Zuger Stadtpräsident zieht Halbzeit-Bilanz

Karl Kobelt: «Einen Abstrich mache ich bei der Kultur»

Der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt hat noch nicht entschieden, ob er nächstes Jahr nochmals antritt. (Bild: jal)

Mit Karl Kobelt ist in Zug seit zwei Jahren wieder ein bürgerlicher Stadtpräsident am Ruder. Was hat sich dadurch verändert, was hat der FDP-Politiker bewirkt? Im Interview spricht der 61-Jährige über die hohen Zuger Immobilienpreise, die Kritik an der Kulturpolitik und seine neue Sprechstunde.

Diplomat habe er früher werden wollen, sagt Karl Kobelt in diesem Gespräch einmal am Rande. Man kann es sich sehr gut vorstellen. Viele beschreiben den 61-Jährigen als freundlich, umgänglich und korrekt – diplomatisch eben.

Der FDP-Politiker löste im Januar 2019 nach zwölf Jahren Dolfi Müller (SP) als Zuger Stadtpräsident ab. Im Interview mit zentralplus zieht Karl Kobelt Bilanz nach der Halbzeit der Legislatur.

zentralplus: Herr Kobelt, vor zwei Jahren ging das Zuger Stadtpräsidium nach über zehn Jahren von der SP in bürgerliche Hand über. Gibt es etwas Konkretes, an dem man dies als Bürger bemerkt?

Karl Kobelt: Es ist viel geschehen in den letzten zwei Jahren. Die Stadt Zug verzeichnete 2019 ein Rekordergebnis und wird auch 2020 einen Überschuss ausweisen können. Die Ortsplanung wurde angestossen, der Baukredit für das neue Recyclingcenter mit Ökihof an der Urne deutlich angenommen. Die ganze Verwaltung wirkt im neuen Stadthaus, das seine Türen vor gut einem Jahr der Bevölkerung geöffnet hat. Auch bei Schulhäusern und in der Kultur ist einiges passiert. Kurz: Es ist viel frischer Wind zu spüren. Ob dies am nun bürgerlichen Stadtpräsidium festzumachen ist, wage ich zu bezweifeln.

zentralplus: Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger Dolfi Müller? Wo konnten Sie andere Schwerpunkte setzen?

Kobelt: Ich stelle dar, was mir bedeutsam erscheint, ohne einen Vergleich zu meinem Vorgänger zu konstruieren. Zum einen sind mir Strategien wichtig. Sie geben Orientierung und helfen, den Kurs zu halten. Das ist in den Zeiten wie diesen, die von starken Veränderungen geprägt sind, besonders wertvoll. Wir sind daran, eine Entwicklungsstrategie für die Stadt Zug auszuarbeiten und haben im letzten Jahr eine Smart-City-Strategie verabschiedet. Strategien schliessen aber rasches und situationsgerechtes Handeln nicht aus: Das haben wir mit der schnellen Unterstützung durch den Corona-Fonds bewiesen.

zentralplus: Und zum anderen?

Kobelt: Zum Zweiten will ich die Belange der Verwaltung verstehen und im gleichen Zug die Verwaltung auf den Kurs meiner strategischen Sichtweisen bringen. Drittens interessieren mich Bürgeranliegen. So wird ab Mitte Januar eine wöchentliche «Sprechstunde mit dem Stadtpräsidenten» eingerichtet, die allen offen steht. Anlass dazu gab sicherlich auch der Corona-bedingte Ausfall zahlreicher Anlässe, was die Kontakte mit der Bevölkerung massiv erschwerte.

«Es ist sicherlich kein Nachteil, wenn alle politischen Lager in der Exekutive vertreten sind.»

zentralplus: Nicht nur das Stadtpräsidium ist bürgerlich, auch der gesamte Stadtrat ist bürgerlicher geworden. Worin zeigt sich das?

Kobelt: Unter anderem daran, dass uns straffe und effiziente Verwaltungsabläufe wichtig sind. Das wichtigste Beispiel dafür sind Bauprojekte, in welche mehrere Departemente involviert sind: Da haben wir den Prozess vereinfacht. Solche Verbesserungen der Abläufe sind dadurch erleichtert worden, dass die gesamte Verwaltung im selben Gebäude arbeitet.

zentralplus: Wäre die Bevölkerung im Stadtrat besser vertreten, wenn etwa die SP oder die GLP ebenfalls im Gremium Einsitz hätten?

Kobelt: Diese Frage stellt sich insofern nicht, als die Bevölkerung die Exekutive wählt. Im Übrigen fühlen sich alle Stadtratsmitglieder dem Wohl der gesamten Bevölkerung verpflichtet – wir machen im Stadtrat keine Parteipolitik. Ich räume aber ein, dass die linke Seite aktuell etwas untervertreten ist. Es ist grundsätzlich sicherlich kein Nachteil, wenn alle politischen Lager in der Exekutive vertreten sind – das ist nach wie vor der Fall.

zentralplus: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz zur Halbzeit der Legislatur aus?

Kobelt: Gut bis sehr gut, insbesondere was meine Hauptaufgaben betrifft: Das Stadtratsgremium funktioniert als Kollektivbehörde und trifft Entscheidungen im Sinne des Allgemeinwohls. Auch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung entspricht weitgehend meinen Vorstellungen. Einen Abstrich mache ich bei der Kultur. Hier hätte ich das Potenzial für Veränderungen gern früher erkannt.

Normalerweise gibt der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt Auskunft – ab dieser Woche empfängt er selber Bürger zur Sprechstunde. (Bild: Facebook/FDP Stadt Zug)

zentralplus: Sprechen wir über die Stadtentwicklung. Zug ist beliebt und schaffte es letztes Jahr an die Spitze des «Weltwoche»-Ratings (zentralplus berichtete). Kehrseite der Medaille: Die Immobilienpreise sind hoch und der Leerwohnungsbestand tief. Was unternimmt die Stadt dagegen?

Kobelt: Die Situation, die Sie beschreiben, ist eine Begleiterscheinung des Erfolgs unserer Stadt. Es wäre falsch, die Attraktivität und den wirtschaftlichen Erfolg gering zu schätzen. Dem Stadtrat ist es ein Anliegen, die soziale wie auch die altersmässige Durchmischung zu erhalten. Letzteres gelingt gut, was den laufenden Zuzug von Familien belegt.

zentralplus: Und die soziale Durchmischung?

Kobelt: Da gibt es Organisationen abseits der Stadt, die einen hervorragenden Job machen: Die Wohnbaugenossenschaften, die Korporation und auch die Bürgergemeinde. Die Stadt Zug sieht ihre Rolle darin, dass sie einerseits durch planerische Massnahmen zum preisgünstigen Wohnungsbau beiträgt. Und andererseits auch selber eine aktive Liegenschaftspolitik betreibt. Die Stadt hat da, wo es möglich war, bereits in der Vergangenheit Wohnungen im Baurecht abgegeben und wird dies weiterhin tun, beispielsweise im Steinlager.

zentralplus: Reicht das als Gegensteuer? Oder anders gefragt: Muss man die negativen Folgen des Erfolgs in Kauf nehmen?

Kobelt: Es gibt genügend Gegensteuer. Und letztlich liegt es nicht in unserer Hand, die Entwicklungen auf dem Liegenschaftsmarkt im Detail zu beeinflussen. Zudem würde ich einen tiefen Leerwohnungsbestand nicht negativ werten. Wenn wir die Strategie haben, erfolgreich zu sein, muss man die Begleiterscheinungen ein Stück weit in Kauf nehmen.

(Karl Kobelt steht auf, öffnet das Fenster und zeigt auf eine Lampe im Raum, die rot leuchtend die schlechte Luftqualität anzeigt. Nach knapp zehn Minuten wechselt das Licht wieder auf Grün – die Frischluftzufuhr wird beendet).

zentralplus: Gemäss Ortsplanungsrevision wird Zug bis 2040 rund 15'000 Einwohner mehr zählen als heute. Was braucht es, damit das gelingen kann?

Kobelt: Im Wesentlichen durch eine gezielte Verdichtung in klar dafür bestimmten Gebieten – auf dem Technologiecluster V-Zug etwa, auf dem Landis-&-Gyr-Areal oder in der Lorzenallmend. Der zunehmende Trend zu Homeoffice und damit eine Senkung der arbeitsbedingten Mobilität können ebenfalls zum Gelingen beitragen – Corona wird das wohl noch beschleunigen.

«Eine verkehrsfreie Vorstadt bleibt eine Option.»

zentralplus: Mit dem Wachstum nimmt auch die Mobilität zu. Wo sehen Sie verkehrspolitisch die Zukunft der Stadt?

Kobelt: Der Stadtrat ist daran, die Führung des Verkehrs in der Stadt Zug zu überdenken. Das Instrument hierfür ist die Ortsplanungsrevision, die nun in Gang gekommen ist. Der grosse Wurf einer weitgehenden Befreiung der Innenstadt vom Durchgangsverkehr ist mit dem Nein der kantonalen Stimmbevölkerung zum Stadttunnel vor rund fünf Jahren verworfen worden. Nun sind neue Entwicklungen zu nutzen.

zentralplus: Welche meinen Sie?

Kobelt: So wird sich zum Beispiel durch die Tangente Zug-Baar die Belastung der Industriestrasse durch den Autoverkehr massiv reduzieren lassen. Eine verkehrsfreie Vorstadt bleibt eine Option. Generell sehe ich eine schrittweise Verbesserung der Aufenthaltsqualität in unserer Stadt, die aber erst nach Jahren ihre volle Wirkung entfalten wird.

zentralplus: Von der Aufenthaltsqualität profitiert auch der Detailhandel, der einem starken Wandel unterworfen ist. Sie haben sich dieses Themas angenommen – doch was kann die Stadt überhaupt gegen das Ladensterben bewirken?

Kobelt: Sie kann das Gewerbe erstens mit Informationen zum Strukturwandel beliefern – wir haben beispielsweise mehrere Umfragen durchgeführt. Und sie kann zweitens zum Dialog zwischen Detailhandel, Liegenschaftseigentümerinnen und Behörden anregen. Wir können den Trend natürlich nicht umkehren, da sind uns Grenzen gesetzt, aber wir können den Detailhandel ermutigen, individuelle Antworten im Umgang mit dem Strukturwandel zu finden.

zentralplus: Kritik gab es zuletzt, weil sich das Reglement für die Stadtzuger Kulturförderung verzögert (zentralplus berichtete). Wieso braucht es denn drei Jahre dafür?

Kobelt: Es wird keine drei Jahre brauchen, wir werden schneller sein. Das ursprüngliche Ansinnen des Stadtrates war es, zuerst eine Kulturstrategie zu entwickeln und anschliessend die Frage des Reglements zu beantworten. Das Parlament will diese Antwort aber schneller – und das akzeptieren wir. Wir werden bis Ende März Bericht und Antrag vorlegen.

«Man sollte sich selber gegenüber nicht unbedingt nachtragender sein als anderen Menschen gegenüber.»

zentralplus: Die Coronakrise treibt die Digitalisierung voran, die auch Zug angehen will, Stichwort: Smart City. Gibt es bereits konkrete Projekte in diesem Bereich?

Kobelt: Es gibt zahlreiche Projekte. Vor rund einem Jahr, kurz vor dem Lockdown, haben wir die digitale Mitwirkungsplattform in Betrieb genommen. Das nächste ist die demnächst online gehende e-Zug-App. Sie ermöglicht eine sichere Identifikation und wird es erlauben, verschiedene Dienstleistungen der Verwaltung konsequent elektronisch und vor allem unterwegs über mobile Geräte abzuwickeln.

2020 fielen zahlreiche Begegnungen weg – Karl Kobelt wandte sich im Frühling in einer Videobotschaft an die Bevölkerung:

zentralplus: Als Stadtpräsident übernimmt man auch repräsentative Aufgaben. 2020 fielen zahlreiche Veranstaltungen ins Wasser. Welche vermissten Sie besonders? Und wie haben Sie die gewonnene Zeit genutzt?

Kobelt: Solche Aufgaben vermisse ich mehr als ich gedacht habe (lacht). Vor allem fehlen mir festliche Anlässe wie die Jazz Night und Begegnungen mit Einwohnerinnen und Einwohnern – etwa beim jährlichen Treffen mit den Quartiervereinen und Nachbarschaften. Ich habe insgesamt nicht den Eindruck, mehr Zeit zu haben, denn Corona treibt uns ungemein um. Aber es fallen Abendveranstaltungen weg und diese Zeit verbringe ich vermehrt mit Lesen, hauptsächlich Romane und Fachbücher. Auf dem Schreibtisch liegt gerade ein Werk eines Harvard-Dozenten, der die Ursprünge des Populismus in Amerika analysiert.

zentralplus: Sie sagten einmal in einem Artikel, dass Sie sich selber Fehler schlecht verzeihen können. Welchen aus Ihrer bisherigen Zeit als Stadtpräsident tragen Sie sich selber noch nach?

Kobelt: Wenn ich ein Versäumnis nennen müsste, dann jenes betreffend der Fachstelle Kultur, das ich bereits erwähnt habe. Generell finde ich, man sollte sich selber gegenüber nicht unbedingt nachtragender sein als anderen Menschen gegenüber (schmunzelt).

zentralplus: Blicken wir nach vorne. Wo stehen die grössten Herausforderungen der nächsten zwei Jahre an?

Kobelt: Politik ist zuweilen das Bohren harter Bretter. Eine der grössten Herausforderungen ist, dass wir weiterhin namhaft in den Standort Zug investieren können. Dazu gehören etwa die Schulbauten – wir möchten in den nächsten zehn Jahren rund 150 Millionen Franken investieren. Auch wenn wir diese Mittel grundsätzlich haben, müssen die Ausgaben im politischen Prozess erstritten und vom Stimmvolk akzeptiert werden. Das ist anspruchsvoll und wird es bleiben.

zentralplus: Sie sind 61-jährig und bereits seit 2013 im Stadtrat. Nächstes Jahr stehen Wahlen an. Streben Sie eine zweite Amtszeit als Stadtpräsident an?

Kobelt: Ich fühle mich Gott sei dank topfit, was für ein Amt wie dieses eine wichtige Voraussetzung ist. Der Entscheid, ob ich eine Legislatur anhängen will, ist allerdings noch nicht gefallen und wird zu gegebener Zeit kommuniziert.

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