Oberägeri diese Auslanderfahrung. 2016 ist erstmals die Stadt Zug dran. Dann lange nicht mehr.
«Die Stadt Zug ist erst in 11 Jahren wieder an der Reihe, Schülerinnen und Schüler nach Singapur zu schicken – bis dahin sieht die Welt wieder anders aus und diese Interpellation ist dann vielleicht vergessen!», schreibt die für die Bildung zuständige Stadträtin Vroni Straub-Müller an zentral+.
Kottelat: «Schnelltrip bringt gar nichts»
Michèle Kottelat ist mässig zufrieden mit der Antwort des Stadtrats. Die Gemeinderätin sagt auf Anfrage, der Vater eines schulpflichtigen Kindes habe sie auf das Thema aufmerksam gemacht.
Zu ihrer Motivation für die Interpellation meint Kottelat, sie sei nicht gegen einen Schüleraustausch oder gegen die Schweizer Schule in Singapur. «Wenn die Kinder eine Auslanderfahrung von einem Jahr machen würden, fände ich das super. Aber so ein Schnelltrip von zwei Wochen bringt doch gar nichts.»
Unterricht in einer Bambushütte?
Zudem findet sie Singapur kein Land, von dessen Kultur die Kinder sehr viel lernen könnten, Kottelat spricht von einer «Scheinwelt». «Wenn man die Kinder zum Beispiel in ein afrikanisches Land schicken würde, wo der Unterricht in einer Bambushütte stattfindet, würde ich das sofort unterstützen. So könnten sie realisieren, in welchem Luxus wir hier leben», findet die vorstossfreudige grünliberale Parlamentarierin.
Stadtrat sieht kein Umweltschutzproblem
Kottelat will in ihrem Vorstoss ebenfalls wissen, ob diese Flugreise nicht im Widerspruch zu den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft und der Energiestadt Zug steht. Der Stadtrat antwortet darauf, «in geringfügiger Weise» bestehe tatsächlich ein Zusammenhang.
Unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit finde er diese Reise trotzdem gerechtfertigt. «Die Schülerinnen und Schüler fliegen mit einem Linienflug der Swiss nach Singapur. Sie verursachen also keine zusätzlichen Emissionen», schreibt die Stadtregierung. Kottelat findet diese Begründung «einen Witz». «Mit dieser Begründung könnte ich zehn Mal pro Jahr mit dem Flugzeug in die Ferien fliegen.»
Wer darf nach Singapur? |
Esther Brandenberg, Prorektorin der städtischen Schulen Zug, ist erstaunt über die Kritik. «Niemand hat das Programm bisher infrage gestellt», sagt sie. Sie finde es eine gute Sache. Am 22. September organisierten die Zuger Schulen einen Informationsabend für Eltern und Erziehungsberechtigte von Sechstklässlern. Dieser sei sehr gut besucht gewesen. Die nächste Aufgabe besteht in einer Projektarbeit in Form einer Powerpointpräsentation, welche die Jugendlichen dann persönlich vor einer Jury vortragen müssen. Sie können etwas Historisches aus der Stadt Zug präsentieren, sich mit Brauchtum aus der Stadt Zug beschäftigen oder ein bekanntes nationales Denkmal vorstellen. Dazu sollen sie sich selbst als Person präsentieren, damit sich die Jury ein Bild von ihnen machen kann, und müssen ihre Englischkenntnisse unter Beweis stellen. Eine Jury aus Vertretern der Schulkommission, Rektor, Prorektorin, Schulleitung und Lehrpersonen trifft dann die Endauswahl. Sie bestimmt, welche acht Jugendlichen sie als geeignet erachten, die «Botschafter der Stadt Zug» in Singapur zu werden. Man werde auf eine gute Mischung aus den verschiedenen Schulkreisen achten, damit die Kinder auf die ganze Stadt verteilt seien, sagt Esther Brandenberg. Wenn sich die Familie einer der acht gewählten Schülerinnen und Schülern die 570 Franken Elternbeitrag nicht leisten könne, könnten sie das Gespräch mit dem Rektorat suchen. «Daran sollte eine Teilnahme nicht scheitern», sagt sie. |