Alt-Nationalratspräsidentin stirbt mit 88 Jahren

Judith Stamms Tod bewegt die Luzerner Politik

Judith Stamm 2019 in der zentralplus-Redaktion. (Bild: mbe.)

Der Tod der Alt-Nationalratspräsidentin Judith Stamm schlägt am Donnerstagmorgen hohe Wellen. Die Juristin, CVP-Politikerin und Vorreiterin in der Gleichstellungspolitik wurde im Kanton Luzern weit über die Parteigrenzen hinaus geschätzt.

Judith Stamm gehört zu einer Generation, die noch auf eine grundlegend andere Art Politik betrieb als die heutige. Als sie von 1983 bis 1999 im Nationalrat sass, gab es dort kaum Frauen, keine Fake News und auch kein Twitter (zentralplus berichtete). Die gebürtige Schaffhausenerin hat in ihrem Leben und in der Politik Grosses bewegt. Nun ist die Ikone der Gleichstellungspolitik im Alter von 88 Jahren gestorben (zentralplus berichtete).

Die Luzerner Mitte-Partei kommunizierte den Tod der Luzerner Alt-Nationalrätin in der Nacht auf Donnerstag auf Twitter. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer – und löste zahlreiche Beileidsbekundungen seitens der Luzerner Politik aus. Auch die zentralplus-Redaktion bedauert den Tod der Politikerin sehr. Denn für unser Onlinemedium hatte sie eine wichtige Funktion.

Engagement für die Pressevielfalt

Neben ihrem Engagement in der Sozial- und Gleichstellungspolitik war Judith Stamm auch die Medienvielfalt ein grosses Anliegen. Deshalb hat zentralplus zur Alt-Nationalrätin eine besondere Verbindung. Sie war nämlich Gründungsmitglied des Vereins MMV, der das Medienunternehmen im Aufbau unterstützt hat.

«Sie hat sich für die Medienvielfalt eingesetzt und zentralplus in einer wichtigen Phase mitentwickelt. Ihr war die freie Meinungsbildung und die Demokratie sehr wichtig», sagt Verwaltungsratspräsident Nick Mijnssen. Er ist von ihrer Unabhängigkeit und Kraft beeindruckt gewesen. «Sie hatte in Luzern eine wichtige Rolle, weil sie den Mut hatte, gegen den Strom zu schwimmen – und so auch anderen Mut gemacht hat.»

Das hebt auch David Roth, Präsident der Luzerner SP, hervor. Stamms Einsatz für Gleichberechtigung, Minderheiten und Vielfalt sei über die Parteigrenzen hinweg sehr wichtig gewesen. «Obwohl von der grössten Partei, war sie immer auch Kämpferin für Ideen und Anliegen, die noch keine Mehrheit hatten», schreibt er auf Twitter.

Judith Stamm war eine «Emanze» der ersten Stunde

Judith Stamm war in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterin. Nach ihrem Rechtsstudium und Doktorat an der Universität Zürich wurde sie die erste Polizeiassistentin der Kriminalpolizei im Kanton Luzern. Dort betreute sie Einvernahmen bei Gewaltverbrechen. Als erste Frau der Schweiz wurde sie später zur Polizeioffizierin ernannt und wechselte anschliessend als Jugendanwältin zur Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Der Begriff «Emanze» war für Judith Stamm kein Schimpfwort. Sie setze sich für Frauenrechte ein und das sei eben der Begriff dafür, sagte sie im Interview mit zentralplus (zentralplus berichtete). Ihre Politik war geprägt von Sozial- und Gleichstellungsthemen. Für Die Mitte-Ständerätin Andrea Gmür war Stamm gerade deswegen eine wichtige Figur. Auf Twitter schreibt sie: «Eine mutige, geradlinige Frau ist nicht mehr. Die ehemalige Nationalratspräsidentin Dr. iur. Judith Stamm war ihrer Zeit weit voraus. R.I.P.»

Nachdem Stamm 1983 als eine der ersten Frauen in den Nationalrat gewählt wurde, reichte sie 1986 die Motion für die Umsetzung des Gleichstellungsartikels in der Bundesverfassung ein. Aus dieser Motion ging das Eidgenössische Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau (EGB) hervor. 1987 wurde sie zur Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen gewählt.

Die Luzerner Nationalrätin war ein Vorbild für die ersten Bundesrätinnen

Auch für einen der Bundesratsplätze ihrer Parteikollegen Kurt Furgler und Alphons Egli kandidierte Stamm 1986. Die Luzerner CVP hielt an ihrer Kandidatur auch dann noch fest, als die nationale Partei Flavio Cotti und Arnold Koller zu offiziellen Kandidaten ernannte. Für Stamm war ein Sieg nicht das vorderste Ziel. Denn für sie ging es um ein Zeichen an die Frauen, denen sie mit ihrer Kandidatur Mut machen wollte.

Zuletzt wurde sie in einem ihrer letzten Jahre im Nationalrat zur Nationalratspräsidentin gewählt. Sie amtete im Jahr 1996/97 so als höchste Schweizerin.

Die Luzerner Politik trauert um eine eigenwillige Frau

In der Mitte-Partei und ehemaligen CVP hat der Tod der Alt-Nationalratspräsidentin viele Reaktionen ausgelöst. Die Luzerner Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann betonte das wichtige Erbe von Judith Stamm für die Mitte-Politik. «Viele ihrer Spuren werden uns auch in Zukunft begleiten», heisst es in ihrem Tweet.

Und auch der Präsident der Luzerner Mitte-Partei, Christian Ineichen, meldete sich auf Twitter zum Tod von Stamm. «Danke Judith. Mit dir konnte man auf hohem Niveau streiten. Und Du hast oft gewonnen», schrieb er am Donnerstagmorgen.

Verwendete Quellen
  • Tweets von David Roth, Christian Ineichen, Andrea Gmür, Ida Glanzmann und Claude Longchamp
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