Obwohl es massiv mehr Wirtschaftdelikte im Kanton Zug gibt

Kampf gegen Kriminelle: Mehr Arbeit für gleich viele Ermittler

Zwar gibt es mehr Wirtschaftsdelikte, die Mitarbeiterzahl der Strafverfolgungsbehörden bleibt aber vorerst gleich. (Bild: Adobe Stock)

Die Wirtschaftskriminalität im Kanton Zug hat stark zugenommen, die Fälle werden immer komplexer. Braucht es mehr Fahnder, um dagegen anzukämpfen? Unbedingt, finden die beiden linken Parteien SP und ALG.

332 neue Verfahren wegen Wirtschaftsdelikten haben die Zuger Strafermittlungsbehörden im vergangenen Jahr eingeleitet – die Zahl ist so hoch wie fast noch nie und der Pendenzenberg wieder angestiegen (zentralplus berichtete). Dies gab vor kurzem die Zuger Regierung bekannt – in einer Antwort auf einen Vorstoss der SP. Diese wollte wissen, wie man im Kanton überhaupt mit dieser Art von Kriminalität umgeht.

Stelle für Vermögenseinziehung geschaffen

Vor zehn Jahren hatte man einmal leicht mehr Fälle von Wirtschaftsdelikten. Dann rüsteten die Zuger Behörden ihre Ermittlungskompetenz im Bereich der Cyberkriminalität nach, schufen eine separate Stelle für Vermögenseinziehung – und bekamen so den Pendenzenberg wieder in den Griff.

Die zwingende Frage muss also sein: Sind nun erneut mehr Mittel für Staatsanwaltschaft und Polizei nötig, zumal die Zahl der Firmen und Einwohner im Kanton Zug stetig weiterwächst?

Weiterbildung und mehr Leute

«Ja, wir gehen davon aus, dass mehr personelle Ressourcen benötigt werden – und Spezialistinnen mit Fachexpertise», sagt Barbara Gysel, Kantonsrätin und Präsidentin der SP des Kantons Zug. Zumal die Zuger Regierung dies ja selber so dargelegt habe.

«Für die Bearbeitung der zunehmenden Cybercrime-Verfahren, den Phänomenen der Computer- und Netzkriminalität sowie der Kryptokriminalität und der internationalen Rechtshilfe im Bereich der Wirtschaftskriminalität» würde zusätzliches Personal benötigt, schrieb diese in ihrer Antwort. Auch Ausbildungen für Mitarbeitende würden benötigt, um diese zu spezialisieren.

Auswirkungen der Konzernverantwortungsinitiative

Die Alternative – die Grünen des Kantons Zug kritisieren die grassierende Wirtschaftskriminalität seit langem als Begleiterscheinung und logische Folge der Zuger Tiefsteuerpolitik. «Für uns ist klar, dass Wirtschaftsdelikte konsequent verfolgt werden müssen», sagt Andreas Lustenberger, Kantonsrat und Parteipräsident. «Sollten Behörden und Gerichte mehr Personal benötigen, würden die ALG dies selbstverständlich unterstützen», sagt er.

«Bei der Staatsanwaltschaft ist derzeit kein Ausbau der personellen Ressourcen im Wirtschaftsstrafbereich geplant.»

Frank Kleiner, Sprecher Zuger Strafermittlungsbehörden

Lustenberger würde es sehr begrüssen, wenn sich die Staatsanwälte noch mehr mit Wirtschaftskriminalität auseinandersetzten. Aufgrund ihrer globalen Tätigkeit fänden Delikte von multinationalen Unternehmen mit Sitz im Kanton Zug hauptsächlich in anderen Ländern statt, sagt er. Sie müssten von den Behörden in den jeweiligen Staaten verfolgt werden, «was jedoch oft nicht geschieht», so Lustenberger.

«Entwicklung genau im Auge behalten»

«Mit der Annahme der Konzernverantwortungsinitiative würde dieser Missstand endlich beseitigt», sagt Lustenberger. Gut vorstellbar, dass es anschliessend zu einem erhöhten Aufwand für die Behörden im Kanton Zug käme. In der Tat ist derzeit auch der Gegenvorschlag zur Initiative im eidgenössischen Parlament auf einem guten Weg.

Doch wie sehen das die Ermittler selber? Die Antwort der Zuger Staatsanwaltschaft, die Polizeisprecher Frank Kleiner zentralplus auf Anfrage übermittelt, überrascht. «Bei der Staatsanwaltschaft ist derzeit kein Ausbau der personellen Ressourcen im Wirtschaftsstrafbereich geplant», so Kleiner. Selbstverständlich behalte man die Entwicklung «genau im Auge, um Massnahmen zu ergreifen oder zu beantragen».

Bis jetzt kommt man mit der Arbeit nach

Die Strafermittlungsbehörden können zwischen den Spitzen in den Jahren 2010/2011 und 2019 mit ausserordentlich vielen Fällen keinen Rückgang der Wirtschaftsdelikte erkennen. Zumal die Verfahren schrittweise aufwändiger werden, «da Anforderungen an die Beweise und Beweisdichte gestiegen sind und – bei internationalen Sachverhalten – mitunter der Weg der internationalen Rechtshilfe zu beschreiten ist».

Die Zahl der Erledigungen jedenfalls habe mit der Zahl der neuen Eingänge bisher Schritt gehalten.

Weniger als neun Stellen

Möglicherweise ist die Antwort von Kleiner auch der politischen Wirklichkeit geschuldet. Vor drei Jahren sagte Thomas Armbruster – damals Chef der Kriminalpolizei, heute Kommandant des gesamten Zuger Polizeikorps – im Interview mit zentralplus Ähnliches: Dass die Cyberkriminalität zunehme, die Komplexität der Ermittlungen steige – und dass er natürlich gern mehr Personal hätte, aber dass die Polizei sparen müsse. Bekanntlich sind im Gefolge der drei Zuger Sparpakete bei der Polizei Stellen gestrichen worden (zentralplus berichtete).

Bei der Staatsanwaltschaft wurden sie im vergangenen Jahrzehnt wie gesagt geringfügig ausgebaut. Für die Fallbeurteilung kamen bei der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten II. Abteilung 0,9 Personaleinheiten hinzu. Heute gibt es dort 7’100 Stellenprozente für Staatsanwälte, 1’800 für Wirtschaftsprüfer und Assistenzstaatsanwälte – was insgesamt weniger als neun Vollzeitstellen entspricht.

Nur selten reichen die Beweise

Die Abteilung hat im vergangenen Jahrzehnt 2’445 Verfahren durchgeführt. Auffällig: 144 Mal haben sie Anklage erhoben – nur in 5,9 Prozent der Fälle reichten die Beweise also für einen Gang vor den Kadi. Allerdings bekamen die Staatsanwälte in über 60 Prozent der Gerichtsfälle recht.

Ihre Arbeit erledigen die Zuger Strafermittlungsbehörden gemäss Frank Kleiner oft in Zusammenarbeit mit andern. Je nach Zuständigkeit gibt’s Kooperationen mit Fahndern anderer Kantone und jenen des Bundes.

Das Wissen anderer hilft weiter

Dann lässt sich Ermittlungskompetenz aus Berührungspunkten mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) gewinnen, aus Kontakten mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), der Meldestelle für Geldwäscherei beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) und dem Fachbereich Rechtshilfe des Bundesamts für Justiz.

Zudem gibts einen festen und regelmässigen Austausch der kantonalen Staatsanwaltschaften und der Bundesanwaltschaft in der Vereinigung Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK).

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 10.06.2020, 12:07 Uhr

    Die Präsenz der zahlreichen Rohstoff- und Bitcoin-Gesellschaften sowie der unzähligen Briefkastenfirmen machen den Kanton Zug zu einem Hotspot der internationalen Schattenwirtschaft. Die kleine Quote von 5,9 % der vor Gericht gebrachten Fälle könnten ein Hinweis dafür sein, dass die Kapazitäten für aufwändige Recherchen bei Wirtschaftsdelikten zu klein sind. Ob da eine Absicht der rein bürgerlichen Zuger Regierung vorliegt, sei dahingestellt.

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