Wer soll unterstützt werden?

Kampf um Kitas: Linke wollen auch Reiche entlasten

Viele Eltern stellen hohe Kinderbetreuungskosten vor eine grosse Herausforderung. (Bild: Symbolbild: Leo Rivas/Unsplash)

Teure Kitas und überlastetes Personal: Die Luzerner Regierung hat ihren Gegenvorschlag zur Kita-Initiative der SP überarbeitet. Dieser gehen die Ideen des Kantons zu wenig weit.

Eltern ächzen unter Ausgaben für die Kitas, diese wiederum kämpfen mit Geldsorgen und Personalmangel. Viele Eltern können sich eine Betreuung kaum leisten, moniert die Luzerner SP. Deswegen lancierte sie 2022 eine kantonale Initiative.

Diese hat vier zentrale Forderungen: Der Kanton Luzern soll ein flächendeckendes Angebot an guter Betreuung schaffen. Eltern sollen höchstens 30 Prozent der Kosten tragen, Betreuungspersonal soll bessere Arbeitsbedingungen erhalten und Unternehmen sowie Gemeinden sollen sich an der Finanzierung beteiligen (zentralplus berichtete).

Die SP hat ihre Initiative für bezahlbare Kitas am Mittwoch eingereicht.
Die SP bei Einreichung ihrer Initiative im Sommer 2022. (Bild: SP Kanton Luzern)

Die Luzerner Regierung präsentierte ihren Gegenvorschlag zur Kita-Initiative im Sommer 2024 und damit später als gedacht. Die linken Parteien waren mit den regierungsrätlichen Ideen gar nicht zufrieden (zentralplus berichtete). Nun präsentiert die Regierung ihren überarbeiteten Gegenentwurf in einer Botschaft an den Kantonsrat.

Regierung setzt auf Betreuungsgutscheine im ganzen Kanton

Obwohl der Gegenvorschlag einige Änderungen enthält, hält die Regierung an ihrer Kritik an der SP-Initiative fest. Sie bemängelt, dass die Forderung, Eltern höchstens 30 Prozent der Kita-Kosten zahlen zu lassen, den Staat jährlich 72,4 Millionen Franken kosten würde. Davon würden auch wohlhabende Familien profitieren, so der Kanton. Das sind nicht wenige: Laut der Regierung würde dies rund ein Fünftel aller Familien ausmachen.

Die Regierung will hingegen nicht alle, sondern «nur» Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlasten. Das entspricht 76 Prozent der Haushalte mit Vorschulkindern. Diese Familien sollen mit einem einheitlichen kantonalen System für Betreuungsgutscheine unterstützt werden. Diese Gutscheine gibt es derzeit in 57 der 80 Luzerner Gemeinden.

«Das System der Betreuungsgutscheine hat sich in mehreren Gemeinden – zum Beispiel in der Stadt Luzern – bewährt und soll künftig im ganzen Kanton zur Anwendung kommen», begründet Gesundheits- und Sozialdirektorin Michaela Tschuor.

Neu sollen alle Eltern mit tiefen und mittleren Einkommen Betreuungsgutscheine erhalten, egal, wo sie wohnen. Die Regierung sieht mit dem Gesetzesentwurf vor, dass der Kanton den Gemeinden 50 Prozent der von ihnen ausgerichteten Betreuungsgutscheine vergütet.

Diese Eltern profitieren

Haushalte mit einem massgebenden Einkommen bis 47'000 Franken (Paarhaushalte) und Alleinerziehende mit einem Einkommen bis 37'600 Franken würden somit stark entlastet. Sie sollen neu nur noch zehn Franken pro Tag und Kind bezahlen.

Bei Familien mit mittleren Einkommen würde der Eigenbeitrag schrittweise mit dem Einkommen steigen. Je höher das Einkommen, desto mehr würden die Eltern selbst zahlen.

Haben Familien ein Einkommen grösser als 120'000 Franken, würde der Anspruch auf Betreuungsgutscheine entfallen.

Gemeinden für Auszahlung der Betreuungsgutscheine verantwortlich

Um die Qualität der Kindertagesstätten sicherstellen zu können, sollen gemäss Regierung «Mindestqualitätsvorgaben» gelten. Dazu gehören der Betreuungsschlüssel, die Qualifikation des Kita-Personals, Anstellungsbedingungen sowie pädagogische Konzepte. Der Kanton soll diese definieren und künftig auch prüfen, ob die Kitas diese einhalten. Neben der Aufsicht soll er für die Bewilligung aufkommen. Private Tagesfamilienorganisationen sollen neu einer Bewilligungspflicht unterstehen und durch den Kanton beaufsichtigt werden.

Die SP fordert mit ihrer Initiative eine Verschiebung der Zuständigkeit von den Gemeinden zum Kanton. Heute haben Gemeinden einen Versorgungsauftrag betreffend Angebote der frühen Förderung und der familienergänzenden Kinderbetreuung. Dieser soll gemäss Botschaft der Regierung grundsätzlich beibehalten werden. Die Gemeinden sollen die Gesuche weiterhin prüfen und auch für die Auszahlung der Betreuungsgutscheine verantwortlich bleiben.

«Mutlos» und «Ziel verfehlt»: Luzerner SP äussert scharfe Kritik

Die Luzerner SP ist mit dem Gegenvorschlag der Regierung gar nicht zufrieden. Diese verfehle ihr Ziel, der Regierungsrat bleibe «auf halbem Weg stehen», moniert die Partei in einer Medienmitteilung. SP-Kantonsrat Michael Ledergerber stempelt den Vorschlag als «mutlos» ab, er gefährde die angespannte Situation der Kitas im ganzen Kanton.

«Hier fechten wir leider einen finanzpolitischen Kampf auf dem Buckel der Eltern aus.»

Maria Pilotto, SP-Kantonsrätin

Die SP kritisiert, dass die Regierung auf veraltete Qualitätskriterien des Verbands Luzerner Gemeinden (VLG) setzt. Sie fordert, dass mindestens die aktuellen Empfehlungen der Schweizerischen Sozial- und Erziehungsdirektorenkonferenz von 2022 angewendet werden. Denn: Ohne gute Qualität würden Eltern ihre Kinder nicht der Kita anvertrauen.

SP-Kantonsrätin Maria Pilotto erklärt auf Anfrage: «Dazu gehört beispielsweise, dass Praktikanten und Praktikantinnen sowie Lernende nicht zum Betreuungsschlüssel gezählt werden. Und es wird den Kita-Mitarbeitenden auch Zeit für Teamsitzungen, Elternarbeit und Qualitätsentwicklung zugestanden.»

SP-Kantonsrätin Maria Pilotto liegt Gleichstellung am Herzen. (Bild: zvg)

SP will alle Familien entlasten

Die SP bleibt dabei: Alle Eltern sollen finanziell unterstützt werden. Für alle seien Kita-Kosten eine «grosse Investition». Der Gegenvorschlag der Regierung würde Familien mit tiefem und mittlerem Einkommen um 45 Millionen Franken pro Jahr entlasten. Er würde aber im Vergleich zur SP-Forderung 27 Millionen einsparen, indem er nebst einem tieferen, nicht kostendeckenden Tarifansatz, auch wohlhabende Familien von der Unterstützung ausschliesst.

«Hier fechten wir leider einen finanzpolitischen Kampf auf dem Buckel der Eltern aus», sagt Maria Pilotto. «Der Gegenvorschlag überlässt Familien mit hohen Einkommen sich selbst. Und das sind oftmals gut ausgebildete und gefragte Fachkräfte, die dann allenfalls dem Arbeitsmarkt fernbleiben.»

Die Regierung begründet in ihrer Botschaft den Ausschluss von Familien mit höherem Einkommen damit, dass Familien mit hohem Einkommen bereits von steuerlichen Massnahmen profitieren würden. Dies im Rahmen der Steuergesetzrevision, bei der eine Erhöhung des Kinderbetreuungsabzugs vorgesehen ist (zentralplus berichtete). Die SP argumentiert dagegen, dass dies nicht ausreiche.

Kaum bessere Arbeitsbedingungen für Kita-Personal

Nicht zuletzt kritisiert die Partei, dass der Gegenentwurf fast gänzlich darauf verzichte, gute Arbeitsbedingungen in den Kitas zu fördern. Das sei essenziell, da die Branche gegen Fachkräftemangel kämpfe.

Rund 30 Prozent der Kita-Angestellten verlassen laut der SP jährlich ihren Arbeitsort – das sei dreimal so viel wie in anderen Branchen. «Ohne gute und verlässliche Arbeitsbedingungen funktioniert das ganze System nicht», so Pilotto.

Als nächstes unterbreitet die Regierung den Gegenvorschlag dem Kantonsrat. Dann soll die Bevölkerung an der Urne über die SP-Initiative und den Gegenvorschlag abstimmen.

Verwendete Quellen
  • Botschaft der Regierung «Volksinitiative ‹Bezahlbare Kitas für alle› und Gegenentwurf»
  • Medienmitteilung der SP Kanton Luzern
  • Schriftlicher Austausch und Telefonat mit Maria Pilotto, SP-Kantonsrätin
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