Woran liegt's?

Krienser Stadtrat verliert eine Abstimmung nach der anderen

Hat Mühe an der Urne: Der Krienser Stadtrat mit (von links) Roger Erni, Stadtschreiberin Karin Schuhmacher Bürgi, Marco Frauenknecht, Christine Kaufmann-Wolf, Cla Büchi und Maurus Frey. (Bild: zvg)

1:5 – so lautet die aktuelle Zwischenbilanz des Krienser Stadtrates an der Urne. Das neue Gremium musste in den ersten anderthalb Jahren seit Amtsantritt zahlreiche Niederlagen einstecken.

Der Krienser Stadtrat muss derzeit ungefähr gleich viele Niederlagen einstecken wie der SC Kriens. Die Fussballer liegen weit abgeschlagen am Tabellenende. Die Exekutive blickt bei den Abstimmungen auf eine ähnlich triste Bilanz.

Seit dem Amtsantritt der fünf neuen Köpfe am 1. September 2020 stimmte die Bevölkerung fünfmal gegen den Willen des Stadtrates – nur gerade einmal folgte eine Mehrheit seiner Empfehlung. Ob das Budget samt Steuererhöhung, die Pläne für die Weinhalde oder jüngst die Neugestaltung im Stadtzentrum: Die Stadtregierung scheitert mit ihren Vorschlägen an der Urne. Selbst beim bisher einzigen Sieg für den Stadtrat, der Pilatusarena, fiel der Entscheid nur hauchdünn.

Woran liegt das? Ein Erklärungsversuch in fünf Akten.

1. Lehre aus Abstimmung: Leg dich nicht mit den Familien an

Die aktuellsten zwei Entscheide fielen in ihrer Deutlichkeit brutal aus: 58 Prozent lehnten die Testplanung fürs Zentrum ab, obwohl sich bis auf die SVP alle Parteien und viele Verbände dahinterstellten. Sogar 71 Prozent schickten die Idee für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer bachab – obwohl gerade diese den meisten nicht weh getan hätte. Erbschaften von über 100’000 Franken sind selten.

Doch das Doppel-Nein dürfte andere Gründe haben, als rein inhaltliche. Und da ist der Sündenbock schnell gefunden. Wer sich in den letzten Wochen in Kriens umhörte, kam schnell auf das Thema Kinderbetreuung zu sprechen. Im Januar gab die Stadt bekannt, dass der Ferienhort gestrichen wird und die Betreuungstarife um satte 50 Prozent steigen. Für viele Eltern ein Schock, zumal die Ankündigung relativ kurzfristig erfolgte (zentralplus berichtete).

Der Stadtrat hat die Sprengkraft dieser Sparmassnahme krass unterschätzt – und jetzt die Quittung dafür erhalten. Oder wie es Stadtrat Maurus Frey (Grüne) auf Twitter selbstkritisch ausdrückte: Leg dich nicht mit den Familien an.

Ob das auch einem erfahrenen Gremium passiert wäre? Klar ist: Der neue Stadtrat bezahlt Lehrgeld. Und es dürfte, so ist zu befürchten, eine ganze Weile dauern, bis die Regierung das damit verspielte Vertrauen wieder zurückgewinnen kann.

2. Die Pandemie vertieft Gräben

Der Kinderbetreungs-GAU zeigt auch: Es ist nicht die einfachste Zeit, um den Puls der Bevölkerung zu spüren. Normalerweise sind Exekutivmitglieder viel unterwegs, an Anlässen, Veranstaltungen, Versammlungen. Doch die Pandemie macht die Politiker unnahbarer, entrückt sie der Bevölkerung. Das vertieft die Gräben. «Es ist schwieriger geworden, seine eigenen Positionen über das eigene politische Lager hinaus zu vermitteln, weil es dazu die Nähe zur Bevölkerung braucht», sagte die Politologin Martina Mousson diesen Montag gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Der Krienser Stadtrat bemüht sich zwar, mit Online- und Dialogveranstaltungen, den Kontakt zu suchen (zentralplus berichtete). Doch ihm ging offenbar auch ein Stück weit das kommunikativ-taktische Gespür abhanden. Oder wer tauft eine Vorlage, die Kriens ein florierendes und belebtes Stadtzentrum verspricht, auf «Testplanung Zentrum»?

3. Linke und rechte Parteien scheren aus

Die Hoffnung beim Neustart im Krienser Stadtrat war: Die fünf wichtigsten Parteien sind im Gremium eingebunden – entsprechend wird sich ein Konsens finden lassen. Doch wer dachte, mit der Opposition sei es vorbei, sah sich rasch getäuscht.

In fünf von sechs Urnengängen folgten die Krienser Stimmbürger nicht den Empfehlungen des Stadtrates:

Grafik Abstimmungen Kriens

Am Anfang waren es vor allem die Grünen, die berauscht vom Sieg ihrer Einzonungsinitiative auf der wachstumskritischen Welle weitersurfen wollten. Und am Ende erfolgreich das Wohnprojekt für die Weinhalde bekämpften. Bei den finanzpolitischen Vorlagen stellten sich SVP und FDP gegen die Pläne des Stadtrates. Das ist insbesondere für den Finanzvorsteher Roger Erni von der FDP bitter: Er kann seine Partei offenbar nicht von der stadträtlichen Linie überzeugen.

4. Realpolitik ist für Stadtrat härter als der Wahlkampf

Die fünf Stadträte versprachen im Wahlkampf 2020 frischen Wind. Und das Sprichwort sagt: Je höher der Flug, umso tiefer der Fall. Konnte die Truppe um Stadtpräsidentin Christine Kaufmann-Wolf zunächst noch vieles mit der Vorarbeit der Vorgänger erklären, ist das jetzt nicht mehr möglich.

Das Problem: Das finanzielle Korsett von Kriens ist sehr eng, sparen unbequem. Da braucht es viel politisches und rhetorisches Talent, um der Bevölkerung zugleich reinen Wein und eine positive Perspektive zu bieten. Eine politische Vision für die Zukunft von Kriens ist vor lauter Alltagssorgen jedoch nicht erkennbar.

5. Vertrauen in Behörden ist nicht nur ein Krienser Ding

Auffällig ist: Das Krienser Abstimmungsverhalten widerspricht den gängigen Mustern. Denn normalerweise heisst die Bevölkerung Behördenvorlagen gut und lehnt Volksinitiativen ab. Doch derzeit gilt das nur bedingt.

Das zeigte sich diesen Sonntag nicht nur in Kriens. Auch auf nationaler Ebene musste der Bundesrat gleich drei Niederlagen hinnehmen. Und in der Stadt Luzern scheiterte die Regierung ebenfalls – seit langer Zeit wieder mal – mit einem Projekt (zentralplus berichtete).

Ein schwacher Trost für Kriens. Es ist, als würde man dem SC Kriens sagen, dass auch andere Mannschaften mal verlieren.

Verwendete Quellen
  • Abstimmungsergebnisse Kriens
  • Hintergrundgespräche
  • Artikel «Warum versenkt das Volk so viele Vorlagen von Bundesrat und Parlament?» im «Tages-Anzeiger» vom 14. Februar 2022
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


10 Kommentare
  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 16.02.2022, 13:24 Uhr

    Das eigentliche Problem in Kriens liegt bei den etablierten parteien welche auch im Stadtrat vertreten sind. jahrelang hat der Einwohnerrat, gegen kleine Opposition, alle grössenwahnsinnigen und protzigen Projekte nur Abgesegnet und viele der Räte haben auf Geschäfte und Ehren gehofft. Der neue Stadtrat hat sich selber beim Volk als » Frischer Wind » angebiedert und besteht noch immer aus Vertretern der Parteien welche am Desaster massgeblich beteiligt waren.
    So kann es nicht Besser werden .. Es braucht in Kriens einen kompletten Neuanfang … Und wenn man dafür auch alle 4 Jahre neue Räte wählen muss ..

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Werner Hauri
    Werner Hauri, 15.02.2022, 21:52 Uhr

    Dieser Krienser Stadtrat ist unbrauchbar.Man muss nur einmal die Lebensläufe von dieser Dame und den Herren genau unter die Lupe nehmen.Keine/er hat je in der Privatwirtschaft je einmal etwas besonderes geleistet.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Stofe
    Stofe, 15.02.2022, 19:07 Uhr

    Zitat von dieser Regierung: Egal wie gestimmt wird, wir bauen trotzdem. Oder diese unsägliche Ampel bei der Busschleife, die uns den ganzen Verkehr beschert, keiner im Goldenen Haus nimmt Stellung dazu. Also Antworten die Bürger halt entsprechend.

    👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Herr Ober-Nauer
    Herr Ober-Nauer, 15.02.2022, 09:55 Uhr

    Wie weit die links-grünen Gemeinderäte von der Bevölkerung entfernt sind, zeigt Freys Tweet deutlich auf: ein dahingeworfener Satz auf Englisch, den die grosse Mehrheit der Krienser nicht versteht und allein für die links-grüne Blase bestimmt ist. Dabei liesse es sich ganz einfach auf Deutsch sagen. Und was hat Badran mit Kriens zu tun? Zum Glück gar nix.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎2Daumen runter
    • Profilfoto von schaltjahr
      schaltjahr, 15.02.2022, 20:02 Uhr

      Kriens wird von einer mitte- rechts Mehrheit Regiert und in den Ruin geritten … Links ist nur die Minderheit …

      👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
      • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
        Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 16.02.2022, 09:02 Uhr

        Frau/Herr Schaltjahr: Der neue Stadtrat ist erst seit 1 1/2 Jahren im Amt. Vorher wurde Kriens ganz klar über viele Jahre von links dominiert. Angefangen mit Cyrill Wiget – der übrigens gleich neben mir wohnt. Vorher wurde eine ganze Reihe von zum Teil schwerwiegenden Fehlern gemacht. Ich möchte jetzt nicht alles auflisten, aber das Projekt Zukunft Kriens war von der finanziellen Seite her sicher überrissen. Das war für mich schon bei der Abstimmung klar. Auch hat die Umwandlung von Gemeinde zu Stadt viel mehr gekostet als man uns Bürgern gesagt hat. Das war völlig unnötig. Aber jemand wollte sich halt damals unbedingt «Stadtpräsident» nennen, weil «Gemeindepräsident» nicht mehr gut genug war.

        👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
  • Profilfoto von Fabrizio DiMeola
    Fabrizio DiMeola, 15.02.2022, 09:24 Uhr

    Kriens hat vorallem ein grosses strukturelles Problem: Es figuriert seit etwa fünf bis zehn Jahren als oszillierender Magnet für unterste Einkommensschichten und sozial Schwache sowie Migranten, die beides auf sich vereinen. Weite Teile dieser Gruppen, sind in der Regel auf Transferleistungen des Sozialstaates angewiesen sind. Die Prognose lautet leider: Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt illusorisch. Gekoppelt mit Kinderreichtum hängen diese Bevölkerungsgruppen für Jahrzehnte am Tropf des Sozialstaates; den Kindern der zweiten Generation droht oftmals sozioökonomisch dasselbe Schicksal. Dies ist soziologisch gut belegt. Und das wird dann richtig teuer. Wenn dann noch Steuersubstrat systematisch abwandert, ist es nicht mehr finanzierbar. Hauptgrund, warum Kriens dieses Problem immer stärker zu spüren bekommt, ist der dort noch vorhandene, günstige Wohnraum. Daher sollten die verantwortlichen Politiker gerade auch die Stadtentwicklung hinsichtlich Ghettobildung etwas im Auge behalten. Sonst droht Kriens dann ganz schnell der Totalzerfall, weil jeder, der es sich leisten kann, Kriens fluchtartig verlassen wird.

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
    Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 15.02.2022, 09:01 Uhr

    1. Kriens wird mit dem neuen Stadtrat leben (müssen). Wir sollten ihn bei den nächsten Wahlen nicht schon wieder in die Wüste schicken, wie wir das beim letzten Stadtrat im 2020 zu ausserordentlichen 100% gemacht haben. Im Prinzip sind es keine schlechten Leute, die wir hier im Stadthaus haben. Sie haben einfach, wie der Artikel klar aufzeigt, das Gefühl verloren, was in der Krienser Bevölkerung Anklang findet, und was nicht. Aber daran kann man arbeiten.
    2. Der Stadtrat muss wieder die Nähe zur Krienser Bevölkerung finden. Mit dem Ende von Corona sollte das auch leichter sein. Einfach gestaltete Informationsveranstaltungen in unserem neuen Pilatussaal oder Informationsstände mit Stadträten auf dem Stadtplatz, wo man das direkte Gesrpäch suchen kann, können hier helfen.
    3. Der Krienser Stadtrat braucht ein bisschen mehr Marketing-Gefühl. Das Thema Steuererhöhungen sollte definitiv vom Tisch sein. Schon alleine das Wort «Steuererhöhungen» und die ganze Diskussion darüber schreckt potente Zuzüger ab. Gerade z.B. Interessenten für die noch freien oberen Wohnungen im Pilatusarena-Hochhaus, wo die Wohnungen bis über 4 Millionen kosten, sind steuer-sensitiv.
    4. Kriens ist sehr nahe am extrem steuergünstigen Hergiswil NW und auch Meggen hat einen Steuerfuss von nur 0.95 Einheiten, verglichen mit den 1.95 Einheiten in Kriens. Da sollte man nicht mit Steinen im Glashaus werfen – nur immer wieder von Steuererhöhungen sprechen. Das Resultat sind viele Scherben am Boden.
    5. Die Krienser Bevölkerung ist klar der Meinung, dass das Stadthaus mit den vorhandenen finanziellen Mitteln haushalten soll. Das kam jetzt schon mehrmals an der Urne zum Ausdruck. Wie viele Male müssen wir das nochmals an der Urne sagen, bis der ganze Stadtrat das endlich mitbekommt?

    👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von schaltjahr
      schaltjahr, 15.02.2022, 20:14 Uhr

      Widerspruch .. Stadtrat welche ihrem Amt nicht gewachsen sind gehoeren weg ..

      👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
      • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
        Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 16.02.2022, 08:55 Uhr

        Frau/Herr Schaltjahr: Ich gehe mit Ihnen einig, dass der Krienser Stadtrat noch lernen muss wie die Krienser Bevölkerung tickt. Vor allem, dass das Thema Steuererhöhungen komplett ein rotes Tuch ist. Und Steuererhöhungen nicht mehr aufs Tapet gebracht werden sollen. Aber ich habe die Hoffnung, dass unser gegenwärtiger Stadtrat lernfähig ist. Was ich vom vorhergehenden Gemeinderat nicht behauptet hätte. Wir können nicht alle vier Jahre den ganzen Stadtrat komplett auswechseln. Das macht politisch keinen Sinn und ist auch gegen den gesunden Menschenverstand. Unsere jetzigen Stadträte müssen noch mehr in ihr Amt hineinwachsen. Corona hat auch einen engeren Kontakt mit der Bevölkerung behindert. Das wird jetzt sicher besser. Ich bin da voller Hoffnung.

        👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon