Der Luzerner Kantonsrat hat für das Jahr 2017 einen Steuerfuss von 1,70 Einheiten beschlossen. Gemäss Steuergesetz kann das Referendum ergriffen werden, was auch passiert. Selbst ohne dieses würde bis zum Ablauf der Referendumsfrist ein budgetloser Zustand herrschen. Dies wird in den nächsten Jahren immer der Fall sein. Zeit, über Korrekturen am System nachzudenken.
«Der Beschluss des Kantonsrates, […] eine Staatssteuer von mehr als 1,60 Einheiten zu beziehen, unterliegt dem fakultativen Referendum.» Dieser Paragraf im Luzerner Steuergesetz fristete bisher ein trostloses Dasein. Er gilt seit 2008 und weil der Kantonsrat seither nie einen Steuerfuss von über 1.60 Einheiten beschloss, kam er nie zur Anwendung.
Bis jetzt. Diesen Dienstag stimmte der Kantonsrat einer Steuerfusserhöhung von auf 1,70 Einheiten zu. Und deshalb kann die SVP vom fakultativen Referendum Gebrauch machen und beginnt ab sofort mit dem Sammeln der nötigen 3000 Unterschriften.
Die Abstimmung über den Steuerfuss findet am 21. Mai statt, bis dann herrscht im Kanton Luzern ein budgetloser Zustand vor. Dass dieser negative Auswirkungen hat, ist unbestritten. Mögliche Folgen sind etwa blockierte Auszahlungen der Prämienverbilligung oder Verzögerungen bei Bauprojekten (zentralplus berichtete).
Budgetloser Zustand Jahr für Jahr?
Der Problematik des budgetlosen Zustands ist man sich bewusst. Bisher allerdings kaum thematisiert wurde Folgendes: Im AFP ist für 2018 ein Steuerfuss von 1,7 Einheiten geplant, für 2019 und 2020 ein Steuerfuss von 1,65 Einheiten. Sämtliche Steuerfüsse liegen über der kritischen Grenze von 1,6 Einheiten. Heisst im Klartext: Das Budget tritt in den folgenden Jahren immer erst nach dem Ablauf der 60-tägigen Referendumsfrist in Kraft.
«Es wäre ja völlig unsinnig, wenn wir jedes Jahr einen budgetlosen Zustand hätten.»
Jörg Meyer, SP-Kantonsrat
Findet die Budgetdebatte weiterhin im Dezember statt, wird der Kanton Luzern also in den kommenden Jahren immer mindestens bis Februar ohne rechtskräftiges Budget dastehen. Ob das Referendum ergriffen wird oder nicht, spielt da gar keine Rolle. Dies geht auch aus der Antwort auf einen dringlichen parlamentarischen Vorstoss von SP-Kantonsrat Jörg Meyer zu diesem Thema hervor. «Ohne gültig festgesetzten Beschluss über die Staatssteuereinheiten bleibt der Voranschlag in der Schwebe und es ist so lange von einem budgetlosen Zustand auszugehen», antwortet die Regierung.
Und sie schreibt weiter: «Für die Zukunft ist zu prüfen, ob die Beratung des Voranschlages im Kantonsrat früher angesetzt werden muss.» Für die zeitliche Planung der Budgetdebatte ist das Finanzdepartement zuständig. Für eine Stellungnahme war Finanzdirektor Marcel Schwerzmann allerdings nicht zu erreichen.
Das Problem ist erkannt
Aus der Antwort auf den parlamentarischen Vorstoss geht jedoch hervor, dass man sich der Problematik bewusst ist. SP-Kantonsrat Jörg Meyer (Adligenswil) bringt es auf den Punkt: «Wir haben momentan gesetzestechnisch keine saubere Lösung. Wir müssen schnell einen Ausweg finden, denn es wäre ja völlig unsinnig, wenn wir jedes Jahr einen budgetlosen Zustand hätten.» Dessen ist man sich gemäss seinen Aussagen auch im Kantonsrat bewusst: «In Gesprächen über alle Fraktionen hinweg habe ich gespürt, dass man das Problem erkannt hat», sagt er.
Eine Möglichkeit wäre nun, die Budgetdebatte einfach vorzuverlegen, damit die Referendumsfrist noch im alten Jahr ablaufen würde und man am 1. Januar ein rechtskräftiges Budget hätte. Die Sessionsdaten 2017 sind bereits bekannt.
Würde man diesen Weg einschlagen, müsste die Budgetdebatte fürs 2018 am 30. und 31. Oktober stattfinden. Immer davon ausgegangen, dass niemand ein Referendum ergreift. Wäre dies der Fall – beim Voranschlag 2017 dauert es vom Kantonsratsbeschluss (13. Dezember) bis zur Abstimmung (21. Mai 2017) über fünf Monate –, müsste man die Debatte über den Voranschlag 2018 bereits vor den Sommerferien, also in der Juni-Session führen. Gedankenspiel: Lehnt das Volk die Steuerfusserhöhung am 21. Mai ab, muss man dann auch nochmals über den Voranschlag 2017 brüten – vorgesehen im September. Das Chaos wäre perfekt.
Budgetdebatte künftig im Herbst?
Die SVP wollte bekanntlich mit ihrer Volksinitiative «Steuererhöhungen vors Volk!» jede Erhöhung einem obligatorischen Referendum unterstellen – aber nur die Erhöhung. Fraktionschef Guido Müller forderte von der Regierung in diesem Zusammenhang auch, dass man den Prozess vorverlegen soll. Er verwies auf etliche Kantone, welche den Budgetprozess früher durchführen. Die jetzige Situation bezeichnete Müller als grosse Gefahr, weil bereits die Möglichkeit eines Referendums zu einem budgetlosen Zustand führt.
«Eine Lösung könnte sein, die Folgen des budgetlosen Zustands abzuschwächen.»
Jörg Meyer
Finanzdirektor Marcel Schwerzmann äusserte sich im damaligen Abstimmungskampf zum Thema einer früheren Budgetdebatte. Er sagte: «Dies würde dazu führen, dass der Voranschlag zu einem Zeitpunkt erstellt werden müsste, in dem wesentliche Einflussfaktoren unbekannt sind.» Er nennt die Bundessteuern, die NFA-Gelder und die Abschlüsse aus dem Vorjahr. «Die Folge wären beträchtliche Ungenauigkeiten und Lücken im Voranschlag.»
Meyer plant einen Vorstoss
Die Lage ist verzwickt. Das weiss auch SP-Kantonsrat Meyer. Hätte man den Paragrafen im Steuergesetz nicht einfach mittels Gegenvorschlag zur SVP-Initiative «Steuererhöhungen vors Volk» verschwinden lassen können, wollen wir von ihm wissen. Meyer sagt: «Das ist ein sensibles Thema. Dieser sei ja 2008 als Reaktion auf eine Initiative für mehr Volksrechte entstanden.» Nur habe man damals wohl geglaubt, man wird diesen nie brauchen. «Dass die aktuelle Situation nun eintritt, haben wir im Kantonsrat wohl einfach zu wenig realisiert. Und das Finanzdepartement hat ebenfalls nicht gerade offensiv darauf hingewiesen.»
Für Meyer gäbe es allenfalls auch noch andere Wege: «Eine Lösung könnte sein, die Folgen des budgetlosen Zustands abzuschwächen.» So plant er etwa konkret bei den Prämienverbilligungen einen entsprechenden Vorstoss.
Auf Twitter kündigt er sein Vorhaben an:
Finanzielle Sackgasse / Wirrwarr im Kanton Luzern führen zu unhaltbaren Zuständen. Parlamentarischer Vorstoss von mir in Vorbereitung! https://t.co/emeign0Wvp
— Jörg Meyer (@JoergMeyer_) 14. Dezember 2016
Es scheint offensichtlich. Niemand ist an einem Fortbestehen der aktuellen Situation interessiert. Ob nun der Referendums-Artikel angepasst, der Budgetprozess vorverlegt oder die Folgen des budgetlosen Zustands bis auf ein Minimum reduziert werden, wird sich zeigen. Die aktuelle Änderung des Steuerfusses und das dazugehörige Referendum werden auf alle Fälle im neuen Jahr für eine Menge Gesprächsstoff sorgen.
Und wie auf der Grafik (unten) zu sehen ist, ist bereits auf das Jahr 2019 die nächste Steuerfussveränderung, eine Senkung, geplant. Unter die magische Grenze von 1,60 Einheiten fällt der Steuerfuss auch dann nicht. Es droht – wie gehabt – ein Referendum.
Update: Auf Twitter hat sich auch GLP-Präsident Roland Fischer in die Diskussion eingebracht. Er verweist auf einen hängigen Vorstoss der Grünliberalen. Sie fordern, dass das fakultative Referendum nur zum Zug kommen soll, falls auch tatsächlich eine Veränderung des Steuerfusses vom Kantonsrat beschlossen wird.
@linussli @JoergMeyer Einen sinnvollen und sauberen Ausweg bietet die von @GraberMi eingereichte Motion https://t.co/dhfHFOC9KN
— Roland Fischer (@RolaFir) 16. Dezember 2016
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