Vorfall an FCL-Fanmarsch

«Juden»-Skandal: Erste Fans angezeigt

Schweizweit machte die Aktion von FCL-Fans in St. Gallen Schlagzeilen. (Bild: Bildmontage zentral+)

Die St. Galler-Polizei hat erste FCL-Fans, die am Fanmarsch in St. Gallen dabei waren, wegen Rassendiskriminierung angezeigt. Ob sie verurteilt werden, entscheidet nun die Staatsanwaltschaft. Währenddessen bereitet man sich in Luzern mit neuen Massnahmen auf Fanmärsche und Fantransporte vor.

Die komplett missglückte Aktion einiger FCL-Fans vor dem Spiel gegen St. Gallen hat nun zu ersten Anzeigen wegen Rassendiskriminierung geführt. Dies sagt auf Anfrage von zentral+ Dionys Widmer, Mediensprecher Stadtpolizei St. Gallen: «Wir konnten erste FCL-Fans identifizieren und befragen. Sie wurden wegen Rassendiskriminierung angezeigt. Ob sie diesen Tatbestand auch erfüllen, muss nun die St. Galler Staatsanwaltschaft klären.» Voraussetzung dazu wäre, wenn die Aktion als deutlich judenfeindlich gedeutet werden könnte.

Bislang war nur klar, dass die Polizei Ermittlungen gegen die FCL-Fans aufgenommen hat (zentral+ berichtete). Laut Widmer sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Es müssten wohl noch mehr FCL-Fans mit Anzeigen rechnen. Ob die St. Galler Polizei den Hauptschuldigen schon identifiziert hat, konnte Widmer diesen Freitag nicht sagen.

WOZ drängt FCL-Fans in rechte Ecke

Zum Eklat kam es, als sich am 15. Februar beim Auswärtsspiel in St. Gallen ein FCL-Fan als Jude verkleidete und beim Fanmarsch zum Stadion vor den anderen hertrottete. Der Vorfall machte schweizweit Schlagzeilen und dürfte dem FCL, und vor allem seinen Fans, einen hässlichen, lang anhaftenden Imageschaden eingebracht haben. In der aktuellen Ausgabe der linken Wochenzeitung (WOZ) etwa, werden die FCL-Anhänger bereits in die rechte Ecke gedrängt. «Dass die InnerschweizerInnen tendenziell sehr weit rechts stehen, weiss man seit Jahren. Daran ändert weder die Aktion etwas (nach der man wenigstens wieder weiss, woran man bei der FCL-Kurve ist) noch die etwas verzweifelt wirkenden Versuche des Vereins, etwas zu unternehmen», steht da geschrieben.

Die grösste FCL-Fangruppierung USL, die im Fanblock den Ton angibt, hat sich nach dem Vorfall in St. Gallen auf ihrer Homepage dezidiert gegen jeglich Form von Antisemitismus und Rassimus ausgesprochen. Und auch der Haupttäter selbst hat sich kürzlich per anonymem Brief bei allen Beteiligten entschuldigt. Ihm sei die Tragweite der Aktion nicht bewusst gewesen, es sei ihm nie um Antisemitismus gegangen.

Informationsoffensive für Luzerner Anwohner

Fanmärsche und Ausschreitungen von und mit Fussballfans sind auch in Luzern immer wieder ein Thema. Zuletzt kam es etwa nach FCL-Spielen gegen den FC Zürich oder den FC Basel zu gewaltätigen Aktionen. Dies hauptsächlich entlang der Route, wo die VBL die Gästefans vom Bahnhof zum Stadion und zurück fahren. Hotspot ist hier der Bundesplatz, wo auch das FCL-Fanlokal liegt. Weil es in der Vergangenheit nach Problemen immer wieder Kritik an der Kommunikation der Behörden gab, organisieren nun alle Beteiligten einen, in dieser Form einmaligen, Infoanlass. Zu diesem sind jedoch ausschliesslich die betroffenen Anwohner, die entlang der Gästefanroute leben, eingeladen.

Der Anlass findet unter dem Namen «Mehr als 90 Minuten – Fussball und öffentliche Sicherheit» am 17. März in der Swissporarena statt. Auf einem entsprechenden Flyer, der in diesen Tagen in den Briefkästen der Anwohner gelandet ist, steht etwa: «Ein Fussballspiel dauert 90 Minuten. Um es sicher durchführen zu können, benötigt es vorher und nachher das Zusammenspiel verschiedener Organisationen. Am Infoabend möchten Vertreter dieser Organisationen Einblicke in ihre Arbeit geben und der Anwohnerschaft Rede und Antwort stehen.»

Ziel: Anwohner sensibilisieren

Der Infoanlass ist hochkarätig besetzt. Vor Ort werden unter anderem sein: Regierungsrätin Yvonne Schärli, Polizeikommandant Adi Achermann, Stadtrat Adrian Borgula, FCL-Präsident Ruedi Stäger, Fanarbeiter Christian Wandeler und VBL-Betriebsleiter Beat Nater. Initiiert hat die Kontaktaufnahme mit den Anwohnern die Stadt Luzern, sagt Niklaus Zeier, Chef Kommunikation bei der Stadt. «An diesem Infoanlass sollen die Leute realisieren, was es für ein FCL-Heimspiel alles an Vorbereitungen braucht, welche Organisationen wie zusammenarbeiten. Wir möchte aufzeigen, dass die Verantwortlichen sehr viel unternehmen, um ein möglichst problemloses Fussballspiel zu ermöglichen.» Man wolle den Anwesenden aber auch Gelegenheit geben, ihre Erfahrungen zu äussern und Fragen zu stellen. «Denn nicht immer laufen diese Fan-Märsche oder –Transporte reibungslos ab.» Grosse News jedoch, etwa eine andere Route für den Transport der Gästefans, dürften keine erwartet werden.

Polizei erhofft sich Verständnis

Polizeikommandant Adi Achermann sagt zum Anlass auf Anfrage von zentral+: «Der Luzerner Polizei geht es bei der Informationsveranstaltung hauptsächlich darum, die Problematik und Notwendigkeit dieser Transporte aufzuzeigen und durch diese Erklärungen ein gewisses Verständnis bei den betroffenen Bewohnern zu gewinnen. Schliesslich müssen die betroffenen Anwohner während der Zeit der Transporte Einschränkungen in Kauf nehmen.» Und Max Fischer, Medienchef des FC Luzern, fügt an: «Viele Anwohner sind von den Fantransporten betroffen. Wir möchten mit dem Anlass ihre Anliegen im direkten Gespräch aufnehmen und uns austauschen.»

«Wir möchten mit dem Anlass die Anliegen der Anwohner im direkten Gespräch aufnehmen.»

Max Fischer, Medienchef FCL

Infomail an alle Anwohner?

Angestrebt wird, so Niklaus Zeier, dass die Anwohner künftig rechtzeitig auf bevorstehende Fanmärsche oder Fantransporte aufmerksam gemacht werden, möglicherweise per Mail. Dadurch könnten sie sich besser drauf einstellen. Exponierte Stellen, wie etwa den Bundesplatz, könnten Anwohner so während der Fantransporte meiden. Max Fischer sagt dazu: «Wenn das am Infoanlass ein Anliegen der Anwohner ist, werden wir das prüfen.»

Quartierverein hat Nase voll

Am Infoanlass interessiert ist Markus Schulthess, Co-Präsident vom Quartierverein Hirschmatt-Neustadt. Dieses Quartier ist am direktesten von den Fantransporten betroffen. Schulthess sagt: «So eine Infoveranstaltung mit direktem Austausch aller Beteiligten ist sicher gut.» Anliegen könne man dadurch direkt vortragen und besprechen. Allzuviele Hoffnungen auf grosse Veränderungen macht sich Schulthess aber nicht. «Wir haben bei der Polizei schon mehrmals interveniert und gesagt: Wir wollen nicht mehr länger die Bühne sein für gewisse Zustände.» Zwar komme es bei FCL-Heimspielen selten zu Gewalt. Aber wenn doch, sei das ganze Quartier durch die enormen Sicherheitsvorkehrungen und die teils vermummten und randalierenden Fans aufgeschreckt. «Das gibt eine extreme Unruhe und verängstigt viele Anwohner.» Doch bei den Behörden heisse es dann oft nur, man könne nicht noch mehr machen als bislang.

Diese neuen VBL-Busse transportieren die Gästefans künftig zum FCL-Stadion.

Diese neuen VBL-Busse transportieren die Gästefans künftig zum FCL-Stadion.

(Bild: vbl)

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