Grünalternative machen Druck

Knatsch um Gülle im Zugersee: «Es passiert einfach nichts»

Die Idylle täuscht: Der Zugersee enthält zu viel Phosphor. Wie das geändert werden soll, ist nach wie vor unklar. (Bild: zvg)

Trotz klarer Bundesvorschriften enthält der Zugersee viel zu viel Phosphor, weshalb die Algen wuchern und die Fische nicht genug Luft kriegen. Kanton und Bauern konnten sich bisher nicht auf Massnahmen einigen. Nun wollen die Grünalternativen die Regierung per Postulat zum Handeln zwingen.

Die Gewässerschutzverordnung des Bundes besagt unmissverständlich: Ein See darf in der Schweiz nicht mehr als 30 Milligramm Phosphor pro Kubikmeter enthalten. Tut er es doch, und liegt das an der Zufuhr von Nährstoffen wie Gülle aus der Landwirtschaft, so hat der Kanton einen «oberirdischen Zuströmbereich» zum Schutz des Sees festzulegen.

Für den Zugersee aber scheint beides nicht zu gelten. Obwohl sein Phosphorgehalt mit 80 Milligramm mehr als doppelt so hoch ist wie erlaubt, gibt es keinen behördlich festgelegten Zuströmbereich.   

Denn sobald die Kantonsregierung den Perimeter des hygrologischen Einzugsgebiets des Zugersees festlegt (der Ägerisee ist jeweils ausgenommen), müssen die dort wirtschaftenden Bauern dafür sorgen, damit weniger Gülle von ihrem Hof in den See gelangt. Ungefähr 25 bis 30 Landwirtschaftsbetriebe müssten folglich entweder die Anzahl Nutztiere reduzieren oder einen guten Teil ihres Hofdüngers so loswerden, damit er nicht in den See gelangt.

Dagegen aber hat sich der Bauernverband bis anhin erfolgreich gewehrt, wie die «Zuger Presse» vor ein paar Monaten berichtete.

Ein Abschiedsgeschenk?

Gemäss Recherchen von zentralplus gab es zwar sehr wohl ein kurzes Zeitfenster, in welcher der bundesrechtskonforme Zustand erreicht war und damit durchaus Hoffnung für den See bestand – nur wurde dieses rasch wieder zugeschlagen. Im Dezember 2015 legte die Baudirektion per Beschluss fest, dass das Einzugsgebiet des Zugersees (ohne Ägerisee) als Zuströmbereich gemäss Gewässerschutzverordnung bezeichnet werde. Doch schon zwei Monate später, im Februar 2016, hob der damalige Baudirektor Heinz Tännler den Beschluss wieder auf.

Die Vermutung liegt nahe, dass der SVP-Regierungsrat seiner Klientel noch ein Abschiedsgeschenk machen wollte. Jedenfalls kassierte er den Beschluss just einen Tag bevor er die Baudirektion verliess und an die Spitze der Finanzdirektion wechselte. Seitdem ist die Baudirektion in freisinniger Hand und Tännlers Nachfolger Urs Hürlimann und Florian Weber hüteten sich bisher davor, sich mit der Landwirtschaft anzulegen.

Stattdessen schloss der Kanton 2018 eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit dem Zuger Bauernverband (ZBV) ab. Diese sieht vor, dass auf die Ausscheidung des oberirdischen Zuströmbereichs verzichtet wird, wenn der ZBV bis Ende 2021 ein eigenes Projekt umsetzt, dessen Massnahmen den Phosporeintrag in den See mindestens so stark reduzieren.

Ermahnung vom Bafu

Allerdings reichten die zwei Projekte, welche der ZBV seitdem vorlegte, dem Bund nicht. Es sei zu wenig ersichtlich, beschied etwa das Bundesamt für Landwirtschaft, «wie mit dem vorgeschlagenen Projekt die im Kanton Zug bestehenden Herausforderungen im Bereich der Nährstoffverluste wirkungsvoll angegangen werden sollen».

«Der Handlungsbedarf ist schon lange gegeben, aber es passiert einfach nichts.»

Andreas Lustenberger, Alternative – die Grünen

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) wiederum mahnte die Zuger Regierung in einem Brief an ihre Pflichten: Die Bezeichnung des Zuströmbereichs und die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen seien erforderlich, «damit die Wasserqualität des Zugersees wieder den bundesrechtlichen Minimalanforderungen entspricht», heisst es in einem Schreiben vom vergangenen Herbst an Baudirektor Weber, das zentralplus vorliegt. Rasches Handeln, so das BAFU, tue Not.

ALG: Regierung habe Angelegenheit verschlafen

Den Grünalternativen ist jetzt der Kragen geplatzt. Mit einem Postulat wollen Sie die Regierung zwingen, endlich zu handeln. «Der Handlungsbedarf ist schon lange gegeben, aber es passiert einfach nichts», sagt Präsident Andreas Lustenberger und kritisiert, dass die Regierung die Angelegenheit «verschlafen» habe.

Was zwar verständlich, aber nicht akzeptabel sei: Selbstverständlich sei es nicht angenehm, harte Entscheidungen treffen zu müssen, doch die Regierung stehe in der Verantwortung. «Schliesslich geht es um die Gesundheit des Sees. Es gilt zu verhindern, dass Arten sterben, und sicherzustellen, dass die Biodiversität erhalten bleibt», sagt der ausgebildete Geograph.

Ohne Beitrag der Landwirtschaft werde der Phosphorgehalt nicht sinken, heisst es auch im BAFU. «Deshalb müssten in absehbarer Zeit ein Zuströmbereich bezeichnet und weitergehende Massnahmen im Bereich der Landwirtschaft eingeleitet werden», sagt Christian Leu, Chef der Sektion Wasserqualität in der zuständigen BAFU-Abteilung, auf Anfrage.

Das sagt der Baudirektor

Doch welche Massnahmen genau? Der Bauernverband hat der Baudirektion im Januar einen Massnahmenkatalog vorgelegt, wie Baudirektor Florian Weber gegenüber zentralplus erklärt. Die vorgeschlagenen Massnahmen seien vom Amt für Umwelt geprüft worden und würden demnächst zwischen der Baudirektion und dem ZBV diskutiert. Zuvor will sich Weber nicht zu den einzelnen Massnahmen äussern.

«Wir können frühestens nach der Konsultation der betroffenen Landwirte über die weiteren Schritte informieren.»

Ueli Staub, Bauernverband

Auch ZBV-Geschäftsführer Ueli Staub gibt sich zugeknöpft: «Wir können frühstens nach der Konsultation der betroffenen Landwirte über die weiteren Schritte informieren.»

Im Herbst hatte Staub in der «Zuger Presse» als mögliche Massnahmen eine Veredelung der anfallenden Güllemenge, die Weitergabe der Gülle an Gemüse- und Obstbetriebe oder die Dauerbegrünung der Felder genannt. Eine Reduktion der Tierbestände aber schloss er aus.

Ob die Bauern wirklich darum herumkommen, wird sich zeigen. Mit see-internen Massnahmen allein kann der Phosphorgehalt jedenfalls bis ins Jahr 2050 lediglich auf 40 Milligramm pro Kubikmeter halbiert werden, erklärt Baudirektor Weber. Das Gesetz aber verlangt 30 Milligramm.

Und das Postulat der Grünalternativen will den Kanton verpflichten, diesen Zustand bis ins Jahr 2035 zu erreichen. Baudirektion und Bauern bleiben gefordert.

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