SVP Stadt Luzern wirkt passiv

Kein Vorstoss seit einem Jahr: Was ist los bei der SVP?

Thomas Gfeller, Fraktionschef der SVP Stadt Luzern, hat schon lange keinen Vorstoss mehr eingereicht. (Bild: jwy / zvg)

Die SVP ist die einzige Partei in der Stadt Luzern, die nicht im Stadtrat vertreten ist. Doch von eifriger Oppositionspolitik fehlt jede Spur. Hat die Partei angesichts der links-grünen Dominanz resigniert?

Der Luzerner Stadtrat ist ein schönes Beispiel für politische Konkordanz. Seine fünf Mitglieder vertreten fünf der sechs Fraktionen im Parlament der Stadt. Aussen vor bleibt einzig die SVP, die nicht im Stadtrat vertreten ist.

Sie ist somit die einzige Oppositionspartei im Parlament. Die Rolle der Opposition ist es, der Regierung auf die Finger zu schauen und deren Entscheide wenn nötig zu kritisieren. Ein wichtiges Werkzeug dafür sind politische Vorstösse wie Motionen, Postulate und Interpellationen. Sie bieten den Parlamentariern die Gelegenheit, die politischen Geschehnisse aktiv mitzugestalten.

SVP hat in einem Jahr nur einen Vorstoss eingereicht

Es liesse sich nun vermuten, dass die SVP einen Vorstoss nach dem anderen einreicht, um die Regierung auf Trab zu halten und ihre Interessen wo immer möglich einzubringen. Weit gefehlt. Denn ein Blick in den Geschäftsbericht des Grossen Stadtrats zeigt ein anderes Bild. 64 Vorstösse wurden im vergangenen Geschäftsjahr insgesamt eingereicht. Und ein einziger davon stammt von der SVP: Eine Interpellation aus dem Herbst 2021 zur Absage der Määs (zentralplus berichtete).

«Es ist überraschend, dass die SVP kaum Vorstösse einreicht.»

Tobias Arnold, Politologe Interface

Was ist los bei der Partei, deren Mitglieder sonst eher dafür bekannt sind, gerne und lautstark ihre Meinung zu äussern? Als Christoph Blocher 2007 aus dem Bundesrat abgewählt wurde, trat die SVP Schweiz den Gang in die Opposition mit lautem Getöse an. An einer Medienkonferenz im Dezember 2007 sagte der Berner SVP-Nationalrat Adrian Amstutz dazu: «Mit grosser Überzeugung wird sich die SVP ihrer für unser Land entscheidenden Aufgabe als Opposition zur neuen Mitte-Links-Regierung widmen. Wir werden jeden Tag mit grosser Ernsthaftigkeit und unermüdlich für unser Land, unsere Wählerschaft und die Zukunft arbeiten.»

Politologe ist überrascht

Doch wo ist diese Hingabe zur Oppositionspolitik bei der SVP Stadt Luzern geblieben? Die Statistik verwundert auch Tobias Arnold, Politologe beim Interface Politikstudien in Luzern: «Es ist überraschend, dass die SVP kaum Vorstösse einreicht. Von einer Oppositionspartei würde man etwas anderes erwarten.»

Arnold erklärt weiter, dass Vorstösse ein Mittel seien, um den politischen Status Quo zu verändern. Darum seien Vorstösse insbesondere für die Opposition ein wichtiges Werkzeug, denn: «Der Status Quo spielt grundsätzlich immer der Regierung in die Karten.» Wie also erklärt die SVP die anscheinende politische Passivität?

SVP kämpft mit Personalmangel

zentralplus hat mit Fraktionschef Thomas Gfeller gesprochen. Auch er muss einräumen, dass seine Fraktion derzeit «etwas schwach» sei bei den Vorstössen. Dafür gebe es aber mehrere Gründe und keiner davon habe mit Resignation zu tun. «Es ist nicht so, dass wir kein Interesse haben. Aber wir haben mit lediglich vier Fraktionsmitgliedern ein Ressourcenproblem.» Tatsächlich ist die SVP-Fraktion bei den vergangenen Wahlen 2020 um fast die Hälfte geschrumpft. Die Partei verlor zwei ihrer sieben Sitze und schloss Grossstadtrat Silvio Bonzanigo nach einem internen Eklat aus der Partei aus (zentralplus berichtete).

«Gerade für ein Postulat oder eine Motion braucht es ein fundiertes Vorwissen», sagt Gfeller. Dieses zu erarbeiten brauche viel Zeit – Zeit, die seinen Fraktionskollegen schlicht fehle.

«Dieses laute Bellen geht mir gegen den Strich. Wir wollen nicht kategorisch alles kritisieren, sondern eine konstruktive Politik betreiben.»

Thomas Gfeller, SVP-Fraktionschef

Doch dass die Fraktion passiv sei, will Thomas Gfeller so nicht stehen lassen: «Wir sind alle in einer Kommission und arbeiten dort konstruktiv mit. Wir bringen uns auch im Rat immer wieder ein. Doch uns fehlen die Ressourcen, um parallel dazu ständig neue Vorstösse einzureichen.» Zudem kritisiert Gfeller, dass im Grossen Stadtrat sowieso schon zu viele Vorstösse eingereicht werden. Seine Fraktion beschränke sich darum auf Anliegen, die für die SVP eine hohe Priorität hätten.

«Die ganze Klima- und Energiediskussion ist momentan sehr präsent. Für andere Parteien ist das sehr wichtig», sagt Gfeller und betont, dass es auch die SVP interessiere – doch: «Für uns ist das Thema eher zweit- oder drittrangig.»

Mediale Präsenz statt Vorstösse – ein umstrittenes Mittel

Diese Argumentation macht aus Sicht des Politik-Experten Tobias Arnold Sinn: «Die SVP ist eine kleine Fraktion und muss ihre Kräfte auf jene Geschäfte bündeln, bei denen sie Einfluss nehmen kann.»

Und er unterscheidet zwei Formen politischer Mitgestaltung: «Es gibt einerseits die politische Knochenarbeit. Die findet in den Kommissionen und durch Vorstösse statt. Und es gibt den Weg, über eine hohe mediale Präsenz bei den Wählern präsent zu bleiben.» Gerade im Hinblick auf die beschränkten Ressourcen der SVP sei das eine wirksame Alternative.

Diese These teilt SVP-Fraktionschef Thomas Gfeller – und zeigt sich ganz moderat. Er wolle keine «typische SVP-Politik» führen. «Dieses laute Bellen geht mir gegen den Strich. Wir wollen nicht kategorisch alles kritisieren, sondern eine konstruktive Politik betreiben.» Als Beispiel nennt er die Zwischenlösung für die Car-Parkplätze in Kriens, um damit die Umsetzung der Inseli-Initiative der Juso zu ermöglichen. Die SVP habe dem Vorschlag trotz Vorbehalten zugestimmt und werde nun auch bei der anstehenden Umgestaltung des Inselis aktiv mitreden.

Eine Umgestaltung, die aus Sicht Gfellers zwingend die Määs berücksichtigen muss. Er verweist dabei auf die gesammelten Unterschriften im Zusammenhang mit der Initiative «Die Määs muss auf dem Inseli bleiben» (zentralplus berichtete). Einer Initiative, welche die SVP lanciert habe, wie Gfeller ergänzt. «Das ist ein Thema, das uns wirklich interessiert. Und da werden wir auch dranbleiben.»

Eine klare Ankündigung. Eine Flut von Vorstössen ist von der SVP derweil weiterhin nicht zu erwarten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 18.10.2022, 08:39 Uhr

    «Als Christoph Blocher 2007 aus dem Bundesrat abgewählt wurde (…)» – Das stimmte noch nie und wird mit der Wiederholung nicht wahrer. Er wurde *nicht wiedergewählt*, und zwar wegen seiner lausigen Leistungsbilanz und seiner Unfähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten.

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